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Nachhaltige Unterstützung für Betroffene

fk; 27. Apr 2017, 20:15 Uhr
Bilder Friederike Klein --- Große Freude über die Eröffnung: Dr. Ursula Becker, Prof. Dr. Klaus Peters (hinten v.li.), Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Bündnis 90/Die Grünen) und Udo Herterich, Vorsitzender des Interessenverbandes Contergangeschädigter NRW.
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Nachhaltige Unterstützung für Betroffene

fk; 27. Apr 2017, 20:15 Uhr
Nümbrecht - Bei der Eröffnung des bundesweit ersten ambulanten Zentrums für contergangeschädigte Menschen war NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens in der Dr. Becker Rhein-Sieg-Klinik zu Gast: „Wesentlicher Schritt zur Verbesserung der Versorgung.“
„Heute schlägt so manches Herz schneller, weil sich eine Herzensangelegenheit von sehr vielen zu einem guten Ende und zu einem guten Anfang findet“, begrüßte Dr. Ursula Becker zahlreiche Interessierte zur Eröffnung des bundesweit ersten ambulanten Schwerpunktzentrums für contergangeschädigte Menschen ("Medizinisches Zentrum für Erwachsene Behinderte") in der Dr. Becker Rhein-Sieg-Klinik Nümbrecht. Ehrengäste waren unter anderem NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens sowie Udo Herterich, Vorsitzender des Interessenverbands Contergangeschädigter NRW, mit seiner Frau Claudia.


[Udo Herterich und eine der beiden Gebärden-dolmetscherinnen, die die Veranstaltung begleiteten.]

Das Arzneimittel Contergan mit dem Wirkstoff Thalidomid kam vor knapp 60 Jahren auf den Markt und wurde unter anderem auch gegen die morgendliche Übelkeit in der Schwangerschaft empfohlen. War es bis zum 31. Juli 1961 noch rezeptfrei, bestand ab dem 1. August 1961 Rezeptpflicht. Der Zusammenhang zwischen Contergan und Fehlbildungen bei Säuglingen wurde erst später erkannt und das Mittel in Deutschland vom Markt genommen. Bekannt ist, dass weltweit 5.000 bis 10.000 Menschen vorgeburtlich weitgreifende Schäden und Behinderungen erlitten. Viele sind inzwischen verstorben. In Deutschland leben etwa 2.400 Betroffene, davon rund 800 in Nordrhein-Westfalen.



Erst 2011 wurde eine Langzeitstudie unter der Leitung von Prof. Dr. Klaus M. Peters, Chefarzt Orthopädie und Osteologie in der Dr. Becker Rhein-Sieg-Klinik, in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse Anfang 2016 am gleichen Ort vorgestellt und diskutiert wurden (OA berichtete). Das Resultat ist das heute eröffnete ambulante Schwerpunktzentrum, „ein wesentlicher Schritt zur Verbesserung der Versorgung conterganbetroffener Menschen in NRW“, so Ministerin Steffens.

Denn die Betroffenen leiden mit zunehmendem Alter wesentlich stärker unter den Langzeitfolgen ihrer Beeinträchtigungen sowie unter den auftretenden Alterskrankheiten. Für den Standort Nümbrecht hat sich die Dr. Becker Rhein-Sieg-Klinik durch die langjährige Erfahrung von Prof. Peters ausgezeichnet. Er richtete schon im Jahr 2000 in enger Zusammenarbeit mit dem Interessenverband eine Spezialsprechstunde für Contergangeschädigte und Dysmelie-Patienten ein. Im Laufe der Zeit hat sich hier ein „Kompetenzteam Contergan“ entwickelt. Diesem gehören 16 Personen an - neben Prof. Peters, Leiter des ambulanten Schwerpunktzentrums, Dr. Carmen Ilona Eckert, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Masseure und Psychologen. Neu dabei ist die Koordinatorin Irmela Aurich.

Im Unterschied zur Spezialsprechstunde, die die Contergan-Betroffenen selbst bezahlen mussten, übernehmen jetzt die Kassen den ambulanten Aufenthalt mit diagnostischen und therapeutischen Leistungen. „Ich finde es toll, dass wir diesen Weg gefunden haben, dass Sie als ärztliche Leitung für das Behandlungszentrum gewonnen werden konnten“, dankte Ministerin Steffens Prof. Peters, denn ohne das über die Jahre hinweg aufgebaute und entstandene Vertrauensverhältnis gäbe es diese Struktur nicht.



Udo Herterich ist froh, dass dank des Schwerpunktzentrums unzählige Dinge vereinfacht wird. „Wir haben in den letzten zehn Jahren viel erreicht und noch große Herausforderungen vor uns.“ Weiterhin sei jedoch Unterstützung nötig. Große Hoffnung setzt er auf die Tele-Medizin, mittels der alle Betroffenen Hilfe bekommen könnten. Kritik übte Herterich auch: „Wir haben uns vergeblich gewünscht, dass die Conterganstiftung für behinderte Menschen die verschiedenen Forschungs- und medizinischen Projekte in Deutschland unterstützt oder zumindest auf Einladung zu einem Gespräch darauf reagiert.“ Doch nichts sei passiert.

Das Rahmenprogramm gestaltete der Contergan-Chor unter der Leitung von Konstantinos Stavridis.
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