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Würdige Ruhestätte für NS-Opfer geschaffen

fj; 9. May 2017, 12:26 Uhr
Bilder: Ulrich Hoffstadt --- Kriegsgräber in Frielingsdorf: Hier ruhen Zwangsarbeiter unterschiedlicher Nationalitäten und deutsche Aufseher in einem nun sanierten Gemeinschaftsgrab.
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Würdige Ruhestätte für NS-Opfer geschaffen

fj; 9. May 2017, 12:26 Uhr
Lindlar – Initiiert vom Arbeitskreis für Regionalgeschichte und dank vieler Partner, konnten die Gräber von Zwangsarbeitern in Lindlar saniert werden – Stelen und Gedenktafeln wurden mit Gästen aus den Herkunftsländern der Opfer enthüllt.
In der Nacht des 31. März, unweit eines Kriegsgefangenenlagers in Overath, wurde ein NS-Parteimitglied auf offener Straße erschossen. Die Rache seiner Parteigenossen ließ nicht lange auf sich warten: Am 8. April ergriffen sie wahllos 22, meist noch sehr junge und unbeteiligte osteuropäische Kriegsgefangene und brachten sie mit einem Lastwagen nach Lindlar. Zwölf der Gefangenen konnten entkommen, zehn wurden erschossen und ihre Leichen verscharrt. Auf Geheiß der Amerikaner mussten Lindlarer Bürger die Leichen am 15. Juni 1945 ausgraben, an ihren offenen Särgen vorbeiziehen und die Augen auf die Leichen richten, bevor sie auf dem Kirchplatz beigesetzt wurden. Im März 1947 wurden die zehn Osteuropäer nachts auf den Friedhof umgebettet. „Ihre Namen kennen wir nicht, aber ihr Schicksal wurde in Lindlar nie vergessen“, so Lindlars Bürgermeister Dr. Georg Ludwig bei der Feierstunde zur Enthüllung der Gedenkstelen an den nun sanierten Gräbern der osteuropäischen Zwangsarbeiter auf den Friedhof in Lindlar, die Ende April stattgefunden hat.


[Erinnerungs-Stele in Frielingsdorf mit Gedenktafeln in kyrillischer und deutscher Schrift.]

Mit dieser Gedenkfeier fand ein Gemeinschaftsprojekt seinen Abschluss, dass ein deutliches Zeichen für das Erinnern setzt – das Erinnern an die zehn erschossenen Zwangsarbeiter, weitere 21 teils namentlich bekannte Zwangsarbeiter aus der ehemaligen UdSSR und Polen, die zwischen 1944 und 1945 als Opfer von Krieg und Gewalt starben und ebenfalls auf dem Friedhof Lindlar begraben sind, sowie weitere Zwangsarbeiter, die in einem Gemeinschaftsgrab mit deutschen Aufsehern auf dem ehemaligen Friedhof in Frielingsdorf beigesetzt wurden. „Die Vielzahl der Menschen, die zum Gelingen des Projekts betrugen, zeigt dabei, dass es in Lindlar immer noch zahlreiche Menschen gibt, die ihre Augen auf die Opfer dieses Verbrechens richten und ihr Schicksal nicht vergessen haben“, so Manfred Schwirten vom Friedhofsamt der Gemeinde.


[Enthüllung der Stelen mit Gästen aus den Herkunftsländern der Opfer und einem Vertreter der Orthodoxen Kirche.]
  
Initiator für die Sanierung der Gräber und die Installation von Gedenkstelen war der Arbeitskreis für Regionalgeschichte im Förderverein des Freilichtmuseums Lindlar in enger Kooperation mit dem Bund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, maßgeblich vorangetrieben wurde die Idee von Arbeitskreis-Mitglied Wilfried Panske. Auf der Grundlage eines Maßnahmenpapiers des Arbeitskreises stellte die Gemeinde einen Antrag auf Zuschüsse für die Sanierung sowie gärtnerische Arbeiten bei der Bezirksregierung Köln, der bewilligt wurde. Für die Erstellung der Stelen und Inschriften konnten mit der BGS-Bergische Grauwacke Steinbruch Betriebsgesellschaft, den Firmen Quirrenbach, Schiffarth, Industriedruck Friedrich, Strässer und den Technischen Betrieb Engelskirchen/Lindlar regionale Unternehmen als Sponsoren gefunden werden. „Durch die Mitarbeit so vieler Partner konnte das Projekt innerhalb von nur sechs Monaten durchgeführt werden – ein deutliches Zeichen dafür, wie tief das Schicksal der Opfer in den Bewusstsein der Lindlarer Bürger verankert ist“, sagte Schwirten.




[Begegnungen bei der Feierstunde im Rathaus: Bürgermeister Dr. Georg Ludwig im Gespräch mit Protodiakon Irinikios Schulten von der Russisch-Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats.].

Die Inschriften der Gräber sind nun wieder lesbar und wurden vor allem von Johann Penner, Mitarbeiter der Gemeinde Lindlar, vom kyrillischen ins Deutsche übersetzt. „Das geschichtliche Bewusstsein zu schärfen ist gerade in diesen unruhigen Zeiten ein gesellschaftlicher Auftrag, dem es nachzukommen gilt – hier leisten die Gräber mit ihren Stelen und Erinnerungstafeln einen wichtigen Beitrag“, ist Schwirten überzeugt. Dieses Engagement für die Erinnerungskultur in Lindlar stieß auch auf die Anerkennung der zur Gedenkfeier geladenen Gäste, darunter Vertreter des Generalkonsulats der Russischen Föderation und der Orthodoxen Kirche. „Dass wir heute gemeinsam diese Einweihung der erneuerten Gräberstätten feiern können, ist für mich ein Zeichen dafür, dass eine Versöhnung stattgefunden hat, dass wir gemeinsam erkennen, wie wichtig der Frieden und der Abbau von Konflikten und Spannungen gerade auch heute wieder sind“, freute sich Lindlars Bürgermeiste im April über ihr Kommen.


[Bild: Fenja Jansen --- Manfred Schwirten vom Friedhofsamt der Gemeinde mit Praktikantin Paula Braun vor der Ausstellung im Rathausfoyer.]

Die Gräber werden nun vom Friedhofsgärtner gepflegt, doch auch Bürger, die sich an der Pflege der Grabstätten beteiligen wollen, sind eingeladen, sich bei Schwirten im Rathaus zu melden. Hier im Foyer ist auch bis auf weiteres eine kleine Fotoausstellung mit Bildern und Informationen zu den Gräbern und den Menschen, die hier ihre letzte Ruhe gefunden haben, zu finden. „Ich lade alle Lindlarer herzlich ein, diese kleine Ausstellung zu besuchen und bei Bedarf das Gespräch mit mir zu suchen“, möchte Schwirten die Erinnerung an die Lindlarer Opfer der NS-Zeit auch nach Abschluss des Projekts weiterhin lebendig halten.
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