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Grundsteuer B: Gesucht wird – mehr Gerechtigkeit

bv; 16. Jan 2018, 15:30 Uhr
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Grundsteuer B: Gesucht wird – mehr Gerechtigkeit

bv; 16. Jan 2018, 15:30 Uhr
Oberberg – Von einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das sich ab heute mit der Ungleichheit der Steuer befasst, sind auch alle Kommunen und die meisten Bürger in der Region betroffen.
Von Bernd Vorländer

Wenn von ihr die Rede ist, steigt in schöner Regelmäßigkeit der Ärger- und Frustfaktor. Bürgermeister und Ratsvertreter müssen sich für sie rechtfertigen, drucksen dabei oft herum, zieren sich, weil es für ihre Bürger meist teuer kommt. Und zahlen müssen nahezu alle. Eigenheimbesitzer, die in den eigenen vier Wänden wohnen wie auch Mieter, die über die Nebenkosten zur Kasse gebeten werden. Die Rede ist von der Grundsteuer B, die in allen Kommunen erhoben und in schöner Regelmäßigkeit zum Zankapfel wird. Dabei ist diese Steuer eigentlich vom Grundsatz her gerecht. Die Höhe richtet sich nach dem Wert des Grundstücks und dem dort errichteten Gebäude. So sollte es jedenfalls sein. So ist es aber nicht. Vor allem deshalb, weil alle Bundesländer und schließlich auch die Finanzbehörden in den vergangenen Jahrzehnten die Hände in den Schoß gelegt haben, um an drastischen Ungerechtigkeiten etwas zu ändern. Etliche Bürger zahlen nämlich zu viel, andere zu wenig, weil die Bewertungsgrundlagen, die zugrunde gelegt werden, völlig veraltet sind.

Deshalb ist die Pervertierung der Grundsteuer inzwischen ein Fall für das Bundesverfassungsgericht, dem mehrere Klagen, unter anderem des Bundesfinanzhofes vorliegen, der schon vor acht Jahren geurteilt hat, dass die Grundsteuer gegen das Gleichheitsgebot verstößt. Experten erwarten, dass die obersten deutschen Richter die veraltete Beurteilungsmethode kippen werden – mit Auswirkungen auch auf Oberberg. Hier wie auch anderenorts wird für Objekte, die nach 1964 gebaut wurden meist nach dem sogenannten Ertragswertverfahren abgerechnet, das etwa auf den zu erzielenden Mieterträgen beruht. Letztere sind für relativ neue Immobilien natürlich wesentlich höher, als diejenigen, die für Gebäude angesetzt werden, die etwa unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg errichtet wurden, als es vielfach eine Mietpreisbindung gab. Zudem fließen Werterhöhungen älterer Gebäude durch Modernisierung in die Berechnung gar nicht mit ein. Konsequenz sind Ungerechtigkeiten. „Ich habe das bislang noch keinem Bürger schlüssig erklären können“, sagt etwa Bergneustadts Bürgermeister Wilfried Holberg.


Doch die steuerlichen Fragwürdigkeiten gehen noch weiter. Wenn die vorläufige Steuerhöhe durch eine Multiplikation von „Einheitswerten“ mit einer „Grundsteuermesszahl“ – deren Höhe sich nach der jeweiligen Bebauung richtet - bestimmt wurde, wird es erst richtig spannend. Dann setzt die jeweilige Kommune noch mit einem „Hebesatz“ einen drauf. Diesen Hebesatz kann sie völlig frei bestimmen. Nicht selten werden Städte und Gemeinden auch von den Aufsichtsbehörden zu einem Hebesatz gezwungen, um einen Haushaltsausgleich sicherzustellen. Ergebnis ist ein Steuer-Flickenteppich – in Oberberg wie in ganz Deutschland. Topographische Besonderheiten wie gewachsene Industrie- und Gewerbe-Areale sowie weitere Faktoren spielen keine Rolle. So gibt es in Bayern und Baden-Württemberg etliche Kommunen, deren Grundsteuer B kaum mehr als 100 Prozent beträgt.

Davon kann man in Bergneustadt oder Waldbröl nur träumen. Natürlich freue er sich, wenn Ungleichbehandlungen der Bürger durch einen entsprechenden Karlsruher Richterspruch beseitigt würden, sagt Bergneustadts Rathauschef Holberg. Doch auch die Benachteiligung strukturschwacher Kommunen müsse über eine Änderung der Gemeindefinanzierung endlich ausgeglichen werden. Aber, das sagen Holberg und seine Amtskollegen schon seit Jahren – die Ohren der jeweiligen Landesregierungen blieben aber in schöner Regelmäßigkeit verschlossen. Und wenn Holberg dann als Protagonist einer der bundesdeutschen Städte mit der höchsten Grundsteuer B, nämlich 959 Prozent, im heutigen „heute-journal“ Rede und Antwort stehen muss, ist das nicht unbedingt ein Vergnügen.

Auch in Waldbröl ist man auf die Entscheidung aus Karlsruhe gespannt. „Es wäre ein Schritt zu mehr Gerechtigkeit, wenn der Gleichheitsgrundsatz endlich beachtet würde“, sagt Kämmerin Anja Brauer. In ihrer Kommune steht die Operation am offenen Steuer-Herzen noch bevor. Noch im Januar soll die Grundsteuer B in der Metropole des Kreissüdens von bisher 620 auf 765 Prozent steigen – wenn der Stadtrat mitspielt, der das Ansinnen im Dezember noch verschoben hatte.

Spannend wird es jedenfalls, sollte das Bundesverfassungsgericht die alte Berechnungsgrundlage der Grundsteuer B kippen. Wie soll dann Gerechtigkeit hergestellt werden? Der Bundesrat hatte 2016 einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der eine komplette Neuberechnung aller 35 Millionen Grundstücke und Immobilien bedeutet hätte. Der Bund der Steuerzahler und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag warnen jedoch vor neuem Bürokratismus und mahnen einfachere Lösungen an. Der Deutsche Mieterbund und das Institut der Deutschen Wirtschaft machen sich für eine reine Bodensteuer stark. Wilfried Holberg sieht für Oberberg die Möglichkeit, auf den Bodenrichtwert zurückzugreifen, den der Gutachterausschuss des Oberbergischen Kreises festgelegt hat und den es zu aktualisieren gelte.
  
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