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Olympia bleibt eine fortwährende Herausforderung

Red; 25. Aug 2016, 10:00 Uhr
Bilder: privat --- Sportliche Höchstleistungen, Glück, Trauer, Armut: Rolf Faymonville und die deutschen Jugendlichen sammelten vielfältige Erfahrungen in Rio.
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Olympia bleibt eine fortwährende Herausforderung

Red; 25. Aug 2016, 10:00 Uhr
Engelskirchen - Diakon Rolf Faymonville aus Engelskirchen war als Olympia-Seelsorger mit den deutschen Athleten in Rio de Janeiro und berichtet auf Oberberg-Aktuell per Olympia-Tagebuch.
Viele Emotionen begleiteten diese Spiele: Siege und Niederlagen, Verletzung und Tod. Aber es sind auch die Gegensätze, die wir tagtäglich erlebten, die uns erschütterten und berührten. Wir besuchten drei Tage vor Ende der Spiele mit den jungen Athleten des Deutschen Olympischen Jugendlagers ein Projekt von Adveniat, das zur Aktion „Rio bewegt. Uns“ gehört. Kinder in den Favelas erhalten hier die Gelegenheit, Sport zu treiben – nicht bloß zum Zeitvertreib oder als Vergnügen – obwohl wir sahen, dass es ihnen riesigen Spaß machte. Die jungen Deutschen waren mit Eifer dabei. Sie schlossen die Kinder sofort in ihre Herzen und spielten miteinander Ball. Einer unserer Teilnehmer ist Rollstuhlbasketballer und weckte große Bewunderung, wie geschickt er mit dem Ball umging und den Korb traf. Alle hatten viel Freude am gemeinsamen Spiel.


Die Mitarbeiterin der Erzdiözese Rio, die mit Adveniat eng kooperiert, erklärte uns die Arbeit in diesem Projekt: Kinder aus der Favela lernen nicht nur, an der Bewegung Freude zu haben, sondern sie lernen mit dem Sport auch, Verantwortung zu übernehmen, Regeln und Vereinbarungen einzuhalten, sich einer Gemeinschaft einzuordnen. Sie erfahren, dass es Wege aus der Favela, Wege aus der Armut geben kann, wenn man sich für ein Ziel einsetzt.


[Deutsche Jugendliche und Kinder aus den Favelas fanden beim Sport schnell zueinander.]

Besonders talentierte Jugendliche werden mit Sportlern der brasilianischen Armee zusammengebracht und erhalten hier bessere Trainingsmöglichkeiten. Sie sehen dort auch, dass man sein Leben anders gestalten kann, als sie es täglich erleben. Nicht der hat Recht, der eine Waffe besitzt und Gewalt ausübt oder raubt; Familien müssen nicht aus Kindern bestehen, die Kinder bekommen. Geordnete und zuverlässige Strukturen im Alltag können ihnen helfen, Selbstbewusstsein aufzubauen, eigene Entscheidungen zu treffen, sich anzustrengen und Alternativen zu suchen. Und für manche ist es einfach auch die Möglichkeit, einmal etwas Leckeres zu essen und zu trinken.

Abends waren wir dann alle beim deutschen Botschafter eingeladen. Wir erlebten Gastfreundschaft in einer repräsentativen Residenz, gutes Essen, Gäste aus der gehobenen Gesellschaft, die mit uns die Athleten feierten. Welch ein Kontrast zum Vormittag! Die Jugendlichen erzählten, dass sie das sehr heraus-, fast überfordert, was sie in Rio alles erleben. Sie werden verändert nach Deutschland zurückkehren.

Olympia, das war eben nicht nur ein großartiges Sportevent. Das war auch die Begegnung mit anderen Ländern, Menschen und Kulturen. Olympia war eine Chance - nicht nur zur Steigerung eigener sportlicher Leistung, sondern auch zur Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit. Olympia bleibt die Herausforderung, Verantwortung zu übernehmen für Fairness, Frieden und Nachhaltigkeit. Der Sport muss nicht Selbstzweck sein, auch nicht Wirtschaftsfaktor und Unterhaltungsindustrie. Er kann vielmehr beitragen zu einer besseren Welt – wir müssen diese Chance nur sehen und nutzen.

Ich bin dankbar, dass ich dabei sein durfte. Ich bin froh über die kreative und partnerschaftliche Zusammenarbeit mit meinem evangelischen Kollegen Thomas Weber. Ich bin glücklich, so viele wunderbare Menschen getroffen zu haben. Aber ich bin auch bewegt vom Leid, das ich erlebt habe. Ich bin motiviert, mich für Gerechtigkeit und Fairness, Respekt und Menschenwürde einzusetzen. Und ich hoffe, viele dafür zu begeistern, daran mitzuarbeiten. Dann wird Olympia immer mehr zu dem, was es eigentlich sein will.
  
Rolf Faymonville, Rio de Janeiro
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