Archiv

Drastische Steuererhöhung in Waldbröl

nh; 16. Nov 2017, 12:05 Uhr
Archivbild.
ARCHIV

Drastische Steuererhöhung in Waldbröl

nh; 16. Nov 2017, 12:05 Uhr
Waldbröl - Der Haushaltsplanentwurf 2018 sieht eine Erhöhung der Grundsteuer B um 175 Prozentpunkte vor - Kommunalaufsicht hat der Stadt drei Auflagen erteilt, die für ein extrem enges Korsett sorgen.
Von Nils Hühn

Bei der gestrigen Ratssitzung sollte der Haushaltsplanentwurf 2018 durch Bürgermeister Peter Koester eingebracht werden. Die Temperaturen in der Mensa der Gesamtschule waren eisig, weshalb viele Ratsmitglieder und auch die Zuschauer in dicke Jacken gehüllt der Sitzung folgten. Nach zweistündigem Vorgeplänkel mit zahlreichen Diskussionen über Anfragen und Anträge, die später meist in die Ausschüsse verwiesen wurden (siehe Extrabericht), kam es zum ersehnten Tagesordnungspunkt „Haushaltseinbringung“.

Wem jetzt noch nicht kalt war, dem sollte aufgrund der schlechten Nachrichten, die Bürgermeister Koester überbrachte, das Blut in den Adern gefrieren. „Die Einbringung des Haushaltes mit dem Haushaltssicherungskonzept ist in jedem Jahr eine wesentliche Aufgabe. Sie bereitet bei unseren Haushaltsproblemen in jedem Jahr Bauchschmerzen, die aber in diesem Jahr besonders groß sind“, stieg Koester in seine Rede ein. Man kann angesichts der miserablen Botschaften hoffen, dass es sich beim Rathauschef lediglich um Bauchschmerzen handelt und es nicht bereits ein Magengeschwür ist.


Zwar genehmigte die Kommunalaufsicht des Kreises den Ende März beschlossenen Haushalt 2017 im Oktober, aber nur mit massiven Auflagen. Mit den Stimmen von CDU, SPD und Grünen kehrte sich die Waldbröler Politik damals von den bis dahin beabsichtigten grundsätzlichen Strukturen der Haushaltssicherung ab. Einer moderaten Steigerung der Realsteuern bis 2021 und einem gewaltigen Sprung 2022 sollte der Haushaltsausgleich erreicht werden. Dieser zeitlichen Streckung schob die Kommunalaufsicht nun einen Riegel vor, in dem sie drei intensive Auflagen verordnete. Auf dieses Vorgehen hatte Kämmerin Anja Brauer bereits vor einem Jahr hingewiesen, war aber von der Strenge der Kommunalaufsicht ebenfalls überrascht.

„Dies bedeutet, dass die Stadt Waldbröl verpflichtet ist, hinsichtlich der Konsolidierungsnotwendigkeiten und -erfolge am engen Korsett des bekannten Haushaltssicherungskonzeptes aus dem Jahre 2016 festzuhalten“, so Bürgermeister Peter Koester. Des Weiteren darf die Stadt keine überjährige Aufnahme von Liquiditätskrediten und keine neuen freiwilligen Aufwendungen tätigen. „Insbesondere beanstandet die Kommunalaufsicht, dass nach unserem im Jahr 2017 beschlossenen Haushaltssicherungskonzept am Ende des Konsolidierungszeitraumes im Jahr 2022 nur noch ein Eigenkapital von 0,9 Millionen € zur Verfügung steht“, berichtete Koester.

Die Gründe für die Haushaltsprobleme kennt Koester genau: „Waldbröl ist eine strukturell schwache Kommune. Eine unterdurchschnittliche Einkommenssituation, hohe Kosten für die Schülerinfrastruktur, das nicht Vorhandensein eines Anschlusses an die überörtlichen Straßenverbindungen, hohe Abgabelasten im sozialen Bereich, eine unterdurchschnittliche Gewerbesteuer und vieles mehr verursachen unsere Haushaltsprobleme.“ Die Sparmöglichkeiten sind indes nur noch marginal.

Mit dem Integrierten Entwicklungs- und Handlungskonzept (IEHK) sei man auf dem richtigen Weg, Waldbröl für die Zukunft attraktiv aufzustellen, bescheinigten der Stadtverwaltung sowohl Kommunalaufsicht, als auch andere Experten und Gewerbetreibende. Allerdings sei die Stadt Waldbröl den jährlichen Defiziten in Millionenhöhe nicht gewachsen. Koester zählte einige negative Parameter auf: Neben Kassenkrediten (58,3 Millionen Euro) und langfristigen Krediten (15,3 Millionen Euro) habe man einen unterdurchschnittlichen Ertrag aus der Einkommenssteuer (Platz 363 von 396 Kommunen in NRW) sowie den landesweit höchsten Gewerbesteuersatz, einen massiven Verlust des Eigenkapitals sowie exorbitante Belastungen durch Transferleistungen an übergeordnete Ebenen. „Es sind Bedingungen, die ein Wirtschaften auf äußerst niedrigem Niveau bedeuten“, so der Bürgermeister.

Trotz der schlechten Lage soll im kommenden Jahr weiter in die Infrastruktur investiert werden. 3,8 Millionen Euro in den Straßenbau, rund elf Millionen Euro für das IEHK inklusive Bürgerdorf und Gartenhallenbad sowie 165.000 € für den Bauhof und 267.000 € für die Feuerwehr. Das sind gut 18 Millionen Euro, von denen die Stadt 8,1 Millionen Euro selbst stemmen muss. „Leider bleibt festzustellen, dass wir ohne eine massive Steigerung der Realsteuererlöse die notwendigen Verbesserungserfolge des Haushaltes nicht erreichen werden“, bereitete Koester die frierenden Zuhörer auf den Auftritt der Kämmerin Anja Brauer vor, die das Zahlenwerk offenbarte.

„Die Stadt Waldbröl muss die ursprünglichen Maßnahmen, insbesondere die Erhöhung der Steuern, stringent einhalten. Die nicht erfolgten Steuererhöhungen des Jahres 2017 sind überdies nachzuholen“, erklärte Brauer der Forderungen der Kommunalaufsicht. Bezogen auf die Grundsteuer B, bedeutet die Nachholung für 2017 eine Erhöhung von 139 Prozentpunkten, die im Haushaltsplanentwurf 2018 in den nächsten fünf Jahren mit je 28 Prozentpunkten pro Jahr berücksichtigt wurden. Um die Zukunftsfähigkeit Waldbröls auch im Gewerbe- und Industriebereich sichern zu können, soll der Hebesatz der Gewerbesteuer nicht wesentlich steigen. Dies hat aber zur Folge, dass die Grundsteuer B steigen muss. Dies bedeutet für 2018 eine zusätzliche Steigerung von 125 Prozentpunkten.

Damit springt die Grundsteuer B im kommenden Jahr von 590 Prozent auf 765 Prozent. Im Jahr 2022 erreicht sie dann einen Wert von 965 Prozent. Kämmerin Brauer zeigte an Beispielen, wie hoch die Mehrbelastung ist. Je nach Größe und Baujahr des Objekts schwankt die Mehrbelastung im kommenden Jahr zwischen 23 € und 203 €. Die Gewerbesteuer steigt derweil auf einen Wert von 575 Prozent, wird diesen dann aber halten. Dank dieser Maßnahmen wird die Stadt Waldbröl 2018 47,3 Millionen Euro erwirtschaften, allerdings auch 50,1 Millionen Euro aufwenden und damit ein Defizit von 2,8 Millionen Euro haben. Ein vollständiger Eigenkapitalverzehr bis 2022 findet nicht statt, aber das Eigenkapital schrumpft auf 6,2 Millionen Euro.

Bis zum 6. Dezember muss sich die Waldbröler Politik einigen, wie die Realsteuern steigen sollen. Am Nikolaustag sollen die Hebesätze verabschiedet werden, damit die Bescheide rechtzeitig im neuen Jahr bei den Waldbröler Bürgern eingehen. Erst Ende Januar soll dann der Haushalt 2018 verabschiedet werden. Die gestern benötigten warmen Mäntel oder das „dicke Fell“, das Kämmerin Anja Brauer Ratsmitgliedern und Stadtmitarbeitern bereits vor einigen Jahren empfohlen hatte, dürften also in den kommenden Wochen und Monaten auf Dauer als Arbeitskleidung dienen.

Eckdaten des Haushaltplans 2018
Erträge: 47,3 Millionen Euro
Aufwendungen: 50,1 Millionen Euro
Fehlbetrag: 2,7 Millionen Euro
Einkommensteuer: 6,3 Millionen Euro
Gewerbesteuer: 6,3 Millionen Euro
Kreisumlage: 18,1 Millionen Euro
Personalaufwand: 6,8 Millionen Euro
Investitionssumme: 18 Millionen Euro

Hebesätze
Grundsteuer A: 320 (2018), 320 (2017)
Grundsteuer B: 765 (2018), 590 (2017)
Gewerbesteuer: 575 (2018), 550 (2017).
WERBUNG