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Wertewandel oder Werteverlust?

us; 3. Dec 2017, 16:15 Uhr
Bilder: Ute Sommer --- Sie alle hießen die vielen Gäste auf dem Jahresempfang des Kreiskatholikenrates willkommen: Kreisdechant Christoph Bersch (v.l.), Jorg Nürmberger (stellvertretender Vorsitzender Kreiskatholikenrat), Prof. Dr. Ursula Nothelle-Wildfeuer, Torsten Wolter (Kreiskatholikenrat), Moderatorin Janine Steeger und Lars Niemczewski, Vorsitzender des Kreiskatholikenrates.
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Wertewandel oder Werteverlust?

us; 3. Dec 2017, 16:15 Uhr
Gummersbach – Zum Thema „Werte-Update: Welchen Beitrag leisten christliche Werte?“ hatte der Oberbergische Katholikenrat die Vertreter aus den Pfarrgemeinden, Gremien, Verbänden und Institutionen zum fünften Jahresempfang in die Halle 32 eingeladen.
"Das Thema ist kein katholisches Thema, sondern ein Thema, das uns als Christen insgesamt bewegt", freute sich Lars Niemczewski, der Vorsitzende des Katholikenrates, über zahlreiche Gäste aus den Reihen des evangelischen Kirchenkreises An der Agger, aus Verwaltung, Politik und Wirtschaft. Unter ihnen Superintendent Jürgen Knabe, Kreissynodalassessor Thomas Ruffler sowie die Bürgermeister aus Gummersbach, Frank Helmenstein, Bergneustadt, Wilfried Holberg, Lindlar Dr. Georg Ludwig und Marienheide, Stefan Meisenberg. Der Oberbergische Katholikenrat hatte zum Thema „Werte-Update: Welchen Beitrag leisten christliche Werte?“ in die Halle 32 eingeladen. Kreisdechant Christoph Bersch unterstrich die aktuelle Relevanz der christlichen Bergpredigt, in der Jesus nicht über dinglichen Mehrwert rede, sondern explizit "unkäuflichen" Mehrwert hervorhebe. Dies zu reflektieren sei insbesondere in der Vorweihnachtszeit wichtig.




[Prof. Dr. Ursula Nothelle-Wildfeuer führte mit einem Impulsreferat in die Reflexion über den Wertewandel ein.] 

Unter der Überschrift "Das Kreuz mit den Werten - Wertewandel und christlicher Glaube" beleuchtete Dr. Ursula Nothelle-Wildfeuer die Facetten der Wertediskussion, die im Moment auch im christlichen Kontext allgegenwärtig sei und ambivalent geführt werde. Die Professorin, die an der Freiburger Albert-Ludwigs-Universität Christliche Gesellschaftslehre unterrichtet und in verschiedenen wissenschaftlichen, kirchlichen und politischen Kommissionen tätig ist, benannte vier gesellschaftliche Megatrends, vor deren Hintergrund die Wertediskussion abläuft. Pluralisierung, Globalisierung, Digitalisierung und Migration sorgen für rasante und tief greifende Veränderungen im Zusammenleben von Menschen, befördern einerseits die Loslösung von Traditionen und Normen, ziehen anderseits auch wachsende Orientierungslosigkeit und Unsicherheiten nach sich.

Deren ambivalente Auswirkungen zeigen sich deutlich im Familienleben, in dem die traditionelle Kernfamilie der 50er Jahre zunehmend von unterschiedlichen Paar-und Familienkonstellationen oder diversen Eheformen abgelöst wird. Die Gesamtgesellschaft versteht sich nicht mehr als geschlossenes, christliches Milieu, sondern präsentiert sich entweder als offene oder sich abschottende Allgemeinheit, in der sich, neben der Zunahme von Gewalt, neue Formen des Mit-und Füreinanders entwickeln. Der Bereich der Arbeitswelt steht angesichts verstärkter Digitalisierung und immer leistungsstärkerer Roboter vor einem grundlegenden Umbruch, der bei Arbeitnehmern die Angst überflüssig zu werden befördert. Im Freizeitsektor stellt sich die elementare Frage nach ständiger Verfügbarkeit oder nach dem Recht auf Unerreichbarkeit.

"Karriere zu machen, ist für moderne Menschen nicht mehr das unbedingte Lebensziel und trotz leerer Kirchen sind die Menschen auf der Suche nach Spiritualität, dem ‚Mehrwert’ im Leben", so Nothelle-Wildfeuer. Bezug nehmend auf wissenschaftliche Untersuchungen im Zeitraum von 2009 bis 2018 verdeutlichte die Theologin, dass die Werte einer Gesellschaft durchaus einer Konjunktur unterliegen. Aktuell ganz große gesellschaftliche Bedeutung haben die Sektoren Natur, Familie und Sicherheit, absteigende Wertschätzung erfahren Erfolg, Gemeinschaft und Freiheit. "Wir erleben einen Wertewandel, keinen Werteverlust", unterstrich Ursula Nothelle-Wildfeuer. "Es entwickeln sich neue Tugenden, neue Verhaltensweisen, die mehrdeutig einzuordnen sind".


[An den Thementischen entwickelten sich lebhafte Diskussionen über den Beitrag von Christen zum gesamtgesellschaftlichen Wertewandel.] 

Um als Kirche in dieser Welt Orientierung zu bieten, gelte es, den Wesenskern Gottes zu verdeutlichen, der sich seinen Menschen gnädig und bedingungslos zugewendet hat."Gott ist kein Buchhaltergott, der als Wächter der Moral den Finger hebt, sondern ihm geht es um Erlösung und Hoffnung".  In der Konsequenz bedeute die Praktizierung christlicher Werte nicht die Abgrenzung von einer sich wandelnden Welt, sondern "den Blick Gottes auf seine Menschen als Ebenbilder". Nothelle-Wildfeuer forderte ihre Zuhörer dazu auf, den christlichen Glauben als Brille für den permanenten gesellschaftlichen Wertewandel zu nutzen und Zeugnis von Gottes Güte zu geben. In den sich anschließenden Tischgesprächen standen Gemeindepfarrer, Vertreter von Lotsenpunkten, Bergisch Pur, dem Klinikum Oberberg, der Kreispolizei, von Jugendzentren, von Caritas, der katholischen Frauengemeinschaft und weiteren gesellschaftlichen Akteuren Rede und Antwort.
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