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ONI investiert eine Million Euro in Asylbewerber

bv; 6. Jun 2016, 15:09 Uhr
Bilder: Bernd Vorländer --- Wolfgang Oehm war umringt von jungen Flüchtlingen, die von der unkomplizierten Art des Unternehmers sehr angetan waren.
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ONI investiert eine Million Euro in Asylbewerber

bv; 6. Jun 2016, 15:09 Uhr
Lindlar – Firmenchef Wolfgang Oehm zahlt Sprachkurse für 50 Menschen, bietet acht Flüchtlingen eine Ausbildungsmöglichkeit in seinem Unternehmen und will Kollegen dafür begeistern, es ihm gleichzutun.
Von Bernd Vorländer

Diese Geschichte ist irgendwie typisch für Wolfgang Oehm. Der geschäftsführende Gesellschafter des Lindlarer Energiespar-Unternehmens ONI hat wieder einmal eine unkonventionelle Idee umgesetzt, weil er von deren Sinn und der gesellschaftlichen Notwendigkeit überzeugt ist. Alles begann mit einem Gespräch, in dem zwei Mitarbeiterinnen der Gemeinde Lindlar nachfragten, ob es möglich sei, dass ONI Praktikumsstellen an Asylbewerber vermitteln könne.


[Wissbegierig nahmen die Asylbewerber alle Erklärungen auf, die ihnen von den ONI-Auszubildenden gegeben wurden.]

Oehm zog die Stirn in Falten und erwiderte, dass dem in den allermeisten Fällen die Sprachbarriere entgegenstehe. Doch eigentlich war er von der Idee auch fasziniert. „Diese Menschen haben oft die Hölle hinter sich. Dann haben sie ihr Leben nach Deutschland retten können – und hier erleben sie dann Stillstand“, skizziert der Unternehmer den Umstand, dass die Möglichkeiten für Sprachkurse vielerorts fehlen und die Asylverfahren viel zu lange dauern. Häufig kann noch nicht einmal ein Antrag gestellt werden, weil die deutschen Behörden völlig überlastet sind.


Oehm wollte das Ansinnen der Gemeinde-Mitarbeiterinnen nicht einfach ablehnen, also handelte er. Einen Sprachkurs für 16 Teilnehmer werde er finanzieren, teilte er den verblüfften Gemeindebediensteten mit. Am Ende wurden es gar drei Kurse, die Oehm aus eigener Tasche bezahlte. So pauken heute 50 Asylbewerber täglich deutsch, um möglichst schnell in die Gesellschaft integriert werden zu können. Ohne ONI würden alle weiterhin warten müssen, ehe sie in einer fernen Zukunft einen Sprachkurs absolvieren könnten. Aber Oehm ging noch weiter und überraschte sogar den Führungsstab im eigenen Unternehmen, der eigentlich den Erfindungsreichtum und die Lust des Firmenchefs, Neues auszuprobieren, schon kennt. Urssprünglich waren in diesem Jahr bereits alle Ausbildungsplätze bei ONI vergeben. 36 junge Mitarbeiter der insgesamt 380 Beschäftigten lernen bei dem Lindlarer Unternehmen. Oehm will jedoch acht Asylbewerbern zusätzlich die Chance auf eine Ausbildung eröffnen und lässt sich das über eine Million Euro kosten. Ein weiterer Ausbilder muss gefunden und entsprechende innerbetriebliche Infrastruktur aufgebaut werden.


[Im Unternehmen erhielten die Flüchtlinge einen ersten Eindruck, wie ONI Energiespartechnik fertigt.]

Heute schauten die Sprachschüler, von denen acht die Chance bei ONI erhalten, bei ihrem Förderer vorbei, ließen sich über die ONI-Philosophie informieren und schauten sich im Betrieb um. Ibrahim Sheriff ist bereits seit geraumer Zeit im Unternehmen tätig. Der Mann aus Sierra Leone gelangte motiviert und mit einer universitären Ausbildung nach Deutschland, kam aber nicht vom Fleck, weil die Kosten für einen Deutschkurs sein Budget sprengten. Sein Glück hat er bei ONI gefunden. „Das ist hier wie ein Lottogewinn, hier kann man alles lernen“, freute er sich darüber, dass ihn das Schicksal ins Oberbergische verschlagen hat.

Wolfgang Oehm fördert nicht nur, er fordert auch. „Für mich ist das Wichtigste der Charakter. Wer bei uns arbeitet benötigt eine positive Lebenseinstellung, Ehrgeiz und Loyalität“, so der Firmenchef. Zudem müsse man immer zu sachlicher Selbstkritik bereit sein. Da gehe er als gutes Beispiel voran, sagt Oehm. Er hinterfrage sich täglich, ob er Dinge nicht noch besser machen könne. In der Ausbildung achte man auf Zielstrebigkeit, zur Not werde vor Prüfungen wochenlang gepaukt. „Bei uns ist noch nie einer durch die Prüfung gerasselt“, sagt Oehm. Im Gegenteil, ONI stellt Landes- wie Bundessieger und wurde von der Industrie- und Handelskammer als Top-Ausbildungsbetrieb ausgezeichnet.


[Wolfgang Oehm kümmerte sich selbst um die Asylbewerber und beantwortete Fragen.]

Die Motivation des ONI-Gründers ist eine zweifache: Zum einen berührt ihn das Schicksal der Menschen. Er freue sich, wenn er anderen eine Freude bereiten könne. Zum anderen hat er ganz pragmatische Gründe für sein Handeln: „Je eher diese Menschen Steuern zahlen, statt von Steuern zu leben, umso besser ist es.“ Jetzt will Oehm mit Unternehmer-Kollegen sprechen und sie ebenfalls dafür begeistern, der Herausforderung, vor der Deutschland steht, mit entschlossenem Handeln zu begegnen.

Kommentar: "Einer handelt, viele warten ab"


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