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Ein welkes Salatblatt schadet nicht

ls; 22. Feb 2018, 10:15 Uhr
Bilder: Leif Schmittgen, privat (5) --- Anne Czerny-Goerigk (li.) und Sandra Kaysers sind begeisterte Foodsharer.
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Ein welkes Salatblatt schadet nicht

ls; 22. Feb 2018, 10:15 Uhr
Gummersbach - Sandra Kaysers und Anne Czerny-Goerigk sind 'Foodsharer' und setzen sich aktiv für die Nachhaltigkeit von Lebensmitteln ein.
Von Leif Schmittgen

Sandra Kaysers hebt einen großen Einkaufskorb aus ihrem Auto und trägt diesen ins Haus. Man könnte meinen, dass sie vom Einkaufen komme, aber ganz so ist es nicht. Zwar war sie bei einem Supermarkt,  für die Suppendosen, das Obst und das Gemüse hat sie jedoch nicht einen Cent bezahlt. Kaysers ist nämlich Foodsharer ("Lebensmittelteiler")  und kehrt mit einer „Sammlung“ von einem Supermarkt in der Nähe nach Hause zurück.

Das macht sie ein- bis zweimal in der Woche und versorgt mit den Lebensmitteln ihre Eltern und Freunde. Die übriggebliebenen Waren gibt die 41-Jährige bei öffentlichen Verteilaktionen weiter, die in unregelmäßigen Abständen stattfinden. „Bis zu 30 Menschen kommen zu einer Verteilung“, weiß sie, denn sie setzt sich seit etwa anderthalb Jahren dafür ein, dass Lebensmittel, die nicht mehr verkauft werden können (und dürfen), nicht einfach auf dem Müll landen.


[Anne Czerny-Goerigk freut sich über eine bunte Mischung Lebensmittel, für die sie nicht einen Cent bezahlt hat.]

„Wegen zwei brauner Blätter muss man keinen Salat wegschmeißen“, sagt Kaysers` Kollegin Anne Czerny-Goerigk, die - ebenfalls bepackt mit Lebensmitteln – bei ihrer Freundin eintrifft, um eine spontan einberufene öffentliche Verteilung vorzubereiten. Heute haben die Frauen nämlich viele Nahrungsmittel ergattern können, die auch für andere von Interessse sein könnten. An der Aggerhalle in Dieringhausen will man sich deshalb am Abend mit anderen Foodsharern treffen. „Das machen wir spontan über unsere Chatgruppe“, verrät Kaysers. Unter den Abnehmern sind - wie man zunächst annehmen könnte - keinesfalls nur Bedürftige, sondern Menschen aus allen Schichten der Gesellschaft: „Wir sehen uns in keinem Fall als Konkurrenz zu den Tafeln. Uns geht es einfach um die Nachhaltigkeit im Umgang mit Lebensmitteln“, stellt Czerny-Goerigk klar.


"Wir kommen erst ins Spiel, wenn alle Sachen an die Tafeln vergeben wurden“, ergänzt Kaysers. Teilweise hole man sogar dort noch Lebensmittel ab. Denn anders als die Suppenküchen brauchen Foodsharer nicht auf ein abgelaufenes Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) zu achten. „Ich habe nach einer Sicht- und Geruchsprobe auch schon Joghurts gegessen, die einen Monat abgelaufen waren“, ist Kaysers nicht bange vor dem MHD, das sie sowieso als überflüssig ansieht. Bei frischem Fleisch ist hingegen Vorsicht geboten. Allerdings hat sie auch hier eine Lösung parat. „Ein Supermarkt friert uns das Fleisch bis zum Tag der Abholung ein“, sagt Sandra Kaysers. Dieses Fleisch verzehre sie sorgenfrei. Und ob eine Dose verbeult ist, interessiert sie überhaupt nicht.    


[Eine verbeulte Dose taugt zwar nicht mehr zum Verkauf, der Inhalt ist aber meist unversehrt und genießbar.]

Rechtlich sind die Lieferanten abgesichert.  Alle unterschrieben eine Vereinbarung, dass man die Lebensmittel auf eigene Verantwortung verzehre. „Es braucht also kein Spender Angst haben, von uns belangt zu werden“, meint Czerny-Goerigk. „Die Spender bleiben sowieso anonym, damit nicht der Eindruck entsteht, man würde schlechte Ware im Sortiment haben“, hat sie Verständnis dafür, dass die Kooperationspartner lieber ungenannt bleiben wollen.

Außerdem garantieren die Mitglieder, dass man die Lebensmittel in keinem Fall verkauft, sondern ausschließlich verschenkt. Ein Risiko geht also niemand ein, im Gegenteil: „Die Unternehmen sparen sich die oft teuren Entsorgungskosten“, erklärt die 34-Jährige, die als Sprecherin für die bundesweit aktive Gemeinde fungiert.


[Sandra Kaysers lässt sich nach ihrer Sammlung oft von alten Rezepten inspirieren.

Apropos bundesweit. Wenn Sandra Kaysers auf die Karte der Webseite schaut, findet sie vor allem in Großstädten Markierungen, wo Menschen ihre übriggebliebenen Lebensmittel anbieten. Im Oberbergischen ist Foodsharing noch nicht so bekannt wie in Ballungszentren. Die "weißen Flecken" in den ländlichen Gebieten nach und nach verschwinden zu lassen, ist das Ziel der Foodsharing-Gemeinschaft.

Und noch einen Vorteil nennen sie übereinstimmend: Die eigene Kreativität werde durch die Vielzahl von Lebensmitteln gesteigert. „Ich schaue oft in Omas Kochbuch, um Rezepte für Lebensmittel zu finden."  Diese bereitet sie dann zu einer leckeren Mahlzeit in ihrer eigenen Küche zu.

Weitere Informationen

www.foodsharing.de

Facebook-Seite der oberbergischen Foodsharer

gummersbach@lebensmittelretten.de  


[Gespendete Lebensmittel bei einer Verteilung.]
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