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„Ich bin persönlich enttäuscht“

bv; 29. Jun 2016, 12:50 Uhr
Bild: Bernd Vorländer --- Zahlreiche Bürger verfolgten die Sitzung des Rates im Zuschauerraum.
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„Ich bin persönlich enttäuscht“

bv; 29. Jun 2016, 12:50 Uhr
Marienheide – Marienheides Bürgermeister Stefan Meisenberg war ziemlich ungehalten nach einer turbulenten Ratssitzung über die mögliche Ansiedlung von Märkten im Ortskern.
Marienheides Bürgermeister Stefan Meisenberg war mächtig angefressen. „Diese Art und Weise des Umgangs ist keine vertrauensbildende Maßnahme. Persönlich bin ich sehr enttäuscht.“ Was war passiert, dass der ansonsten sehr umgängliche Rathauschef diese ernsten Worte wählte? Zuvor hatten ihn nämlich vor allem SPD und UWG in der Ratssitzung mit einem Fragen-Hagel gepiesackt, der sich um die Ansiedlung von Verbraucher- und Drogeriemärkten im Ortskern, Gespräche mit Investoren, vermeintliche Absprachen und Zeitabläufe drehte. Insgesamt zu 32 Fragen gab Meisenberg bereitwillig Auskunft und setzte noch eins drauf: Ausweislich einer ersten Übersicht seines privaten Kalenders habe es noch zahlreiche weitere Unterredungen und intensiven Austausch gegeben, denn das gehöre zu seiner Arbeit als Bürgermeister. „Ich würde mich freuen, wenn auch die Mitglieder der Ratsfraktionen, die hier Fragen stellen, ihre Termine in diesem Zusammenhang offenlegen würden“, so Meisenberg weiter.


Mit vielen Bürgern im Zuschauerraum hatte der Rat über das inzwischen hoch emotionalisierte Politikum einer Ansiedlung von Märkten in Marienheide gestritten. Der Ratssaal war prall gefüllt, viele Menschen mussten stehen. Zeitweise konnte man den Eindruck gewinnen, als ob es gar nicht mehr um die Sache selbst, sondern den Austausch von Boshaftigkeiten ging. SPD-Fraktionsvize Holger Maurer begründete für die Sozialdemokraten einen Aufstellungsbeschluss, um theoretisch einen dm-Markt an der B 256n zu ermöglichen. „Wenn wir das nicht machen, haben wir auf Jahre keinen Drogeriemarkt“, so Maurer, der im Verlaufe der Debatte ordentlich gegen die CDU holzte und Ratsfrau Victoria Jaeger anblaffte: „Da bin ich doch kompetenter als sie.“ Maurer ist Verwaltungsrichter.

In diesem Stil ging es munter weiter. UWG-Mann Wolfgang Schellberg lehnte sich weit aus dem Fenster, sprach von „Totalversagen“ der Verwaltung, weil sie dem Bürgerwillen keine Geltung verschaffe, sah geheime Kungeleien und prophezeite zu den Marktansiedlungen: „Einer nach dem anderen wird abspringen.“ FDP-Fraktionschef Jürgen Rittel betonte, dass es keinerlei Vorfestlegungen von Liberalen und CDU gegeben habe, man aber die Dinge nach vorne bringen wollte. „Wir haben versucht, den Ort aus dem Dornröschenschlaf zu wecken.“

Sein Pendant Carsten Jaeger von der CDU verdeutlichte, dass man vieles habe lesen und hören müssen, was jeder Realität entbehre. „Ratsmitglieder und sachkundige Bürger wurden kontinuierlich diffamiert, es wurde versucht, psychischen Druck auf uns auszuüben, wir wurden bedroht“, und es habe auch Bestechungsversuche gegeben. Ihn wundere das Ansinnen der SPD, denn im Bauausschuss habe man mehrheitlich beschlossen, den Antrag bis zur Vorlage des Integrierten Handlungskonzepts zu verschieben. Grünen-Chefin Kirsten Zander-Wörner war ziemlich konsterniert über die Form der Auseinandersetzung: „Es geht doch eigentlich um die Ortskernentwicklung und nicht um Privatinteressen.“

Der SPD-Antrag wurde schließlich bei elf Ja-Stimmen, 14 Gegenstimmen und zwei Enthaltungen abgelehnt. Das Ende der Debatte scheint jedoch noch lange nicht erreicht und – was schlimmer wiegt – das Tischtuch zwischen den Ratsparteien scheint mehr und mehr zerschnitten zu sein.

Kommentar: "Von Märkten, Mumpitz und Moneten"
  
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