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Per Lebensmittelskandal zur Trendwende?

fj; 16. Aug 2017, 12:30 Uhr
Bilder: Naturland-Hof Alpermühle, Bäckerei Gießelmann, Fenja Jansen --- Skandal-Frei: Eier aus Nümbrecht, Dinkel aus Wuppertal und Honig aus dem Bergischen.
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Per Lebensmittelskandal zur Trendwende?

fj; 16. Aug 2017, 12:30 Uhr
Oberberg – Nach jedem Lebensmittelskandal schauen Kunden beim Einkauf ganz genau hin, doch wie lange? OA sprach mit Landwirten, „bergisch pur“ und der Bäckerei Gießelmann über den Effekt von Lebensmittelskandalen.
Von Fenja Jansen

Zuletzt waren es die mit dem giftigen Spritzmitteln Fipronil belasteten Eier, die für einen neuen Lebensmittelskandal sorgten. Doch man muss gar nicht weit in der Zeit zurückgehen, um in Deutschland weitere Beispiele für Skandale unter dem Motto „vergammelt, verseucht, falsch deklariert“ zu finden: mit Dioxin belastetes Biofuttermittel, Pferdefleisch in Rindfleisch-Gerichten und Antibiotika-Missbrauch in der Tiermast sind da nur einige der unappetitlichen Vorfälle, die sich in den vergangenen Jahren in einer traurigen Liste angesammelt haben. Immer, wenn es wieder soweit ist, gucken die Verbraucher beim Einkauf ganz genau hin – doch wie lange hält dieser Effekt?


[Bild: Naturland-Hof Alpermühle --- Andreas Klose mit einer seiner "Mitarbeiterinnen" auf dem Naturland-Hof Alpermühle.]

Andreas Klose vom Naturland-Hof Alpermühle in Nümbrecht bekommt seine Bio-Eier beim Ausliefern an die Supermärkte momentan regelrecht aus den Händen gerissen. „Die Eier sind quasi schon verkauft, bevor sie gelegt worden sind. Es ist bombastisch, was wir da gerade erleben“, so Klose. Von doppelten und dreifachen Bestellmengen wie noch vor dem Skandal kann er berichten. Dass dies so bleibt, glaubt er indes nicht. „Die Kunden stellen ihr Einkaufsverhalten meist nur kurzfristig auf den Prüfstand, dann wird ihre Aufmerksamkeit wieder von etwas anderem gefesselt“, so Klose, der auf seinem Hof rund 2.400 Legehennen liebevoll unter Bio-Bedingungen hält. Doch er weiß auch: Nach jedem Skandal bleiben einige hängen, so dass der Kreis der Bio-Freunde doch stetig wächst. „Kommt das Bio-Produkt dann auch noch aus der Region, ist es das Beste, was man überhaupt kaufen kann“, ist er überzeugt.

So hatte er auch schon vor dem Skandal keine Probleme, seine Eier im Sortiment der großen Supermärkte unter zu bringen: Seit Januar bietet der Hof seine Eier im Rahmen einer Erzeugergemeinschaft unter dem Markennamen „Dein Land-Ei“ an. „Dein Land-Ei“ ist ein Gemeinschaftsprojekt vom Hof Alpermühle und vom Hof Klaas in Meinerzhagen. Der Hof Klaas liefert die Boden- und Freilandeier für die Marke, Hof Alpermühle die Bio-Eier. „Durch die Rückmeldungen der Kunden und auch der Supermärkte wissen wir, dass immer lieber zu Produkten aus der Heimat und mit Bio-Qualität gegriffen wird“, weiß Klose, dass es auch unabhängig vom jüngsten Lebensmittelskandal ein immer größeres Bewusstsein für Qualität bei den Kunden gibt.


[Die Öko-Bauern Peter Schmidt und Susanne Schulte mit zwei ihrer Lämmer.]  

Auch bei Landwirt Peter Schmidt vom Klosterhof Bünghausen in Gummersbach übertraf die Nachfrage an frischen Bio-Eiern schon vor dem Skandal das Angebot. Seine rund 50 Hühner genießen täglich großzügigen Auslauf und picken neben Gras, Würmern und Insekten – so wie es Hühner eben tun – nur Biofutter. In Sachen Preis mit den Discountern mitzuhalten, versucht er erst gar nicht. „Unsere Eier kosten 55 Cent pro Stück – weil sie es wert sind. Und das verstehen unsere Kunden“, so Schmidt. Und dies gelte nicht nur für Eier, sondern auch alle anderen Produkte, die der Klosterbauer zumeist direkt ab Hof vermarktet. „Das Interesse ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. Bestimmt haben auch die Lebensmittelskandale dazu beigetragen. An ihnen erkennen die Menschen: Nur billig ist auch keine Lösung“, so der Landwirt, der sich momentan um die Genehmigung für einen mobilen Hühnerstall bemüht, um demnächst mehr frische Eier anbieten zu können.

Hochwertige Erzeugnisse aus der Region vertreibt auch die Regionalmarke „bergisch pur“. Hier werden für jedes Produkt spezifische Naturschutzrichtlinien erarbeitet, denen sich die Erzeuger verpflichten müssen. Naturschutz und Tierwohl stehen somit ebenso im Fokus wie die Qualität. Das hat der Marke einen stetig wachsenden Kundenstamm beschert, der auch bereit ist, für die Produkte tiefer in die Tasche zu greifen. Das mit jedem neuen Skandal auch Kunden hinzukommen, kann Carsten Sauer, Geschäftsführer der Vertriebsgesellschaft von „bergisch pur“, aber nicht bestätigen. „Da handelt es sich höchstens um einen kurzfristigen Effekt. Im Moment schauen die Menschen, wo ihr Essen her kommt, aber bald ist das wieder Schnee von gestern“, wünscht er sich ein generelles Umdenken.



Davon, dass diese Trendwende kommt und auch schon begonnen hat, ist dagegen Bäckermeister und Brotsommelier Ralf Gießelmann überzeugt: „Jeder neue Lebensmittelskandal zeigt doch, dass umso mehr Schmu gemacht wird, je größer und profitorientierter die Konzerne sind. Das führt dazu, dass immer mehr Kunden gezielt nach Produkten aus der Region fragen.“ So auch in den Filialen der Bäckerei Gießelmann. Seit fünf Jahren gehen hier Brot und Brötchen mit Dinkel aus Wuppertal und seit zwei Jahren Roggenbrot aus Champagnerroggen, der aus Bottrop stammt, über die Ladentheke – und dies mit wachsendem Erfolg. Ab Herbst kommen Produkte aus dem Urgetreide Emmer, das ebenfalls vom Dinkelbauern Bröcker vom Gut zur Linden in Wuppertal stammt, hinzu. Zu den Landwirten und auch dem Müller pflegt der Bäckermeister einen persönlichen Kontakt und ist regelmäßig vor Ort. Die Eier bezieht er von Höfen aus Drolshagen und Gummersbach.


[Bild: Bäckerei Gießelmann --- Ralf und Andrea Gießelmann (hinten) waren mit einem Teil des Backstubenteams in Wuppertal und haben sich vor Ort angesehen, was der Dinkel macht.]

Der regionale Bezug von Rohstoffen ist für Gießelmann stets auch ein Bekenntnis zur Region und Stärkung der Wirtschaftskraft. Auch die kurzen Transportwege spielen für ihn eine Rolle. „Es muss aus Umweltschutzgründen einfach nicht sein, dass Rohstoffe quer durch Europa gefahren werden, die ich hier vor Ort kaufen kann“, meint der Brotsommelier. Für diese Überzeugung geht er auch gerne Risiken ein. Denn das Urgetreide Emmer beispielsweise ist, weil es eben ursprünglich und nicht gezüchtet ist, äußerst wetterempfindlich. Im Vorjahr konnte der Emmer so wegen des schlechten Wetters nur noch als Tierfutter weiter verarbeitet werden.

Dieses Jahr klappt die Emmerernte erstmals, doch auch die Verarbeitung ist handwerklich komplizierter als beispielsweise beim Weizen. So ist das Brot dann auch teurer. „Doch immer mehr Menschen erkennen den Wert solcher Produkte und sind bereit, entsprechende Preise zu zahlen“, so Gießelmann. „Noch herrscht aber in Deutschland die Mentalität vor: Lieber ein schickes Marken-Shirt am Körper und ein dickes Auto in der Garage, als gutes Essen auf dem Teller.“ Wer hier aber umdenkt, kann dem nächsten Lebensmittelskandal gelassen entgegenschauen – und der kommt bestimmt.
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