Archiv

VfL tanzt weiter auf der Rasierklinge

pn; 27. Apr 2018, 00:05 Uhr
Bilder: Michael Kleinjung und Alexander Arnold (Galerie 24-46) ---- Die Enttäuschung saß beim VfL Gummersbach nach dem Abpfiff tief.
ARCHIV

VfL tanzt weiter auf der Rasierklinge

pn; 27. Apr 2018, 00:05 Uhr
Gummersbach - Auch ein überragender Carsten Lichtlein kann im Abstiegskampf die Niederlage gegen GWD-Minden nicht verhindern - RPP - Ambulantes Therapie- und Reha-Zentrum' und die AggerEnergie präsentieren die Berichterstattung über den VfL Gummersbach.
Von Peter Notbohm


Quo vadis VfL Gummersbach? Wie lange tickt die oberbergische Erstligauhr noch? Nach der mehr als ernüchternden 22:24-Heimniederlage gegen GWD Minden, bei der mit Ausnahme des überragenden Carsten Lichtlein einige Spieler ihre Bundesligatauglichkeit schuldig blieben, herrscht im VfL-Lager weiterhin Alarmstufe Rot. Zwar beträgt der Vorsprung auf die Abstiegsränge nach wie vor zwei Punkte sowie das bessere Torverhältnis, doch am Sonntag hat Verfolger Hüttenberg im Abstiegsgipfel bei den Eulen aus Ludwigshafen die große Gelegenheit aufzuschließen.


VfL Gummersbach – TSV GWD Minden 22:24 (12:13).


[Marvin Sommer war gewohnt agil und noch gefährlichster Gummersbacher.]

Wie verzweifelt die Lage in Reihen der Blau-Weißen mittlerweile ist, verdeutlichte der Auftritt von Christoph Schindler auf der Pressekonferenz nach der schwachen Bundesligapartie. „Die Spieler, die seit Wochen und Monaten im Tief stecken, müssen jetzt endlich anfangen, sich den Arsch aufzureißen. Es geht hier nicht nur um den Verein, sondern auch um Arbeitsplätze“, verfolgten der VfL-Sportdirektor und sein Trainer Denis Bathijarevic die Worte ihrer Mindener Kollegen ansonsten mit versteinerten Mienen und apathisch wirkender Körpersprache.


Wie heftige Faustschläge in die Magengrube muss die Schlussphase der Oberberger auf die Verantwortlichen gewirkt haben. Stand die Gummersbacher Schwalbe-Arena beim 21:20 (50.) noch Kopf, nachdem Tobias Schröter einen 4:0-Run mit der ersten Führung seit der zwölften Minute gekrönt hatte, herrschte nach dem Abpfiff völlige Desillusionierung in der sich äußerst schnell leerenden Arena. Ein Punktgewinn wäre allerdings auch äußerst unverdient gewesen. Einzig den 15 spektakulären Paraden von Carsten Lichtlein war es zu verdanken, dass die kämpferischen aber technisch meist sehr limitierten Hausherren bis zur letzten Sekunde von Punkten träumen durften.


[Florian Baumgärtner erwischte einen rabenschwarzen Abend. Dem Linkshänder gelang nur sehr wenig.]

Dabei hatte zunächst überraschend Mattias Puhle im Tor den Vorzug erhalten. Der Lichtlein-Vertreter sah seine Vorderleute zwar zügig zum 4:2 vorlegen (5.), echte Sicherheit sollte dieser erste kleine Vorsprung aber nicht geben. Mindens schnelle Mitte sowie die zweite Welle bekam die Gummersbacher Defensive nur schwerlich unter Kontrolle, so dass sich ab dem 5:6 (8.) ein enorm fehlerbehaftetes Duell auf Augenhöhe entwickelte. Den Unterschied machte in dieser Phase stets GWD-Keeper Kim Sonne-Hansen, für den die wenig variantenreichen VfL-Würfe häufig ein gefundenes Fressen waren. Überhaupt konzentrierte sich das oberbergische Offensivspiel komplett auf die linke Seite, nachdem Florian Baumgärtner in seiner Rolle als Go-To-Guy im rechten Rückraum derzeit völlig überfordert wirkt.


Über 9:11 (20.) schleppte sich die Partie bis zum 11:12 (25.), ehe VfL-Coach Bathijarevic reagierte und den eher glücklosen Puhle durch Lichtlein ersetzte. Der Keeper rechtfertigte den Wechsel zwar zügig mit vier Paraden, konnte den knappen Pausenrückstand aber auch nicht verhindern. Zu fahrlässig gingen seine Vorderleute dafür mit ihren Chancen um. Daran sollte sich auch nach dem Seitenwechsel wenig ändern. Der frühere Nationalkeeper bügelte zwar reihenweise Fehler aus, musste aber zunehmend genervt, die schwachen Offensivbemühungen seiner Vorderleute ansehen. Zungenschnalzer, wie ein Zuckerpass von Marko Matic auf Marvin Sommer, waren die absolute Ausnahme.




Über 15:18 (39.) durch den wendigen Dalibor Doder, der die VfL-Defensive mehrfach mit derselben Körpertäuschung narrte, drohten die Gäste davonzuziehen. Doch die Westfalen taten Gummersbach den Gefallen, nicht nur zahlreiche Hochcharäter liegen zu lassen, sondern die Oberberger mit Slapstick-Aktionen, wie einer falsch ausgeführten Mitte über 17:20 (43.) zum 21:20 (50.) wieder ins Spiel zu bringen. Nervenstark erwies sich in dieser Phase Eirik Köpp als sicherer Siebenmetervollstrecker. Doch nachdem Schröter völlig frei an Kim Sonne scheiterte, Zhukov sich einen haarsträubenden Fehler erlaubte und Köpp einen Gegenstoß nur auf Kosten einer Strafe unterbinden konnte, war das Momentum beim 21:23 (54.) längst wieder gekippt.


Marvin Sommer gelang vier Minuten vor dem Ende zwar noch einmal der Anschlusstreffer, doch selbst unter gütiger Mithilfe der beiden Unparteiischen, die in der Schlussphase jede enge Entscheidung zu Gunsten der Hausherren auslegten, sollte Gummersbach in den Schlussminuten an den eigenen Nerven verzweifeln. Der letzte Angriff dauert trotz angezeigtem passiven Spiels gefühlte zwei Minuten, mehr als ein Außenpfostentreffer von Josef Pujol sprang aber nicht mehr heraus, nachdem Eirik Köpp zuvor reihenweise geblockt oder gefoult worden war. Den entscheidenden Gegenangriff verwandelte Doder humorlos per Dreher mit der Schlusssirene ins VfL-Herz.


Im Abstiegskampf tanzen die Kreisstädter nach dem verpassten Befreiungsschlag weiter auf der Rasierklinge und haben am Donnerstag in zwei Wochen in Göppingen die nächsten Gelegenheit vor den entscheidenden Duellen mit Nettelstedt und in Hüttenberg ein wenig Druck vom Kessel zu nehmen.


Gummersbach: Marvin Sommer (7/2), Eirik Köpp (5/4), Tobias Schröter (3), Josef Pujol, Stanislav Zhukov, Moritz Preuss (je 2), Marko Matic (1).


Minden: Dalibor Doder (6), Christoffer Rambo (6/1), Aleksandar Svitlica, Marian Michalczik (je 3), Luka Zvizej (3/2), Magnus Gillerud (2), Mats Korte (1).


Strafen
6:6 Minuten (2x Zhukov, Köpp – Rambo, Gullerud, Michaczik).


Siebenmeter
6/7 – 3/5 (Sommer scheitert an Sonne-Hansen – Zvizej doppelt an Lichtlein).


Schiedsrichter
Sebastian Grobe / Adrian Kinzel.


Zuschauer
3-243.


[An Carsten Lichtlein gab es phasenweise kein Vorbeikommen.]

Stimmen


Frank Carstens (Trainer GWD Minden): Ein überzeugender Sieg fühlt sich anders an. Verdient war er aber. Wir hatten eine sehr gute Spielanlage und haben uns sehr viele freie Chancen erarbeitet. Wir sind vor allem vor Lütti frei aufgetaucht, der aber überragend hält. Beim 21:20 kann sich das Spiel gegen uns wenden. Aber dann war es die beste Leistung meines Teams, wie es mit diesen Nackenschlägen, den ausgelassenen Chancen, unseren dummen Fehlern und der Stimmung in der Halle umgegangen ist. Auch unser Torhüter Kim Sonne hat uns sehr geholfen.


Denis Bahtijarevic (Trainer VfL Gummersbach): Minden hat verdient gewonnen. Wir hatten zu viele schwache Spieler in unseren Reihen, zu viele technische Fehler und frei verworfene Würfe. Das Problem ab der ersten Minute war, dass von unserer rechten Seite nichts kam. Der Druck lastete auf links, wo Zhukov nicht in Topform war. Wir haben gekämpft und dank einem überragenden Carsten Lichtlein kamen wir zum 21:21. Dann machen wir zwei blöde Fehler und verlieren dieses Spiel. Wir sind momentan spielerisch eine sehr schwache Mannschaft. Wir müssen weiter arbeiten und unsere Linie finden, um noch mindestens ein Spiel zu gewinnen.


Frank van Behren (Sportlicher Leiter GWD Minden): Das war ein ganz wichtiges Spiel nach dem desaströsen Auftritt gegen Magdeburg. Wir haben uns das Leben zwar selbst schwer gemacht, es war aber eine mental starke Leistung. Dem VfL wünsche ich alles Gute. Wir kommen nächste Saison gerne hierher zurück.


Christoph Schindler (Sportdirektor VfL Gummersbach): Die Endspiele um den Abstieg haben wir schon eine ganze Weile. Wir haben uns selbst in diese Situation gebracht und wenn man diese Muss-Spiele nicht gewinnt, wird es immer schwieriger. Der Druck wird immer größer und wir sind daher heute natürlich sehr enttäuscht. Kämpferisch kann ich den Jungs keinen Vorwurf machen. Aber in unserer Situation wird die Hand immer schwerer.


Ergebnisse und Tabelle
  
WERBUNG