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Wo der Dieselskandal spürbar wird - Teil 2

ls,fj; 16. Feb 2018, 11:15 Uhr
Bilder: privat/Leif Schmittgen (Text 1)--- Dieselautos sind in Verruf geraten und sollen von den Straßen. Es wird über Fahrverbote und einen kostenlosen ÖPNV nachgedacht.
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Wo der Dieselskandal spürbar wird - Teil 2

ls,fj; 16. Feb 2018, 11:15 Uhr
Oberberg – Auch wenn dem Oberbergischen als ländliche Region wohl keine Fahrverbote drohen, sind die Auswirkungen des Skandals in Autohäusern, Werkstätten und Unternehmen spürbar – Gebrauchte Dieselwagen sind Ladenhüter geworden.
Teil 2: Von Leif Schmittgen und Fenja Jansen

Auf dem Hof der Reparaturwerkstatt von Kai Schreiber in Gummersbach-Windhagen wartet ein Nissan Pajero auf einen Käufer. Das Problem: Das sieben Jahre alte Fahrzeug hat einen Dieselantrieb, Schadstoffklasse Euro4. „Der wird da wohl noch länger stehen“, ist sich Schreiber sicher. „Der Kunde hat bei etlichen Autohändlern angefragt, ob sie den Wagen in haben wollen und nur Absagen bekommen. Sein Auto will niemand“. Drohende Fahrverbote, teure Nachrüstungen, sinkender Wiederverkaufswert: Dieselfahrzeuge haben es nicht leicht seit dem Abgasskandal, den VW 2015 losgetreten hat. Auch wenn in puncto Fahrverboten nur über ausgesuchte Großstädte, nicht aber ländliche Gebiete wie den Oberbergische Kreis diskutiert wird, sind die Auswirkungen des Dieselskandals auch hier spürbar.


[Kai Schreiber in seiner gleichnamigen Reparaturwerkstatt in Gummersbach-Windhagen.]

Zum Beispiel in den Autohäusern: Der Verkauf von Dieselautos sei gegenüber 2016 um 20 Prozent zurückgegangen, so die Kreishandwerkerschaft Bergisches Land. Das spürt auch Marion Wurth von M. Wurth Automobile in Gummersbach-Windhagen: „Ich bestelle neue Dieselwagen nur noch, wenn auch ein konkreter Kunden-Auftrag vorliegt, nicht mehr auf Lager“, sagt sie. Gebrauchte Dieselwagen sind wahre Ladenhüter geworden. „Die Verunsicherung ist massiv. Kaufentscheidungen werden verschoben, oder aber man greift zum Benziner. Dabei ist der Co2-Austoß hier viel höher als bei Dieselfahrzeugen“, gibt Wurth zu bedenken. Elektro-Fahrzeuge würden dabei keine Alternative für viele Dieselfahrer darstellen. „Der klassische Dieselfahrer ist ein Vielfahrer. Aufgrund der zu geringen Reichweite sind E-Autos da leider keine Alternative“, erklärt sie.

Im Gegensatz zu dem bundesweit bekannten Zulassungsrückgang bei den Dieselfahrzeugen liegen beim Straßenverkehrsamt des Oberbergischen Kreises derweil noch keine aktuellen Zahlen vor: „Das Kraftfahrtbundesamt legt uns erst Mitte März Statistiken für das abgelaufene Jahr vor“, sagt Pressesprecherin Jessica Schöler nach Rücksprache mit dem Straßenverkehrsamt. Zum 1. Januar 2017 waren 56.170 Dieselfahrzeuge beim Straßenverkehrsamt angemeldet.



Als eine Alternative zum Neukauf eines Benziners wird die Nachrüstung von Euro4-Dieselfahrzeugen auf die aktuelle Norm Euro6 diskutiert. Kai Schreiber sitzt in seiner gleichnamigen Werkstatt am PC und sucht in seinem Bestellsystem nach einer Firma, die die Zubehörteile für eine solche Nachrüstung anbietet. Erst nach einigen Minuten wird er fündig: Die nötigen Teile für eine Nachrüstung kosten etwa 1.500 €. Dazu kämen bei einer veranschlagten Arbeitszeit von etwa vier bis fünf Stunden noch einmal geschätzte 500 € Arbeitslohn. „2.000 € in ein altes Auto zu investieren ist absolut unwirtschaftlich“, so Schreibers Fazit.

Überhaupt hätte noch nicht einer seiner vielen Kunden nach einer Nachrüstung gefragt. Die aktuellen Prämienangebote der Hersteller gäben dagegen jetzt Anreize, alte Dieselfahrzeuge abzustoßen. Das kann auch Marion Wurth bestätigen: „Unsere Umweltprämie wird gut nachgefragt. Da gibt so mancher seinen gebrauchten Wagen ab, der ihn ohne Skandal und Prämie sicher noch einige Jahre gefahren wäre. Aber die Verunsicherung ist eben riesig“; so Wurth.


[Gerade für Viel- und Langstreckenfahrer sind E-Autos noch keine Alternative zum Diesel: Die Reichweite ist zu gering.]

Schreiber ist sicher, dass die Preise für Dieselfahrzeuge in den nächsten Monaten weiter sinken werden und will auch selbst bald die Entscheidung darüber treffen, was mit seinem VW-Passat, Baujahr 2009, geschehen soll. Wenn jedoch zahlreiche Autofahrer ihre alten Diesel gegen neue Benziner tauschen, sieht er auch auf die oberbergischen Werkstätten ein Problem zukommen: „Alte und somit reparaturanfällige Fahrzeuge wird es in nächster Zeit dann weniger geben“, glaubt er. Letztlich ärgert den Gummersbacher, dass der Verursacher des Dieselskandals, VW, noch von der Sache profitiere, da der Neuwagenabsatz steige.

Auch bei den „verordneten“ Softwareupdates sieht Schreiber ein Problem, denn die Praxis würde zeigen, dass nach den Updates viele Folgeschäden auftreten. „Der Verbraucher ist verpflichtet, diese Updates durführen zu lassen“, sagt er. Viele Kunden hätten nach dem Update jedoch über Motorprobleme geklagt. „Wir mussten schon viele Ventile erneuern“, berichtet er. In einem Fall hätte ein Kunde sogar Klage eingereicht, weil er an Reparaturkosten, die aus dem Update entstanden seien, vom Hersteller beteiligt worden wäre: Diese seien laut Hersteller zufällig entstanden und hätten nichts mit dem Update zu tun.



Beim Achsenhersteller BPW in Wiehl wurde 2012 mit der Entwicklung einer elektrisch angetriebenen Achse für 7,5 Tonnen Fahrzeuge begonnen. Aufgrund des Dieselskandals und drohenden Fahrverboten werde das Thema zunehmend für Kurierfahrer, Handwerker, aber auch Kommunen immer interessanter: „Die Nachfrage von Transportunternehmen nach Lösungen im Bereich Elektromobilität ist stark angestiegen, weshalb wir die Entwicklung der Achse intensiv vorantreiben. Ab kommenden Herbst ist die mit zwei Elektromotoren ausgestattete Achse zunächst für die Umrüstung von Bestandsfahrzeugen des Modells Mercedes Benz Vario verfügbar“, erklärt Nadine Simon, Pressesprecherin des Unternehmens. So treibt der Dieselskandal letztlich auch die oberbergischen Entwickler zu Höchstleistungen an.
  


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