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Schmerztabletten per Knopfdruck

Red; 3. Feb 2017, 11:35 Uhr
Bilder: Klinikum Oberberg.
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Schmerztabletten per Knopfdruck

Red; 3. Feb 2017, 11:35 Uhr
Gummerbach – Im Rahmen einer Studie wird am Krankenhaus Gummersbach ein neues System zur Schmerzbehandlung erprobt - Per Daumendruck können sich Patienten Tabletten selbst verabreichen und kommen so ohne Spritze und Infusion aus.
„Es war wie Urlaub“, beschreibt Roswitha Hinz den Moment, als der Schmerz nach der Hüft-Operation nachließ. Die Gummersbacherin, die seit Ende Januar in der Klinik für Orthopädie am Kreiskrankenhaus Gummersbach behandelt wird, nimmt an einer Studie der Klinik für Anästhesie teil, die mit „Zalviso“ ein neues System zur Schmerzbehandlung nach Operationen erforscht. Nachdem bereits 86 Patienten das System „Zalviso“ im vergangenen halben Jahr genutzt haben, sind die Mediziner und Pflegekräfte so zufrieden mit den Behandlungsergebnissen, dass die Schmerztherapie seit Januar auch im Kreiskrankenhaus Waldbröl zum Einsatz kommt.


[Das Zalviso-Gerät.]

„Ich finde gut, dass ich die Schmerzmittel selber nehmen kann“, sagt Hinz. Über einen Chip in einem Pflaster an ihrem Daumen ist sie mit einem Handstück verbunden, in dessen Inneren winzige Tabletten enthalten sind. Per Daumendruck kann sich die Patientin die Tablette selbst verabreichen, wenn sie Schmerzen verspürt. Eine Überdosierung ist nicht möglich, denn das Applikationsgerät gibt nur eine begrenzte Anzahl Tabletten innerhalb einer bestimmten Zeit aus. Seit Anfang Juli kommt das neue System zur Schmerzbehandlung nach Operationen im Kreiskrankenhaus Gummersbach zum Einsatz: Eine vom Patienten kontrollierte Schmerztherapie, die ohne eine Spritze oder Infusion auskommt.



Die kleine Tablette wird über das Mundstück des Gerätes unter die Zunge gelegt, löst sich dort auf und wirkt bereits nach drei Minuten. Ein Sicherheitssystem verhindert nicht nur eine Überdosierung, sondern dank des Chips am Daumen auch eine Verwechslung unter Patienten. Zudem überwacht das Personal die Patienten engmaschig. „Ich habe die Tabletten gut vertragen“, sagt Hinz nach dreitägiger Nutzung. „Da die Patienten keine Zugänge für Infusionen benötigen, können sie sich frei bewegen, sind schneller mobil und haben weniger Komplikationen“, beschreibt Heidi Knoppek vom Akut-Schmerzdienst des Krankenhauses die Vorteile des neuen Systems. „Die Bewegungsfreiheit ist toll“, pflichtet die Patientin bei, die ohne hinderliche Infusionsschläuche mit der Physiotherapie beginnen konnte.


[Heidi Knoppek vom Akut-Schmerzdienst des Krankenhauses mit Patientin Roswitha Hinz.]

Das Zalviso-System wurde mit dem Ziel entwickelt, mögliche bekannte Behandlungsprobleme, wie beispielsweise Infektionen durch Katheter, zu vermeiden und verbindet die Vorteile einer patientengesteuerten Schmerztherapie mit der Einfachheit einer Tabletteneinnahme. In Gummersbach sind derzeit acht Systeme nach einer Erprobungsphase eingesetzt. Privatdozent Dr. Matthias Paul, Klinikdirektor und Chefarzt der Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin und Schmerztherapie, zeigt sich nach einem halben Jahr Erfahrung ebenso begeistert wie seine Patienten: „Es hat sich gezeigt, dass unsere Patienten völlig problemlos mit dem System umgehen können, da es einfach in der Handhabung ist. Niemand muss in der schmerzintensiven Zeit direkt nach einer Operation warten, bis Pflegepersonal kommt, sondern kann selbst bestimmen, wann er ein Schmerzmittel einnehmen möchte.“

Auf einem kleinen Display am System können der behandelnde Arzt und das Pflegepersonal genau nachvollziehen, wie viele Tabletten der Patient sich selbst verabreicht hat. „Nach 72 Stunden stellt sich das System automatisch ab“, erklärt Knoppek. „Falls der Patient dann immer noch Schmerzen hat, wird die weitere Schmerztherapie individuell an den Patienten angepasst.“ Bereits im Narkose-Aufklärungsgespräch werden die Patienten in den Gebrauch des Systems eingeführt. Zunächst kam das System in der Orthopädie und Unfallchirurgie zum Einsatz, inzwischen nutzen es auch die Klinik für Allgemeinchirurgie sowie die Gynäkologie. Bei der erfolgreichen zweiten Re-Zertifizierung im Jahr 2016 zum „schmerzfreien Krankenhaus“ waren auch die Auditoren von dem neuen schmerztherapeutischen Verfahren als Erweiterung des therapeutischen Behandlungsspektrums begeistert.
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