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„Ich kann gut mit Hornochsen umgehen“

vma; 26. Jun 2016, 11:29 Uhr
Bilder: Vera Marzinski --- Gregor Gysi ist seit Oktober 2015 nicht mehr Fraktionsvorsitzender der Partei „Die Linke“, aber politisch bleibt er auf alle Fälle. Und so hatte er beim Gesprächsabend in Gummersbach viele Antworten und Erlebnisse zu breit gefächerten Themen parat.
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„Ich kann gut mit Hornochsen umgehen“

vma; 26. Jun 2016, 11:29 Uhr
Gummersbach - Politiker Gregor Gysi stellte sich im Victor’s Residenz-Hotel den Fragen von Michael Höhn vor fast 200 Gästen - Auch wenn er nicht mehr an der Spitze der Linkspartei steht, ist er ein Publikumsmagnet.
Es mussten noch Stühle nachgestellt werden, damit alle Gäste Platz fanden, die den ehemaligen Linken-Chef sehen und hören wollten. In einem moderierten Gespräch mit dem Wiehler Buchautor und ehemaligen Pfarrer Michael Höhn zeigte Gregor Gysi sich – wie man ihn kennt – eloquent, humorvoll und mit offenen und gradlinigen Äußerungen zu allen angesprochenen Themen. Vorab teilte er schon mal mit „Sie müssen damit rechnen, dass ich sowieso antworte, was ich will“.




[Gysi ist humorvoll und hat viel Charisma – das erlebten die Gäste bei seinem Besuch in Gummersbach.]

Ob persönliche oder politische Fragen – Gysi holt gerne aus, aber so, dass der Hörer gut folgen kann und es verständlich und kurzweilig ist. Seine Laufbahn: erst Rinderzüchter, dann Rechtsanwalt, Mitglied der SED-Nachfolgepartei PDS, anschließend Bundestags-abgeordneter und als Linker zählte und zählt er zu den beliebtesten deutschen Politikern. Nach seinem Rückzug aus der Linken-Spitze gelte er nicht mehr als „Vertreter der Linken“, sondern als Individuum. Aber politisch wahrnehmbar wolle er auf alle Fälle bleiben, betonte Gysi. Das bekannteste Gesicht der Linken bescherte mit seiner brillanten Rhetorik einen kurzweiligen und hochinteressanten Abend. Ob Brexit („Das Erpressungsspiel Großbritanniens hat nicht funktioniert“) , die Entwicklung der EU („Die EU muss demokratischer und transparenter werden“), dem Status der Linken („mittlerweile etabliert, aber noch nicht Gestaltungspartei“) - er hat zu allem seine Meinung. Was ihm Sorgen macht, ist die Rechtsentwicklung und die dadurch entstehende Gefahr für die Europäische Union.

Was er für den Sinn seines Lebens ansehe, wollte Michael Höhn von Gysi wissen. Armut möchte er überwinden und Ziel sei es, Chancengleichheit für Kinder herzustellen: „Davon sind wir meilenweit entfernt“. In der Politik habe man eine Chance, die man nutzen müsse: den Zeitgeist verändern. Als er den Mindestlohn ansprach, waren alle gegen ihn – jetzt habe ihn sogar die CSU mit beschlossen. Wichtig sei es, engagierte Leute zu haben, die dran bleiben.


[Im Gespräch mit Michael Höhn erzählte aus seinem Privat- und Politikerleben.]

Im zweiten Teil des Abends ging er auf vorab eingereichte Fragen ein. Von Drogenpolitik, über den schlechten Ruf des „politisch sein“ („Politiker müssen sich Gedanken machen, wie man Nähe zu Bürgern schafft“), die Wirtschaft und der Stand der Arbeitnehmer, das Flüchtlingsthema („Der sicherste Weg ist, die Fluchtursachen zu bekämpfen“), Israel und Palästina sowie das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP).


[Voll besetzt war der Saal im Victor’s Residenz-Hotel am Samstagabend.]

Gregor Gysi ist nie verlegen um Antworten und schelmische Bemerkungen – zur Frage nach seiner Ausbildung zum Rinderzüchter kommentiert er: „Ich kann gut mit Hornochsen umgehen“. Kein Wunder, dass er vom Aachener Karnevalsverein mit dem "Orden wider den tierischen Ernst" ausgezeichnet wurde -  ein Kulturpreis für Humor und Menschlichkeit im Amt. Sein neuestes Buch „Ausstieg Links?“ kam nur am Rande zur Sprache, aber in der Pause signierte er viele Exemplare und machte mit den Gästen Selfies. Zum guten Schluss verriet Gregor Gysi den Gästen sein Lebensmotto: „Ich bin wild entschlossen, das Alter zu genießen!“, denn man werde erst mit 50 Erwachsen - bis 49 habe man noch die letzten Privilegien der Jugend und die Privilegien des Alters würden erst mit 60 beginnen, so der heute 68-Jährige schmunzelnd.
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