Archiv

Chancen nutzen, aber Identität nicht in Frage stellen

bv; 6. Mar 2018, 17:34 Uhr
Bild: Bernd Vorländer --- Lindlars frisch bestätigter Bürgermeister Dr. Georg Ludwig hat in seiner Gemeinde einiges vor.
ARCHIV

Chancen nutzen, aber Identität nicht in Frage stellen

bv; 6. Mar 2018, 17:34 Uhr
Lindlar - Dr. Georg Ludwig, als Bürgermeister in Lindlar bestätigt, sieht für seine Gemeinde hervorragende Zukunftsmöglichkeiten, setzte einen Schwerpunkt auf die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum und regt eine Diskussion über Grenzen des Wachstums an.
Von Bernd Vorländer

OA: Wahlkampf, Stress, Termine: Wie froh sind Sie, dass der Alltag Sie wieder hat?
Ludwig: Am Sonntag und die Tage zuvor stand ich tatsächlich unter Spannung. Aber ich hatte auch ein gutes Gefühl, weil ich mich in den vergangenen sechs Jahren immer rückversichert habe bei den Menschen in der Gemeinde. Ich bin viel bei den Bürgern gewesen, weil man nur so erfährt, was die Menschen wirklich bewegt. Ich nehme den ersten Teil meines Amtstitels wirklich sehr ernst - ich will bei den Bürgern sein - und das wird auch so bleiben.

OA: Hat Sie die Wahlbeteiligung geärgert?
Ludwig: Ein Stück weit schon, weil eigentlich mehr als die knapp 48 Prozent der Bürger sehen müssten, dass hier vor Ort vieles entschieden wird, was sie unmittelbar betrifft. Wir haben im Wahlkampf versucht, viele Menschen anzusprechen, auch über die sozialen Netzwerke, aber für eine Einzelwahl zu mobilisieren, ist offenbar sehr schwierig. Zum Glück ändert sich das beim nächsten Urnengang wieder.

OA: Sie sind im Saarland aufgewachsen, es hat Sie nach Lindlar verschlagen. Gibt es Parallelen?
Ludwig: Oh ja. Ich bin im Saarland in einer katholisch geprägten, karnevalsbegeisterten Industriestadt, in Neunkirchen, groß geworden, die auch viele Grünanteile hat und in der das Vereinswesen sehr stark ausgeprägt ist. Vieles davon habe ich auch in Lindlar wiedergefunden. Das hat es mir hier leicht gemacht.


OA: Wenn Sie auf die vergangenen sechs Jahre zurückschauen: Worauf sind Sie stolz?
Ludwig: Wir haben ein Wachstum, um das uns andere Kommunen beneiden. Menschen siedeln sich ganz bewusst bei uns an und wir haben Neubaugebiete in Lindlar-West, Schmitzhöhe und Frielingsdorf vorangebracht - gerade für Familien. Viele Unternehmen wollen sich in Lindlar ansiedeln, wir haben einen guten Namen, müssen gar nicht mehr groß Werbung machen. Der Skaterpark wurde entwickelt wie auch das ehemalige Mondi-Gelände. Das ehemalige Pfarrer-Braun-Haus ist  generationsübergreifend ein Zukunftsprojekt. Das Krankenhaus, das bald nach Engelskirchen verlagert wird, steht vor einer erfolgreichen Entwicklung - Arztpraxen bleiben, Wohnungen entstehen und das Gebäude wird städtebaulich aufgewertet. Schloss Heiligenhoven steht vor der Realisierung der Schlossklinik. Im Industriegebiet Klause sind mindestens 600 Arbeitsplätze entstanden und wir haben unser dreigliedriges Schulsystem erhalten, in das wir bis 2021 über 4,5 Millionen Euro investieren. Und in den vergangenen Jahren haben wir den Tourismus erheblich forciert.

OA: Und in welchen Bereichen muss Lindlar nachlegen?
Ludwig: Bei der Breitbandversorgung sind wir auf dem Weg, auch die sehr ländlichen Gebiete zu versorgen. Das ist für uns ein revolutionärer Vorgang, wenn wir auch die kleinen Weiler versorgen können. Und wir benötigen mehr bezahlbaren Wohnraum. Da sind wir als Gemeinde auch in der Pflicht und werden das über die gemeindeeigene Grundstücks- und Wirtschaftsförderungs GmbH (BGW) forcieren, indem wir geeignete Flächen erwerben und dort Mehrfamilienhäuser mit kostengünstigem Wohnraum errichten.

OA: Gehört Lindlar inzwischen zum Kölner Nahbereich mit einem sehr attraktiven Wohnumfeld? Welche Chancen und Risiken bringt das mit sich?
Ludwig: Die Nähe zu Köln hat viele positive Auswirkungen. Wir sind Teil der Dynamik in der Rheinschiene. Gewerbeflächen und Wohnraum werden stärker nachgefragt. Lindlar ist 'in'. Aber wir müssen dieses Wachstum auch konzeptionell begleiten und gestalten. Es gilt, den Spagat zu schaffen, Entwicklungschancen zu nutzen, ohne die Identität der Gemeinde in Frage zu stellen. Diese Balance müssen wir hinbekommen, denn blindes Wachstum ist nicht gut. Dies alles müssen wir mit allen gesellschaftlichen Gruppen in der Zukunft breit diskutieren.

OA: Interkommunale Zusammenarbeit ist immer stärker gefragt. Zwischen Lindlar und Engelskirchen hat es in der Vergangenheit auch schon mal öfter im Gebälk geknirscht - gerade, wenn es um das Gewerbegebiet Klause ging?
Ludwig: Das Gewerbegebiet Lindlar-Klause soll um 22 Hektar erweitert werden.     Wir stehen jetzt vor der Aufgabe, dies gemeinsam zu entwickeln. 2017, nachdem das letzte Grundstück gekauft war, haben beide Kommunen ihre Positionen klar gemacht. Wir sind jetzt an dem Punkt, wo wir uns annähern. Ich glaube, dass wir das schaffen, die Kooperation auf den Weg zu bekommen. Es ist wichtig, dass wir das realisieren, denn die Nachfrage ist enorm groß. Ich denke, wir werden 2018 die Gespräche abschließen, im kommenden Jahr werden wir umfangreiche Erschließungsmaßnahmen sehen. 2020 könnten sich dann dort die ersten neuen Firmen ansiedeln.

  
WERBUNG