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Immer diese Radfahrer

Red; 15. Apr 2017, 09:30 Uhr
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Immer diese Radfahrer

Red; 15. Apr 2017, 09:30 Uhr
Oberberg - Oberberg-Aktuell informiert in dieser Rubrik über Rechtsfragen - Der Service wird präsentiert von Fincke Rechtsanwälte Bergneustadt - Diesmal geht es um einen Zusammenstoß auf dem Radweg.
Andreas Günther, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht

Frühjahrszeit = Radfahrzeit! Nach den dunklen Wintermonaten werden jetzt die Tage länger und wärmer. Die Räder werden aus der Garage geräumt und los geht es in die freie Natur. Dort lauern mancherlei Gefahren, vor allem auch andere Radfahrer!

Das musste eine Frau aus dem Bodenseeraum feststellen, als sie im Mai vor drei Jahren auf einem Radweg dahinradelte. Es handelte sich um einen Sand-Schotter-Weg, rund zwei Meter breit. Sie befuhr eine Fahrlinie, die etwas rechts von der Mitte des Weges verlief. Von hinten näherte sich der Radfahrer „R“ und wollte sie links überholen. Es kam, wie es kommen musste: Während des Überholvorgangs berührte R die Radfahrerin mit der rechten Schulter an ihrer linken Schulter. Die Radfahrerin stürzte und zog sich eine komplizierte Humerusfraktur zu (für Nichtmediziner: Bruch des Oberarmknochens).

Kann die Radfahrerin Schmerzensgeld verlangen? Ja – entschied das OLG Karlsruhe in einem Beschluss aus Mai 2016 (9 U 115/15). Auch auf dem Radweg und im Verhältnis zwischen zwei Radfahrern gilt beim Überholen § 5 IV 2 StVO. Nach dieser Norm der Straßenverkehrsordnung gilt die Verpflichtung, einen Seitenabstand einzuhalten, der die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausschließt. Wie groß genau dieser Abstand sein muss, steht leider nicht fest. Hier gibt es keine klare Regel.

Es kommt – wie bei Unfällen eigentliche immer – auf die genauen Umstände des Einzelfalles an. Aber das OLG Karlsruhe hat doch einige Grundregeln in seine Entscheidung aufgenommen, die von Bedeutung sind: Ein überholender Radfahrer muss berücksichtigen, dass bei dem anderen Radfahrer grundsätzlich mit mehr oder weniger unvermeidlichen Schwankungen zu rechnen ist. Außerdem muss der Überholer daran denken, dass – anders als bei einem überholenden KfZ – der überholte Radfahrer nicht durch Geräusche des sich von rückwärts nähernden Fahrzeugs vorgewarnt wird. Auf einem Sand-Schotter-Weg muss zudem - im Vergleich zu einem asphaltierten Radweg – vermehrt mit Schwankungen in der Fahrlinie des zu überholenden Radfahrers gerechnet werden.

Der Seitenabstand war nach alle dem im Fall zu gering. Die Richter hatten einen Abstand von rund 32 Zentimetern gemessen. R hatte vorgetragen, dass kurz vor dem Überholvorgang die Radfahrerin noch nach links in seine Fahrlinie geraten sei. Sie habe deswegen ein Mitverschulden an dem Unfall. Das konnte er aber nicht beweisen. Selbst wenn sie geschwankt wäre, hätten es die Richter wohl nicht gelten lassen. Nicht nur musste er mit den Schwankungen rechnen; R hatte die Schwankungen ja selbst vorher beobachtet, dies hätte ihn zu größerer Vorsicht veranlassen müssen. Dies gerade auch bei der relativ geringen Geschwindigkeit der Radfahrerin von 10 bis 13 Km/h. Er durfte nicht darauf vertrauen, dass die Radlerin ihre Linie strikt beibehält.

Auch sein Einwand, er habe geklingelt, half ihm nicht. Er habe selbst vorgetragen, dass er keinen Hinweis erhalten habe, dass die Radlerin die Klingel gehört und ihn so überhaupt wahrgenommen habe (zu allem Unglück fuhr in der Nähe auch noch ein Rasenmähertraktor). Im Ergebnis hat R den Unfall schuldhaft alleine verursacht. Das Schmerzensgeld für die Radfahrerin – ausgeurteilt in der 1. Instanz von dem Landgericht Konstanz – in Höhe von 12.500 € bestätigten die OLG-Richter ebenso, wie die Feststellung zum Ausgleich weiteren Schadensersatzes in der Zukunft.

Als Merksatz für die tägliche Radfahrt hielten die Karlsruher Richter zum Schluss noch fest: „Bei Radwegen mit einer begrenzten Breite ist es oft sinnvoll und in der Praxis auch vielfach üblich, erst dann zu überholen, wenn der Überholer sicher ist, dass er vom anderen Radfahrer wahrgenommen wird und das dieser sein Fahrverhalten auf den Überholvorgang einrichtet“. Also: Vorsicht auch beim Radfahren! Viel Spaß beim nächsten Radausflug wünscht das Team von Fincke Rechtsanwälte.
  

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