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Alles 'Komödienstadel' oder was?

bv; 14. Sep 2016, 13:15 Uhr
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Alles 'Komödienstadel' oder was?

bv; 14. Sep 2016, 13:15 Uhr
Marienheide – In Marienheide eskaliert der Streit über die Ansiedlung eines Verbrauchermarkts – Sozialdemokraten drohen Ratsmitgliedern, UWG fordert Rücktritt von Bürgermeister Meisenberg.
Von Bernd Vorländer

Verschwörungstheorien haben eigentlich immer Hochkonjunktur, gerne im Internet, aber auch an Theken und im politischen Umfeld. So arbeitet derzeit Marienheide emsig an dem Ruf, die Kommune im Oberbergischen mit den meisten Zänkereien und den krudesten Theorien zu werden. Richtig, da war ja schon mal was. Bereits 2011 war es ein CDU-Mann, der mit seinen Mutmaßungen über lukrative Nebentätigkeiten von Gemeindebediensteten nicht nur für umfangreiche Prüfungen der Bezirksregierung sorgte, sondern das Auseinanderbrechen der CDU-Fraktion verursachte. Fünf Jahre später heißt es: Vorhang auf zu einem neuen Schauspiel „auf der Hei“. Die Akteure haben längst ihre Positionen bezogen, für manche ist die Rolle des bösen Buben – denn den braucht jedes erfolgreiche Stück – längst festgelegt. Die Zuschauerränge waren bei den Vorpremieren bereits gut gefüllt und der Vorhang hat sich bereits leicht gelüftet. Der Showdown der Premiere findet dann am kommenden Dienstag im Marienheider Ratssaal statt, der Raum dürfte aus allen Nähten platzen.


Das neue Stück ist eines für die ganze Familie, denn sicherlich gibt es wieder reichlich Gelegenheiten zum Schmunzeln und Ärgern, eine Mischung aus Volkstheater und Tragödie. Worum geht es? Jahrelang lag Marienheide in einem tiefen Dornröschenschlaf. Oder man kann es auch anders sagen – die Gemeinde hatte ein Aschenputtel-Image, denn die Kommune machte meist nur Schlagzeilen, wenn es mal wieder um die Höhe der Verschuldung ging. Doch inzwischen herrscht so etwas wie Aufbruchstimmung, die von dem in großer Eintracht gefassten Beschluss, mit einem Integrierten Handlungskonzept (IHK) den Ortskern aufzuwerten und Sünden der Vergangenheit zu beseitigen, gespeist wird. Dazu gehörte auch die Überlegung, fußläufig im Zentrum Einkaufsmöglichkeiten zu schaffen. Mehrere Investoren waren bereit, Geld in die hand zu nehmen.

Das Rennen wird vermutlich der Engelskirchener Hendrik Pilatzki, der in der Bahnhofstraße bereits einige Grundstücke erworben hat und dort einen Hit-Verbrauchermarkt errichten will, machen. Vermutlich wird die Drogeriemarkt-Kette Rossmann dann in das bisherige Rewe-Gebäude einziehen. Leer wird voraussichtlich der Investor Ulrich Lichtinghagen ausgehen, der neben dem Netto-Markt an der Hauptstraße einen dm-Drogeriemarkt ansiedeln wollte.

Ab diesem Zeitpunkt wird es spannend. Während CDU, FDP und wohl auch Grüne dem Pilatzki-Vorhaben positiv gegenüberstehen, haben SPD und UWG Vorbehalte. Mehr noch: Inzwischen wird aus allen Rohren gegen die Befürworter und auch Bürgermeister Stefan Meisenberg gefeuert. In einem Schreiben hat die SPD für die Ratssitzung am 20. September beantragt, die ebenfalls auf der Tagesordnung stehende Entscheidung über die Aufstellung eines Bebauungsplans für den Bereich des geplanten Verbrauchermarktes zurückzustellen.

Es bestehe überhaupt keine Zeitnot und deshalb könne zunächst die Fertigstellung der Planungen für das IHK abgewartet werden, das im Herbst vorliegen soll. Die Verwaltung sieht dies anders: „Die beantragte Änderung der Bauleitpläne ist aus dem städtebaulichen Grundkonzept abgeleitet, sodass von dem geplanten Bauvorhaben durchaus eine positive Anstoßwirkung für die Gesamtentwicklung von Marienheide ausgehen kann“, heißt es in dem Antrag zur Änderung des bestehenden Bebauungsplanes.

Doch die SPD belässt es nicht bei einem Antrag, sie droht auch den Ratskollegen, die anderer Auffassung sind. Mit einer Vorfestlegung werde eine Städtebauförderung gefährdet oder sogar verhindert und auch der finanzielle Aufwand für das IHK sei in Frage gestellt. Dadurch handele jedes Ratsmitglied „grob fahrlässig und macht sich schadenersatzpflichtig“, so SPD-Fraktionschefin Anke Vetter. Ein solcher Schadenersatz müsse zwingend von der Kommunalaufsicht durchgesetzt werden, setzt die Sozialdemokratin die übrigen Ratsmitglieder unter Druck.

Erheblichen Gegenwind für das Ansiedlungsvorhaben gibt es auch seitens der UWG. Dort hat seit kurzer Zeit der Polit-Novize Christian Abstoß das Sagen, der nach einem kurzen Aufenthalt in der CDU dort Mobbing-Vorwürfe äußerte, zur UWG wechselte und dort Fraktionsvorsitzender wurde. Die UWG sieht Bürgermeister Meisenberg tief verstrickt in den Untiefen eines Deals mit dem Investor Hendrik Pilatzki. Meisenberg handele eigenmächtig, informiere nicht umfassend und gefährde die Weiterentwicklung des Ortskerns. „Wir fordern Bürgermeister Meisenberg auf, die politischen Konsequenzen aus den eigenmächtigen Handlungen (evtl. Manipulationen), den vielfachen unzutreffenden Angaben, dem offenen Bruch von Versprechen und Zusagen zu ziehen und vom Amt des Bürgermeisters zurückzutreten“, heißt es in einem UWG-Antrag zur kommenden Ratssitzung. Bezug genommen wird hiermit auf eine Fraktionsvorsitzendenrunde mit dem Bürgermeister und dem Investor Pilatzki im Februar 2015, in der eine aus Sicht der Kritiker unzulässige Vorfestlegung auf das Bauvorhaben Pilatzkis stattgefunden habe.

Die Premiere des neuen Marienheide-Stückes am kommenden Dienstag beginnt um 18 Uhr im Rathaus, die Hauptrollen werden indes erst an diesem Abend vergeben.
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