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Manchmal hilft schon geduldiges Zuhören

pt; 31. Jul 2017, 20:15 Uhr
Bild: Ev. Kirchenkreis An der Agger --- (v. re.) Verwaltungsamtsleiter Thomas Hildner, TelefonSeelsorge-Leiterin Christa Dresbach-Schnieder, Mitarbeiterin Ingrid Meißner und Kirchenkreismitarbeiter Julian Stabbert.
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Manchmal hilft schon geduldiges Zuhören

pt; 31. Jul 2017, 20:15 Uhr
Oberberg – Die TelefonSeelsorge Oberberg des Kirchenkreises An der Agger steht für Hilfe- und Ratsuchende stets zur Verfügung und hat immer ein offenes Ohr für Sorgen und Nöte.
Von Paulina Theiß

Ob der Verlust des Jobs, die bevorstehende Scheidung oder ein Todesfall in der Familie – Was nun? Wie kommt man mit solch einer Situation zurecht? Mit wem kann man darüber sprechen? Fast jeder kennt diese Extrem-Situationen und viele wissen wie es ist, kurz vor der Verzweiflung zu stehen und nicht mehr aus noch ein zu wissen. Die TelefonSeelsorge kann da der passende Ansprechpartner sein. Deutschlandweit gibt es 105 TelefonSeelsorge-Stellen und die Einrichtung des Evangelischen Kirchenkreises An der Agger feierte dieses Jahr bereits das 25. Jubiläum. Die Kriseninterventions-Einrichtung, die durch den Träger und Spenden finanziert wird, dient dazu, Ratsuchenden ein offenes Ohr zu bieten. Neben einer telefonischen Seelsorge wird auch der „Seelsorge-Chat“ angeboten, bei dem die Menschen ihre Probleme schriftlich per E-Mail an die Seelsorger richten können.  


[Bild: Paulina Theiß --- Die ersten Telefone der Seelsorge.]

Die Standards der TelefonSeelsorge sind bundesweit die Gleichen: Anonymität, Verschwiegenheit, Offenheit, Kompetenz und Kostenfreiheit. „Seelsorge bedeutet Schweigepflicht“, so Christa Dresbach-Schnieder, Leiterin der Evangelischen TelefonSeelsorge seit 25 Jahren. Da es für die jährlich rund 10.000 Anrufer sehr wichtig ist, immer jemand zu erreichen, hat die Seelsorge ein System, bei dem die Anrufe dorthin geleitet werden, wo gerade jemand verfügbar ist, der dem Not geplagten Anrufer seine Zeit schenkt. So kann es schon mal vorkommen, dass ein Oberberger mit jemandem in Köln telefoniert.

Wer anruft und weswegen, ist sehr unterschiedlich. Von jungen Erwachsenen, selten auch einmal Kindern, bis hin zu Rentnern im hohen Alter ist das Spektrum groß. Was sich jedoch mit Sicherheit sagen lässt, ist, dass vor allem Frauen den Rat am Telefon suchen. Die meisten schlagen sich mit kleineren Sorgen und Alltagsproblemen herum, jedoch gibt es auch schwerwiegendere Probleme, die bis zur suizidalen Krise gehen. Entgegen der Erwartungen lässt sich nicht sagen, dass das Angebot der Seelsorge an bestimmten Tagen, wie zum Beispiel Weihnachten, mehr genutzt wird als an „normalen“ Tagen: „Einsamkeit ist nicht saisonabhängig“, stellt Dresbach-Schnieder fest.


Auch die sogenannten „Daueranrufer“ sind vertreten. Sie melden sich fast täglich, um ihre Einsamkeit zu überwinden und den Alltag zu regeln. „Von der Idee her sind wir nicht für die Vielfachanrufer gedacht. Aber auch für diese Menschen sind wir da“, meint die Leiterin der Seelsorge. Die 41 Mitarbeiter im Alter von 35 bis 77 Jahren nehmen oft anstrengende und erschütternde Anrufe entgegen. „Von 9 Uhr morgens bis zum späten Abend ist bei uns immer jemand zu erreichen. Das ist eine enorme Leistung der Mitarbeiter“, so Judith Thies, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit des Kirchenkreises.

Alle zwei Jahre werden in einer siebenmonatigen Ausbildung neue Mitarbeiter für die Seelsorge geschult, die dann in vier Stunden-Schichten, insgesamt 15 Stunden die Woche, ehrenamtlich am Telefon sitzen. „Sobald der Dienst beginnt, klingelt schon das Telefon“, merkt Thies an. Um solch eine Tätigkeit ausführen zu können, bedarf es vor allem Lebenserfahrung, Einfühlungsvermögen, Haltekraft und einiges mehr. Die Quote der weiblichen Mitarbeiter sei dabei deutlich höher als die der männlichen. Das liege vor allem daran, dass Frauen ein Gespräch als Erleichterung empfänden, eher über Probleme sprächen und ihnen das Zuhören leichter falle.

Dass die belastenden Gespräche hinter der Diensttür blieben, sei jedoch nur eine Illusion. „Auch alte Hasen sind manchmal zerknirscht und müssen ihren Druck bei mir ablassen“, so Dresbach-Schnieder. Die „Kladde“ kann dabei ebenfalls helfen. Diese kleinen Bücher, die oftmals auch an Autobahnkirchen liegen, seien für die Mitarbeiter ebenfalls eine Art des Abschlusses mit Erlebtem. Zusätzlich treffen sich die Ehrenamtlichen jeden Monat in der Gruppe, um Gespräche zu reflektieren und zu analysieren.

Zudem waren die Mitarbeiter kürzlich bei einer Schulung des Management- und Führungs-Trainers Bernd Osterhammel, da die Seelsorger während der Telefonate die Führenden in dem Gespräch seien. Die Frage: „Worum geht es eigentlich?“ sei fast immer die halbe Miete und oftmals schon der Schlüssel zu der Lösung des Problems. Trotz alle dem können die Seelsorger einigen Anrufern für den Moment zwar helfen, diese aber nicht heilen. Sie klären gemeinsam, analysieren oder überlegen den nächsten Schritt.

Bei akuten Krisen und schwerwiegenden psychischen Erkrankungen werden den Anrufern spezielle Einrichtungen, wie das „Haus für Alle“ in Waldbröl, nahegelegt. Dass die Ehrenamtlichen der TelefonSeelsorge für viele Menschen wichtige Ansprechpartner sind, steht außer Frage. „Die Mitarbeiter sind das wichtigste Kapital der TelefonSeelsorge“, merkt Thies an. Vielen, denen geholfen wurde, sind glücklich und dankbar darüber, dass es die stillen Helfer am anderen Ende der Leitung gibt und dass sie täglich und oft jahrelang diese wichtige Arbeit leisten.
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