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Vom Katz-und-Maus-Spiel mit den Unruhestiftern

fj; 26. Jul 2017, 13:00 Uhr
Bilder: Fenja Jansen --- Plötzlich lief die Situation auf dem Rathausplatz aus dem Ruder: Müll, Lärm und öffentlicher Alkoholkonsum sorgten für Ärger. Die Stadt zog die Reißleine und stellte einen Sicherheitsdienst ein.
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Vom Katz-und-Maus-Spiel mit den Unruhestiftern

fj; 26. Jul 2017, 13:00 Uhr
Bergneustadt – Johannes Drexler spricht über die Situation auf dem Rathausplatz, den Erfolg des Sicherheitsdienstes, aber auch die Verlagerung des Problems – Hoffnung setzt er auf den Multifunktionsplatz und neue Angebote für die Jugend.
Von Fenja Jansen

Warum plötzlich immer mehr Jugendliche den Bergneustädter Rathausplatz ab dem Nachmittag bevölkerten, weiß eigentlich niemand – und es störte zunächst auch wenig. „Die jungen Leute verhielten sich ordentlich“, erinnert sich Johannes Drexler, allgemeiner Vertreter des Bergneustädter Bürgermeisters Wilfried Holberg. Doch dann begann die Situation aus dem Ruder zu laufen: Allmorgendlich war der Platz so vermüllt, dass der Baubetriebshof anrücken musste, leere Chipstüten, Getränkedosen und massenhaft Sonnenblumenkerne verunzierten den Platz. Der war längst zum Fußballfeld der Jugendlichen geworden: Ohne Rücksicht auf Familien mit kleinen Kindern wurde auf den Ball gedroschen. Der landete dann auch mal auf den Tellern der Gäste, die im Biergarten der Pizzeria am Rathausplatz eigentlich ihre Essen genießen wollten.


[Johannes Drexler, allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters in Bergneustadt, würde am liebsten gemeinsam mit den Jugendlichen an Lösungen arbeiten.]

Beschwerden wurden laut. Nicht nur die Anwohner beklagten nächtliche Ruhestörungen, auch Frauen fühlten sich unsicher, wenn sie sich abends ihren Weg durch zum Teil an die 100 Personen starke Gruppen bahnen mussten. Das freie W-LAN wurde probeweise abgestellt, doch die Jugendlichen störte das wenig. Mitarbeiter des Ordnungsamts, Drexler und auch Bürgermeister Holberg suchten das Gespräch mit den jungen Leuten. „Wir wollten wissen, wer sie sind, denn wir konnten die Gruppe überhaupt nicht zuordnen“, so Drexler.

Auch Mitglieder des Moscheevereins suchten auf Bitten der Stadt Kontakt zu den Jugendlichen, doch auch sie kannten einen Großteil der jungen Leute nicht, auch wenn viele türkische Wurzeln hatten. „Heute wissen wir, dass es sich hier keineswegs nur um Jugendliche aus Bergneustadt handelte“, so Drexler. Die zumeist 14- bis 17-Jährigen kamen auch aus Gummersbach, Reichshof und Engelskirchen. Der Rathausplatz als Treffpunkt hatte sich bei den jungen Oberbergern rumgesprochen.



„Also mussten wir in den sauren Apfel beißen und trotz der finanziellen Situation in Bergneustadt handeln“, erklärt Drexer, dass seit Ostern 2017 der Wachdienst Frank Weichert aus Wiehl-Drabenderhöhe Kontrollgänge auf dem Rathausplatz und in der Umgebung unternimmt. Etliche Platzverweise, die dann auch zur Anzeige gebracht wurden, hat es seitdem gegeben.

Als besonders unbelehrbar habe sich dabei eine Gruppe Derschlager Jugendliche mit türkisch-griechischen Wurzeln herausgestellt – und es zeigte sich, dass die Situation auf dem Platz hinter dem Jugendtreff Krawinkel besonders brisant war. „Hier liefen Drogengeschäfte und die gingen nicht von den Jugendlichen, sondern älteren Menschen aus. Leider haben die Jugendlichen das Verhalten dieser ‚harten Kerle‘ teils nachgeahmt, was wir sofort unterbinden wollten“. In diese dunklen Ecken gingen auch die Mitarbeiter des Wachdienstes nur in Begleitung eines Hundes – doch das machte Eindruck.


[Fußballspielen ist auf dem Rathausplatz zwar verboten, trotzdem landeten Bälle auf den Tellern von Restaurantbesuchern.]

Mittlerweile sei Ruhe auf dem Platz eingekehrt, so Drexler, und der Wachdienst erntete viel Dank und Lob von den Anwohnern und Gewerbetreibenden. Leider wurde das Problem aber nur verlagert, nicht gelöst: Als die Jugendlichen anfingen, sich auch auf Schulhöfen zu treffen und dort die ersten Scheiben zu Bruch gingen, weitete der Wachdienst seine Kontrollgänge dorthin aus. Nun rückt das Gelände von Opel Ley in den Fokus der Gruppe, doch da dieses nicht städtisch ist, kann die Stadt ihr Hausrecht auch nicht auf den Wachdienst übertragen. Und gegen die Raser, die sich nächtliche Rennen auf der B 55 und der Talstraße liefern, ist die Stadt erst recht machtlos: „Hier haben wir keine Befugnis und auch nicht die Ausstattung oder das Personal, etwas zu unternehmen. Dies ist Sache der Polizei“, so Drexler.

Wie also das Problem lösen, und nicht nur verlagern? Hier setzt die Stadt auf ihren Streetworker Bünyamin Yilmaz, einen neuen Multifunktionsplatz und die sogenannte „Ordnungspartnerschaft“. Diese bietet der Kreis seinen Kommunen an, die dafür die ordnungsbehördlichen Verordnungen vereinheitlichen müssen, damit die Polizei im Einsatz nicht erst nachlesen muss, was an einem Ort verboten oder erlaubt ist. Dafür bekäme Bergneustadt rund 35.000 € jährlich, die für eine Verstärkung des Ordnungsamts genutzt werden könnten.


[Auch hinter dem Krawinkelsaal trafen sich Gruppen, lärmten und vermüllten die Wiese. Sogar Rauschgiftgeschäfte wurden hier abgewickelt, bevor der Sicherheitsdienst seine Arbeit aufnahm.]

Alleine auf Kontrolle und Abschreckung will die Stadt aber nicht setzen. Stattdessen arbeitet Streetworker Yilmaz daran, Vertrauen zu den Jugendlichen aufzubauen, ihnen bei Bedarf auch bei privaten Problemen zur Seite zu stehen und Angebote für diese Altersgruppe zu etablieren. Gut angenommen wird bereits der „Night-Soccer“ in der kleinen Burstenhalle. „Schon in den nächsten Wochen werden die Angebote ausgebaut, beispielsweise wird es eine Filmnacht geben“, erklärt Drexler, dass den jungen Leiten mehr Möglichkeiten zur sinnvollen Freizeitgestaltung geboten werden sollen.

Denn der Vertreter des Bürgermeisters sieht durchaus beide Seiten der Medaille: „Die Jugendlichen müssen sich den Vorwurf, dass sie nicht viel auf Regeln geben, durchaus gefallen lassen. Aber auch wir als Stadt müssen uns Versäumnisse vorwerfen. Orte, an denen sich Jugendliche ungestört treffen können, fehlen“, erinnert sich Drexler auch an seine eigene Jugend und die Wünsche, die junge Leute haben. Hier leisten die beiden Jugendzentren in der Stadt zwar wertvolle Arbeit, aber „viele Jugendliche haben mir ganz offen gesagt, dass das nichts für sie ist“.

Viel Hoffnung setzt Drexler darum auf den Multifunktionsplatz, für dessen finanzielle Förderung bereits eine Zusage des Landes vorliegt. Die Pläne, diesen Platz zentrumsnah hinter dem Krawinkelsaal einzurichten, stießen auf Protest in der Bevölkerung. Nun soll der Multifunktionsplatz am Stentenberg entstehen und sich an das Beach-Volleyballfeld des TV Hackenberg und den Pumptrack der evangelisch-freikirchlichen Gemeinde anschließen. Bei Regenwetter könnte die nahegelegene Begegnungsstätte Hackenberg als Anlaufort für die Jugendlichen dienen. Noch in den Ferien möchte Drexler mit der Umsetzung der Pläne beginnen. „Und zwar am liebsten mit den Jugendlichen gemeinsam“, lässt er viel Herzblut für dieses Projekt erkennen.
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