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Vom Sinn und Unsinn der Zeitumstellung

ah,kst; 28. Oct 2016, 15:10 Uhr
Bilder: privat --- Der Politiker Herbert Reul macht sich seit Jahren für die Abschaffung der Zeitumstellung ein.
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Vom Sinn und Unsinn der Zeitumstellung

ah,kst; 28. Oct 2016, 15:10 Uhr
Oberberg – Am kommenden Sonntag ist es wieder so weit, die Uhren werden eine Stunde zurückgestellt - Fraglich bleibt, wen die Zeitumstellung einschränkt und welche Vor- beziehungsweise Nachteile sie mit sich bringt.
Von Alina Hildebrandt und Karla Stretz

Laut einer Forsa-Umfrage der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) des Jahres 2015 haben 73 Prozent von 1.000 Befragten keine Lust mehr auf die Zeitumstellung. Seit 1980 gibt es die Sommerzeit in Deutschland und jeden letzten Sonntag im März und Oktober heißt es seitdem: Uhren umstellen. Ziel dieses Verfahrens war die Energieeinsparung durch effizientere Nutzung des Tageslichtes.

Die Realität sehe heute jedoch anders aus und es zeige sich, dass durch die Zeitumstellung keine nennenswerte Ersparnis festzustellen sei, teilte der regionale Energieversorger AggerEnergie mit. In einem durchschnittlichen Haushalt liege der Beleuchtungsanteil am Gesamtstromverbrauch bei weniger als acht Prozent, wobei dieser ohnehin geringe Anteil im Zuge der zunehmenden Verwendung von Energiesparlampen und LED sogar noch weiter sinke. Zugleich wird für die abendliche Freizeitgestaltung in den eigenen vier Wänden mehr Strom verbraucht als in früheren Zeiten. Aus diesem Grund ergibt sich kein Einspareffekt.


[Die erhoffte Energieeinsparung bleibt aus.]

Offen bleibt, welche weiteren Vor- und Nachteile die Zeitumstellung mit sich bringt. „Ich finde es zwar gut, dass ich einmal im Jahr eine Stunde länger schlafen kann, aber auch blöd, dass ich einmal früher aufstehen muss. Probleme macht mir die Umstellung trotzdem nicht“, erklärte Jule Lindfeld, Schülerin des Homburgischen Gymnasiums Nümbrecht. Ganz anders sieht das allerdings Herbert Reul, Politiker und Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament. Seit über zehn Jahren setzt er sich für die Abschaffung der Zeitumstellung ein. Er ist der Überzeugung, dass es vielen nur schwer gelingt, ihren Rhythmus anzupassen. „Wir spielen mit der Gesundheit der Menschen. Die innere Uhr tickt unbedacht weiter“, so Reul.



Der Politiker ist überzeugt, dass ein Großteil der Bevölkerung aufgrund der jährlichen Umstellung an chronischem Schlafmangel leidet - was nicht nur der Leistungsfähigkeit am Tag selbst schadet, sondern auch langfristige Folgen verursachen kann. „Die Auswirkungen der Zeitumstellung auf die innere Uhr des Menschen sind deutlich mehr als bloß eine Stunde“, betonte Reul auf einer kürzlich stattgefundenen Veranstaltung zur Zeitumstellung im Europaparlament. Auch die Forsa-Umfrage der DAK zeigt, dass 62 Prozent der Teilnehmer an Schlafstörungen oder anderen Problemen, wie zum Beispiel Konzentrationsschwierigkeiten, leiden.

Allerdings gäbe es ohne die Zeitumstellung auch keine langen und vor allem hellen Sommerabende mehr. „Die meisten Menschen hätten am liebsten das ganze Jahr über die Sommerzeit“, so Matthias Habel, Meteorologe von WetterOnline. „Jedoch wäre eine ganzjährige Winterzeit biologisch gesehen viel gesünder für uns. Sie passt besser zu unserem Tagesrhythmus: Morgens wird es früher hell, was das Aufstehen erleichtert, und abends schneller dunkel, was beim Einschlafen hilft.“


[Auch Milchkühe müssen sich erst an die Umstellung gewöhnen.]

Mit dem menschlichen Konstrukt „Zeitumstellung“ müssen auch die Tiere umgehen: „Wenn man nach der Umstellung um 6 Uhr in den Stall kommt, ist es für die Kühe ja eigentlich erst 5 Uhr und man merkt, dass die Tiere noch müde sind. Der Milchertrag verändert sich zwar nicht gravierend, aber man muss sie phasenweise umgewöhnen und die Kühe brauchen zwei bis drei Wochen, um sich an den neuen Zeitrhythmus anzupassen“, erklärte Michael Baumhof, Landwirt aus Bergneustadt. Solange an der Sommerzeit festgehalten wird, bleibt Mensch und Tier also nichts anderes übrig, als sich an die Umstellung zu gewöhnen – auch wenn dies teils mehrere Wochen dauern kann.
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