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Von Damaskus ins Oberbergische – Teil 2

th,fj; 5. Dec 2016, 14:29 Uhr
Bild: Nils Hühn --- Tarafa erzählt seine Geschichte.
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Von Damaskus ins Oberbergische – Teil 2

th,fj; 5. Dec 2016, 14:29 Uhr
Oberberg – Tarafa hat in Syrien und vielen anderen Ländern als Journalist gearbeitet, nun ist er als Praktikant Teil von Oberberg-Aktuell – In einer eigenen Serie erzählt er von seinem langen Weg von Damaskus ins Oberbergische.
Für uns, die OA-Redaktion, gehört es beinahe zum Alltag, junge Menschen mit dem journalistischen Handwerk vertraut zu machen. Fast das ganze Jahr über sammeln hier Jugendliche und junge Erwachsene erste Erfahrungen im Journalismus, sei es als Schülerpraktikant oder als Student, der ein Praktikum für seine weitere Ausbildung benötigt. Seit dem 20. November haben wir nun einen neuen Praktikant: Tarafa ist vor Assads Regime aus seiner Heimat Syrien geflohen und seit vergangenem Jahr in Deutschland. Er kann auf breite journalistische Erfahrungen zurück blicken, die deutsche Sprache lernt er jedoch erst seit März 2016. Auch wenn er noch Hilfe dabei braucht, seine Geschichte zu erzählen, freuen wir uns, dass er uns und unsere Leser an ihr teilhaben lässt.

Am 4. August 2012 habe ich mich von meiner Heimat verabschiedet, um nach Dubai zu fliegen. Ich hatte damals gehofft, dass meine Heimat Syrien bald von dem verbrecherischen Regime Assads befreit wird und ich zurückkehren kann. Darum habe ich nur ein Visum für einen einmonatigen Aufenthalt in den Vereinigten Arabischen Emiraten gekauft. Ich hätte nie gedacht, dass ich hier länger bleiben muss und nicht bald nach Syrien zurückkehren kann.

In Dubai habe ich versucht, Arbeit zu finden. Als Syrer ist das jedoch schwierig. Ich hatte Arbeitsangebote, jedoch nicht die Erlaubnis zu arbeiten. Nach zwei Monaten, den ersten war ich legal in Dubai, den zweiten illegal, begann ich zu verzweifeln. Also entschied ich mich, nach Ägypten zu fliegen. In Kairo bin ich vier Monate geblieben. Dann bekam ich das Angebot, in Jordanien als freiberuflicher Journalist zu arbeiten. In der Hauptstadt Amman arbeitete ich bei einer Fernsehanstalt, die von internationalen Geheimdiensten unterstützt und von Jordanien koordiniert wurde. Hier waren wir eine Gruppe von syrischen Journalisten, die alle gegen das Assad Regime waren und es sich zum Ziel gesetzt haben, frei zu berichten. Wir wollten der Welt die Wahrheit zeigen und konnten diesem Wunsch unter dem Schutz und mit der Unterstützung der internationalen Nachrichtendienste nachgehen.

Um 5 Uhr am 21. August 2013 startete Assad einen Giftgasangriff auf die Region Ghuta östlich von Damaskus. Über 2.700 Menschen starben, mehr als 2.000 wurden verletzt. Jeder von ihnen hatte eine Familie. Die Opfer waren nicht nur Zahlen, sondern Kinder, Ehefrauen, Ehemänner und Eltern. Sie alle mussten einen der hässlichsten aller Tode sterben. Im Auftrag der USA habe ich mit anderen Freiwilligen Kontakt zu Menschen aus Syrien aufgenommen, die dem Giftgasangriff ausgesetzt waren. Wir organisierten von Jordanien aus, dass sie in Sanitätscamps der Amerikaner kamen, um sich hier untersuchen zu lassen. So wollten die USA herausfinden, welche Art Gift Assad gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt hat.

Die USA reagierten mit der Ankündigung einer militärischen Intervention auf Assads Giftgasangriffe. Daraufhin bekamen ich und meine Kollegen von den internationalen Nachrichtendiensten die Erlaubnis, nach Syrien zu fahren, um uns auf die Berichterstattung über den Krieg, den wir nun erwarteten, vorzubereiten.

Am 1. September 2013 schlichen meine Kollegen und ich zurück in unsere Heimat Syrien. Vom Jordanien aus wurde diese geheime Aktion koordiniert. Ich konnte das Grab meines Vaters besuchen. Ein Treffen mit meiner Ehefrau oder meiner Familie war jedoch nicht möglich. Durch meine Arbeit als Journalist für die internationalen Nachrichtendienste war ich dem Regime bekannt und wäre sofort verhaftet worden. Wir begannen, uns auf die amerikanische Intervention und die Berichterstattung darüber vorzubereiten. Doch nach vier Tagen kam die Nachricht, dass die USA nicht eingreifen werden. Wenn wir wollten, sollten wir nach Jordanien zurückkehren.

Doch wir blieben den ganzen September in Syrien, drehten einen Kurzfilm und eine Reihe von Berichten. Dann erfuhr ich, dass Assad meinen kleinen Bruder von der Universität weg verhaftet hat. Noch am selben Tag habe ich Syrien wieder verlassen, denn ich hatte Angst, dass ich der Grund für seine Verhaftung war. Er war vier Tage im Gefängnis, dann konnte meine Familie ihn freikaufen. Erst nach dreieinhalb Jahren habe ich ihn in Deutschland wieder gesehen. Nach seiner Verhaftung ging ich aber erst einmal zurück nach Jordanien, jedoch wurde die Unterstützung für unseren Sender eingestellt und der Sender daraufhin geschlossen.

Ich konnte dann für einen Radiosender und eine Webseite arbeiten, teils in der Türkei, teils in Jordanien. Doch dann musste ich aufhören zu arbeiten, weil mein Pass nicht mehr gültig war. Meine Frau durfte, da sie Syrierin ist, nicht nach Jordanien ausreisen. Auch in der Türkei erhielten wir keine Aufenthaltsgenehmigung. Also begann ich nach einem Land zu suchen, in dem die Menschen frei sein dürfen und in dem ich gemeinsam mit meiner Frau leben darf. Ich habe sie seit zwei Jahren nicht mehr gesehen.
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