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Ist das Christentum noch zu retten?

Red; 22. Feb 2017, 15:26 Uhr
Bild: privat --- Professor Dr. Hubertus Halbfas (li.) war beim marienheider Debattierclub zu Gast.
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Ist das Christentum noch zu retten?

Red; 22. Feb 2017, 15:26 Uhr
Marienheide - Marienheider Debattierclub diskutierte mit renommiertem Theologen über die Zukunft der Kirche.
Kirchenaustritte, leere Pfarrstellen, erstarrte Lehre, Abkoppelung von der Wissenschaft – das waren die Stichworte, die Rainer Appenzeller vom Marienheider Debattierclub in den Raum stellte, bevor er dem prominenten Gast Professor Dr. Hubertus Halbfas das Wort erteilte. Der Marienheider Debattierclub ist eine lose Gruppe von Menschen, die sich regelmäßig trifft im Kampf gegen die allgegenwärtige Oberflächlichkeit. Eine streng geregelte Debattenkultur soll dabei helfen, den Problemen der Zeit und denen der Wissenschaft auf den Grund zu gehen. Erstmals wurde jetzt Mitte Februar der bekannte katholische Theologe Hubertus Halbfas als Experte eingeladen. Von ihm war bekannt, dass er streitbar und mutig seine Reformtheologie gegen manchen Angriff von oben verteidigt hatte.

Halbfas analysierte zunächst in einem kurzen Vortrag die Gründe für die Krise der Institution Kirche. Als Erstes nannte er die hohe Irritation, die seit 250 Jahren durch die historisch-kritische Lektüre der Bibel entstanden sei. Zweitens nannte er die Unfähigkeit, die Metaphern der Bibel und ihre Symbolsprache zu verstehen. Diese Unfähigkeit sah er auch zunehmend beim predigenden Personal in den Kirchen. Und als Letztes benannte er als Ursache der Krise den gewandelten Lebensstil der Menschen. Dadurch erreiche die Kirche viele Gläubige nicht mehr. Nicht der Zweifel an den Glaubensaussagen sei das Problem, sondern dass die formelhaften Aussagen der Kirchen nicht mehr  mit den veränderten Empfindungen übereinstimmten. An die Stelle des Glaubenszweifels sei so das Desinteresse getreten.


Die Menschen seien aber nicht weniger religiös geworden, sondern die Institution Kirche in die Krise geraten. Halbfas beklagte, dass es kaum noch Bischöfe gebe, die „den Disput der Zeit“ führten. Die Kirchenoberen, ob katholisch oder evangelisch, würden Kernfragen des Glaubens nicht in ihre Gemeinden tragen. Er müsse oft hören, das wäre „dem Kern der Gemeinden nicht zumutbar“. Dadurch stehe das Christentum in der Gefahr, zunehmend fundamentalistischer und zu einem kleinen Häuflein der engen Elemente und der Abwehr der Außenwelt zu werden.

Nach dieser doch sehr pessimistisch anmutenden Analyse begann, moderiert von Jan Bondke, die Diskussion, die aber eher aus Fragen an den Gast bestand. Doch in den Antworten, in denen es meistens um den Gottesbegriff und die Gottesbilder, die die Menschen sich zurechtlegen, ging, zeigte sich die Hoffnung, die Halbfas sieht. Im Christentum sieht er zwei große Tendenzen miteinander streiten: das Paulinische Christentum und das Jesuanische Christentum. Während er bei Paulus die frühe Verfälschung des Christentums verortet, fordert er dazu auf, das „Programm Jesu“ aufzunehmen, das er in den häufigen Tischgemeinschaften der Bibel symbolisiert sieht. Und diese Tischgemeinschaften seien egalitär gewesen, dort habe es keine Denkverbote und keine selbsternannten „Hüter des Glaubens“ gegeben. Zum Abschied empfahl Halbfas seinen Zuhörern, einmal einen Gottesdienst in Köln in der Kirche „St. Maria in Lyskirchen“ zu besuchen, um etwas vom Geist eines lebendigen Christentums zu erleben.
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