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Ob Regional- oder Kreisliga: 'Beides hat Spaß gemacht'

lo; 22. Jun 2018, 08:30 Uhr
Bilder: Holger Plum, privat (2) --- Cem Sayilgan leitete im vergangenen Jahr das Freundschaftsspiel zwischen dem TV Herkenrath und dem 1. FC Köln.
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Ob Regional- oder Kreisliga: 'Beides hat Spaß gemacht'

lo; 22. Jun 2018, 08:30 Uhr
Gummersbach - Der Gummersbacher Cem Sayilgan hat es als Schiedsrichter bis in die Regionalliga geschafft, künftig wird er aber andere Prioritäten setzen und kürzertreten.
Demnächst wird es in der Regionalliga West und den A- und B-Jugend-Bundesligen deutlich weniger Rote Karten geben. Nicht, weil Cem Sayilgan bislang mit Platzverweisen um sich geschmissen hat. Nein, der Schiedsrichter hatte stets zwei Exemplare in der Tasche. Eine fürs Spiel und die andere bekam ein Einlaufkind als Andenken geschenkt. Jetzt hat der 28-Jährige seine Karriere in den höherklassigen Ligen beendet, nachdem er sieben Jahre lang als Referee und Assistent in der Jugend-Bundesliga sowie in der Regionalliga West tätig war.

„Man sollte aufhören, wenn es am schönsten ist. Ich befinde mich unter den Top 200 der insgesamt 75.000 Schiedsrichter in Deutschland und bin stolz, dass ich als erster Gummersbacher so hoch gepfiffen habe“, sagt Sayilgan, der zum Zeitpunkt der Verkündung seines Abschieds im Referee-Ranking des Fußballverbandes Mittelrhein auf Rang drei geführt wurde. Nun tritt er aus privaten Gründen kürzer. Er will nicht mehr jedes Wochenende auf dem Fußballplatz verbringen. „Ich war viele Jahre auf hohem Niveau aktiv und ständig unterwegs. Vor sechs Monaten bin ich Vater geworden. Ich möchte mich stärker um die Familie kümmern.“

Schwer sei ihm der Schritt nicht gefallen, „obwohl ich es bestimmt vermissen werde, Spiele vor 10.000 Zuschauern zu leiten.“ Mit den meisten Spielern und Trainern habe er ein gutes Verhältnis gepflegt. Unter anderem lernte er im Jugendbereich Akteure kennen, die mittlerweile gestandene Profis sind und das Nationaltrikot tragen. „Bei Julian Brandt und Leroy Sané hat man sofort gesehen, welches Potenzial sie haben.“ Den heutigen Bundesliga-Coaches Heiko Herrlich und Julian Nagelsmann sowie David Wagner - mittlerweile bei Huddersfield Town in der englischen Premier League - begegnete er ebenfalls.


Während der 90 Minuten ging es verbal mitunter ruppig zu, aber nach dem Abpfiff sei alles vergessen gewesen. Froh ist Sayilgan darüber, dass ihm keine spielentscheidende Fehlentscheidung unterlaufen ist. Nur einmal lag er daneben, als er bei einem U19-Bundesligamatch zwischen Rot-Weiss Essen und dem VfL Bochum ein rotwürdiges Foul übersah. Ein Kicker war seinem Gegenspieler mit dem Knie in den Rücken gesprungen. „Ich habe frontal auf den Zweikampf geschaut und weiterspielen lassen. Die Videoszenen bestätigten dann die Einschätzung des Schiedsrichterbeobachters. Da hätte ich Rot zeigen müssen.“

Seinen letzten Einsatz hatte Sayilgan, der seit seinem 15. Lebensjahr Schiedsrichter ist und für die DJK Gummersbach pfeift, als vierter Offizieller beim diesjährigen FVM-Pokalfinale zwischen Viktoria Köln und Alemannia Aachen, das von Ausschreitungen überschattet wurde. „Das sind für mich keine Fans, sondern Unruhestifter. Und es wird immer schlimmer, auch in den unteren Klassen. Das ist für den Fußball nicht gut.“ Schlechte Erinnerungen hat er auch an das Regionalliga-Spiel zwischen Rot-Weiß Ahlen und Rot-Weiß Oberhausen. Der Ahlener Spieler René Klingenburg wurde aus dem RWO-Block von einem Bierbecher getroffen, Sayilgan musste die Partie beinahe abbrechen.



Ob Ruhrpott-Derbys vor tausenden Besuchern oder Lokalduelle in der Kreisliga - für Sayilgan existierte da nie ein Unterschied. „Ich sehe mich als Dienstleister, der in jeder Spielklasse seine Leistung bringen muss. Manchmal stand ich samstags in der Regionalliga auf dem Platz und einen Tag später in der Kreisliga C. Beides hat Spaß gemacht.“

Die Pfeife hängt Sayilgan nicht komplett an den Nagel. Er arbeitet weiterhin im Kreisschiedsrichterausschuss mit und wird in den unteren Ligen als Unparteiischer eingesetzt. Sein größtes Hobby, das längst auch Berufung ist, lässt ihn nicht los. „Ich bleibe der Schiedsrichterei auf jeden Fall verbunden. Im Alltag bin ich dadurch entscheidungsfreudiger und selbstbewusster geworden.“ Er hofft, dass die oftmals gescholtenen Kollegen eine größere Wertschätzung erfahren. „Ich würde mir wünschen, dass die Schiris mehr Anerkennung bekommen und respektiert wird, was sie entscheiden.“         
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