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Syrer in Oberberg: Wer traut der Waffenruhe?

th; 5. Jan 2017, 10:50 Uhr
Bilder: Aleppo Media Center/ privat (2, 3) --- Menschen im zerstörten Aleppo. Nun ruhen die Waffen vorerst.
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Syrer in Oberberg: Wer traut der Waffenruhe?

th; 5. Jan 2017, 10:50 Uhr
Oberberg – Seit wenigen Tagen gilt in Syrien ein Waffenstillstand, Friedensverhandlungen werden angestrebt – Tarafa al Harabat sprach für Oberberg-Aktuell mit geflüchteten Syrern über ihre Hoffnungen und Sorgen in diese Zeit.
Von Tarafa al Harabat  

In den letzten Tagen des Jahres 2016 haben Russland und Türkei einen Waffenstillstand in Syrien ausgehandelt, an den kaum jemand mehr geglaubt hat. Friedensverhandlungen kündigte Russland noch für diesen Monat an. Tarafa al Harabat, selbst aus Syrien geflohen und derzeit Praktikant in der Redaktion von Oberberg-Aktuell, sprach mit Syrern, die ebenfalls ihre Heimat verlassen haben, über ihre Hoffnungen auf Frieden und eine Rückkehr in die Heimat für das Jahr 2017.

Iyad Kallas ist der Programm-Direktor von Souriali Radio im französischen Bordeaux. Seiner Meinung nach wäre ein umfassender Waffenstillstand der Anfang einer politischen Lösung im Syrienkonflikt. Dazu müssten jedoch sowohl das Regime des syrischen Machthabers Baschar al Assad wie auch die anderen militärischen Mächte die Waffen niederlegen. Dass die Gewalt im ganzen Land durch den Waffenstillstand dauerhaft stoppen könne, hält er jedoch für unmöglich. Zu viele Parteien hätten Interesse daran, den Krieg weiterzuführen, sei es, weil sie die Macht haben wollen oder durch Waffenlieferungen und andere Geschäfte Geld am Krieg verdienen wollen.


[Iyad Kallas kommt aus Syrien, lebt heute in Frankreich und ist für das Programm von Souriali Radio verantwortlich.]

Durch Interviews, die er mit seinen Landsleuten für das Radio geführt hat, wisse er, dass nur ein kleiner Prozentsatz der geflüchteten Syrer in die Heimat zurückkehren wolle. Nämlich die, die hier noch Familie oder Besitz haben. Und die auch erst dann, wenn man sich auf den Waffenstillstand verlassen könne. Wer seine Familie und sein Haus jedoch verloren habe, wolle auch nicht zurückkehren. Seiner Meinung nach wird es drei Generationen brauchen, bis der Krieg beendet und der Wiederaufbau vollständig abgeschlossen sei: Eine Generation für die Abrüstung, eine für den Wiederaufbau und eine zur Etablierung einer freiheitlichen Kultur – erst nach diesem Prozess, so vermutet Kallas, werden alle geflohenen Syrer in ihre Heimat zurückkehren wollen. Eine Ausnahme stellen seiner Meinung nach die Syrer da, die sich noch in Flüchtlingscamps in den Nachbarländern Syriens aufhalten. Ihnen würde wohl ein Waffenstillstand genügen, um in die Heimat zurück zu kehren.



Der syrische Dichter und Schriftsteller Fady Jomar wohnt jetzt in Marienheide. „Für jeden Syrer, der den Beschuss des Assad Regimes einmal erlebt hat oder der noch Familie und Freunde in Syrien hat, ist diese Waffenruhe wie ein Traum“, sagte er. Doch auch er traut der Situation nicht: Niemals hätte das Assad Regime seine Vereinbarungen gehalten, warum viele Menschen auch dieser Waffenruhe nicht vertrauen würden. Er selber würde erst in seine Heimat zurückkehren, wenn die internationale Gemeinschaft für die Sicherheit garantiert und gewährleistet ist, dass die Menschenrechte in Syrien gewahrt werden.

Moaaz Salama war Lehrer in Syrien und lebt nun in Gummersbach. Er verfolgt die Nachrichten über seine Heimat regelmäßig im Internet und erklärte, dass er sofort nach Hause zurückkehren würde, wenn es Frieden in Syrien gebe. Der Waffenruhe traue er aber nicht: „Wenn Assad nicht geht, gibt es keinen dauerhaften Frieden“, lautete seine Überzeugung.


[Der syrische Dichter und Schriftsteller Fady Jomar ist aus Syrien geflohen und lebt nun in Marienheide.]
  
Familie Talss wohnt seit einem Jahr in Gummersbach. Sie will nicht nach Hause zurückkehren, da es ihr Zuhause nicht mehr gibt: Das Haus der Familie wurde im Krieg zerstört. Sohn Abd Allah ist zwölf Jahre alt. Alle Freunde in Syrien habe er durch den Krieg verloren. „Jetzt habe ich Freunde in Deutschland gefunden und die will ich nicht wieder verlieren“, erzählte er, dass Gummersbach seine neue Heimat ist. Seine zehnjährige Schwester Ola hat an Syrien nur eine Erinnerung: Sie musste mit ansehen, wie ihre Mutter angeschossen wurde und dachte, sie würde sterben. Auch die Mutter der Kinder möchte trotz Waffenruhe nicht zurück. Die Zukunft ihrer Kinder, so Frau Talss, läge in Deutschland.

Jamal Alhadid hat in Syrien englische Literatur studiert und arbeitet nun als Dolmetscher im Gummersbacher Rathaus. Auch er traut dem Waffenstillstand kaum. Die Kriege in Bosnien und Herzegowina, dem Irak oder Afghanistan hätten gezeigt, dass Unruhen und Gewalt auch nach dem offiziellen Ende der Kämpfe anhalten würden. Wirklicher Friede sei darum nur möglich, wenn Assad entmachtet würde. Wenn seine Regierung jedoch gestürzt wäre, so Alhadid, würde er sofort zurückkehren.
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