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Digitaler Nachlass – Wer erbt den Facebook-Account?

Red; 21. May 2016, 10:00 Uhr
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Digitaler Nachlass – Wer erbt den Facebook-Account?

Red; 21. May 2016, 10:00 Uhr
Oberberg - Oberberg-Aktuell informiert in dieser Rubrik über Rechtsfragen - Der Service wird präsentiert von Fincke Rechtsanwälte Bergneustadt - Diesmal geht es um soziale Netzwerke.
Facebook, Twitter, Xing oder Instagram – jeder von uns benutzt oder kennt die sozialen Netzwerke. Persönliche Dinge werden gepostet, Bilder geteilt und vieles mehr. Die Datenschützer schlagen schon länger Alarm. Was passiert aber mit diesen Sachen nach dem Tod? Wer darf über sie bestimmen?

Aus dem Erbrecht kennen wir den Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge. Alle Vermögensgegenstände, Verträge etc. des Verstorbenen gehen auf den oder die Erben über (siehe auch RechtEck vom 31. Oktober 2015). Dann müsste es doch auch klar sein, dass ein Internet-Account, die Facebook-Seite usw. auch den Erben zusteht.

So einfach ist es aber nicht. Hiermit musste sich das Landgericht Berlin in einem tragischen Fall auseinandersetzen: Unter bisher ungeklärten Umständen wurde ein junges Mädchen von einer U-Bahn erfasst und verstarb später im Krankenhaus. Sie wurde von ihren Eltern im Wege der gesetzlichen Erbfolge beerbt. Die Tochter war auf Facebook sehr aktiv. Mit Zustimmung ihrer Mutter hatte sie sich bei dem Internetdienst registriert und ein Account eingerichtet. Die Mutter kannte auch die Zugangsdaten.

Nach dem Tod ihrer Tochter wollte sie über die Facebookseiten Hinweise über mögliche Absichten und Motive eines etwaigen Selbstmordes ihrer Tochter erfahren. Sie gab die Daten ein – aber ohne Erfolg. Der Account war in den sogenannten Gedenkzustand versetzt worden – ein Zugang zu dem Benutzerkonto war nicht mehr möglich. Auch auf Aufforderung hin verweigerte Facebook der Mutter den Zugang u.a. auch unter Hinweis auf die damaligen Nutzungsbedingungen. Die Mutter entschloss sich zur Klage gegen Facebook. Der Einwand von Facebook: die Daten können nicht vererbt werden, sie sind digital und nicht mit klassischen Postdienstleistungen zu vergleichen. Auch der Datenschutz sei zu beachten, ebenso das sogenannte postmortale Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen.

Dieser sperrige Begriff hat es tatsächlich in sich. Das auf Art. 1 GG beruhende Persönlichkeitsrecht soll auch die Würde eines Verstorbenen schützen. Dieser Schutz ist auch wichtig, könnten doch sonst die Erben das Profil auf Facebook weiterführen und durch Beiträge, Likes etc. dessen Persönlichkeit auch nach dem Tod prägen oder gar ändern. Auch wenn die nahen Angehörigen oft die Erben sind und so ein Gleichlauf der Schutz-Interessen besteht, gibt es doch auch Fälle, wo eine ganz andere - vielleicht auch unliebsame - Person Erbe werden kann.

Abschließend mussten sich die Berliner Richter nicht damit beschäftigen. Weil das Kid noch minderjährig war, wurde dieses Recht der verstorbenen Tochter von ihrer Mutter als sorgeberechtigtem Elternteil verwaltet. Ausführlich begründete das Gericht auch, dass der Datenschutz hier hinter dem Erbrecht zurücktreten muss. Egal ob deutsches oder irisches Datenschutzrecht – die Beklagte Facebook ist u.a. in Irland ansässig – einschlägig sei.

Aber können digitale Daten, welche in einer ominösen Cloud gespeichert sind, tatsächlich vererbt werden? Ja sagt das Landgericht Berlin: eine Aufspaltung in einen digitalen und einen analogen Nachlass sei nicht zulässig. Der Gesetzgeber habe schon früh geregelt, dass z.B. „Familienpapiere und Familienbilder“ vererbt werden können. Darunter fallen auch Briefe oder Tagebücher unabhängig von ihrem teils höchstpersönlichen Inhalt. Genauso müsse dies dann auch für private Facebook-Seiten oder E-Mails gelten. Ob ein digitales oder eine herkömmliches Tagebuch vorliege, dürfe keinen Unterschied machen.

Der Anspruch auf Zugang zu diesen Daten beziehungsweise dem Benutzerkonto kann dagegen problemlos vererbt werde: Es wurde ja bei der Anmeldung ein Nutzungsvertrag mit Facebook abgeschlossen. Dies sich aus diesem Vertrag ergebenden Rechte und Pflichten gehen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben über – können also geltende gemacht werden.

Eine überzeugende Ansicht des LG Berlin ( Urteil vom 17. Dezember 2015 - Az 20 O 172/15). Ob das Urteil hält? Die Facebook Ireland Ltd. ist jedenfalls in Berufung gegangen. Die Entscheidung der höheren Instanz (KG Berlin  Az 21 U 9/16) steht noch aus.


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