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So gleich und doch so verschieden

th; 24. Apr 2017, 16:42 Uhr
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So gleich und doch so verschieden

th; 24. Apr 2017, 16:42 Uhr
Oberberg – OA-Praktikant Tarafa Al Harabat über den Alltag und das soziale Leben in seiner alten Heimat Syrien im Unterschied zu deutschen Sitten und Gebräuchen.
Von Tarafa Al Harabat

Menschen sind auf der ganzen Welt eigentlich gleich - und doch so verschieden. Sitten und Gebräuche differieren sehr stark, und vieles, was mir als Syrer viele Jahre selbstverständlich war, ist in Deutschland doch komplett anders. Und selbst in meiner neuen Heimat gibt es in den verschiedenen Landesteilen eine unterschiedliche Art und Weise des Umgangs miteinander. Schon bei der Begrüßung ist vieles anders. Die Deutschen kommen schnell auf den Punkt, begrüßen sich per Handschlag, vielleicht nach einem „Hallo“. Wir in Syrien brauchen meist länger, tauschen viele Höflichkeitsfloskeln aus und wenn man sich auf der Straße erkennt, küsst man sich dreimal auf die Wange. Das wäre in Deutschland undenkbar.


Auch steht die Familie in Syrien in der Regel viel mehr im Mittelpunkt als in Deutschland – so jedenfalls mein Eindruck. Eigentlich hat man in meiner alten Heimat zwei Leben. Im ersten Leben gehen alle ihrer Arbeit nach, zur Schule oder in die Universität. Doch nach 17 Uhr endet dieses Leben. Dann sitzt man in der Familie zusammen zuhause oder im Cafe´, raucht die Shisha. Restaurants und Supermärkte sind bis nach Mitternacht geöffnet, man trifft viele Bekannte, aber das Miteinander in der Familie ist den meisten das Wichtigste.

Die Rolle der Frau ist eine ganz andere. In Deutschland sind Frauen sehr selbstbewusst, bestimmen ihr Leben, das ist in Syrien oft anders. Dort sind die Geschlechterrollen anders definiert. Die Gleichberechtigung steht zwar im Grundgesetz, die Praxis ist eine andere. Frauen betreuen die Kinder bis zum 15. Lebensjahr, während sich die Männer als Familienverantwortliche verstehen. Manches, was in Syrien selbstverständlich ist, wäre für Deutsche undenkbar. Etwa die Regelungen bei einer Heirat, die von den Familien untereinander getroffen werden und in der sich der Ehemann zu zahlreichen Zahlungen verpflichten muss.

Viel Wert wird in Syrien auf gute nachbarschaftliche Beziehungen gelegt. Man lädt sich gegenseitig ein und vertraut sich vieles an. Viele Nachbarn sehen sich als zweite Familie und man beteuert bei vielen Gelegenheiten, dass die Tür für den jeweils anderen immer offensteht. Leider hat der Krieg in meinem Land vieles, was uns immer wichtig war, zerstört.
  
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