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„In Oberberg ist die Welt noch relativ in Ordnung“

bv; 13. Sep 2016, 16:20 Uhr
Bild: Bernd Vorländer --- Jochen Hagt ist Landrat des Oberbergischen Kreises.
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„In Oberberg ist die Welt noch relativ in Ordnung“

bv; 13. Sep 2016, 16:20 Uhr
Gummersbach – Landrat Jochen Hagt im Interview zur im Landesvergleich geringen Kinderarmut in Oberberg – Abwanderungstrend aus der Region gestoppt - Nachfrage nach gewerblichen Immobilien wächst.
Von Bernd Vorländer

OA: In einer neuen Studie der Bertelsmann-Stiftung zur Kinderarmut in Deutschland schneidet Oberberg sehr gut ab. Lediglich 9,7 Prozent aller Kinder leben demnach in Haushalten mit Hartz IV-Bezug. Im NRW-Landesvergleich aller Städte und Kreise liegt die Region an fünfter Stelle. Wie kommt das?
Hagt: Dieses Ergebnis ist natürlich sehr erfreulich. Ich könnte auch die Zahl der Bedarfsgemeinschaften nennen, die von 10.600 im Jahr 2006 auf 7.600 im Jahr 2016 zurückgegangen sind. Oder die Zahl der Hilfebedürftigen im Hartz IV-Bezug, die in zehn Jahren von mehr als 20.000 Menschen auf  unter 15.000 reduziert wurde. Das zeigt deutlich: In Oberberg ist die Welt noch relativ in Ordnung.

Natürlich sind die Strukturen bei uns andere als etwa in Köln. Nehmen sie etwa die Zahl der Alleinerziehenden: Der Landesdurchschnitt liegt bei sieben Prozent, Köln ist bei neun Prozent, im Oberbergischen liegt die Zahl bei drei Prozent. Hier zahlt sich auch die Arbeit des Jobcenters aus, in der der Kreis ja auch mit eigenem Personal arbeitet und wo die kommunalen Aspekte eine besondere Rolle spielen - etwas anders jedenfalls als bei der Bundesagentur für Arbeit, die eher größere Strukturen im Auge haben muss. Es ist ein anderes Sich-Kümmern. Jobcenter und etwa das Kreissozialamt arbeiten eng zusammen – und die Erfolge, wie auch gerade von der Bertelsmann-Stiftung bestätigt, zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

OA: Hat die Region auch ein anderes soziales Selbstverständnis – etwa auch hinsichtlich der Verantwortung für den Nächsten ?
Hagt: Das ist so, in der Tat. Die Menschen in Oberberg haben ein besonderes Verantwortungsgefühl für die Gemeinschaft in den Dörfern und Stadtteilen, sie sind mehr noch als in großstädtischen Strukturen bereit, ihre Zeit für andere einzusetzen. Dieses ehrenamtliche Engagement  ist ein erheblicher Standortvorteil.


OA: Wie sehr trägt die Wirtschaftsstruktur der Region zu den guten sozialen Rahmenbedingungen bei?
Hagt: Die mittelständische Wirtschaft ist eben nicht nur unser Rückgrat, sondern der enge Draht hilft dann auch bei vielfältigen anderen Fragestellungen – auch im sozialen Bereich. Die Unternehmenslenker sind oft hier geboren, leben vielfach hier, sind eingebunden in die soziale Umwelt und empfinden eine ganz andere Verantwortung für den Standort, als große börsennotierte Konsortien. Das erzeugt ein gemeinschaftliches Miteinander, das mit Geld gar nicht zu bezahlen ist. Unsere Arbeitslosenquote liegt bei 5,5 Prozent, landesweit bei acht Prozent. Das sagt doch alles.

OA: Sie haben die guten sozialen, aber auch wirtschaftlichen Kennzahlen genannt. Profitiert eigentlich Oberberg in der Außendarstellung ausreichend von dieser Entwicklung?
Hagt: Sicher, es könnte alles immer besser sein, aber auch hier machen die Zahlen Mut. Der Trend, dass wir mehr Weg- als Zuzüge haben, ist gestoppt. Nach den neuesten Statistiken haben wir sogar ein leichtes Plus bei den Zuzügen. Unternehmer suchen Mitarbeiter und die Immobilien-Nachfrage zieht an - und das nicht nur in Top-Lagen. Die Konzentration auf  die Ballungsräume führt dazu, dass es auch eine Rückwärts-Bewegung in ländliche Räume gibt. Weil in Köln etwa die Immobilienpreise durch die Decke schießen, überlegen sich manche Familien, ob es nicht auch im weiteren Umfeld der Rheinschiene interessante Alternativen gibt. Und da scheint Oberberg verstärkt in den Fokus gerückt zu sein. Die Region ist für viel mehr Menschen attraktiver geworden.

OA: Was gibt es noch zu verbessern?
Hagt: Wir müssen den jungen Menschen in der Region immer wieder deutlich machen, dass hier Spitzenunternehmen beheimatet sind und sie sich hier fast jeden Berufswunsch erfüllen können. Das gilt es auch all denjenigen zu sagen, die hier aufgewachsen sind, woanders studiert haben und durchaus zurückkehrten könnten. Diesen Faden dürfen wir nicht abreißen lassen. Und – nicht zuletzt – wir könnten durchaus selbstbewusster sein und unser Licht nicht zu oft unter den Scheffel stellen  .
  
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