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Ein roter Schlitten

Red; 19. Mar 2016, 10:00 Uhr
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Ein roter Schlitten

Red; 19. Mar 2016, 10:00 Uhr
Oberberg - Oberberg-Aktuell informiert in dieser Rubrik über Rechtsfragen - Der Service wird präsentiert von Fincke Rechtsanwälte Bergneustadt - Diesmal geht es um einen Erbschaftsstreit.
Von Andreas Günther, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht

Immer wieder gibt es Streit ums Erbe – zuletzt in aller Munde war der Fall der Märchenkaiserin Soraya, der Frau des letzten Schah von Persien. Hier hat das OLG Köln in einem langen Verfahren klären müssen, wer überhaupt Erbe geworden ist. Soraya hat Ihren Bruder als Erben eingesetzt, dieser starb aber schon kurz nach ihr – ohne ein „richtiges“ öffentliches Testament oder einen Erbvertrag gemacht zu haben. Was nun?  Wie können Personen, die meinen, ihnen steht ein Erbrecht oder Ansprüche an dem Nachlass zu, diese geltend machen? Erster Schritt der Prüfung: gibt es –  vereinfacht ausgedrückt – irgendetwas, woraus der Wille des Erblassers hervorgeht. Ein Dokument, Aufzeichnungen usw., welches als letztwillige Verfügung taugt.

Falls ja, muss dann überprüft werden, ob das Schriftstück den notwendigen Formvorschriften des BGB entspricht. So verlangt das BGB beim eigenhändigen Testament eine „eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung“ des Verstorbenen. Das ist keine Gängelung des Gesetzgebers, sondern es muss ja für jeden eindeutig klar sein, wer das Testament geschrieben hat. Dies kann man auch mit einem Schriftsachverständigen überprüfen.  Ist diese Hürde überwunden, muss geklärt werden, was der Wille des Erblassers ist. Meint er jenes, was er geschrieben hat auch tatsächlich so? Oder meint er etwas anderes?

Und schon sind wir beim Schulbuchfall:  Onkel Wolfgang liebt schnelle Fortbewegungsmittel – ob auf hartem Asphalt oder weichem Schnee. In seiner Garage steht ein alter roter Ferrari 250 GTO. Daneben – in einem Regal – steht  ein alter roter  Holzschlitten. Mit dem ist er  früher Skeleton-Rennen gefahren. Sein Neffe Niki ist Automechaniker und pflegt seit Jahren kostenlos und mit Hingabe den Ferrari seines Onkels; manchmal fahren sie auch bei schönem Wetter auf den Nürburgring und drehen ein paar Runden. Onkel Wolfgang sagt dann immer: „Wenn ich einmal sterbe, bekommst Du den Ferrari!“ – den er auch liebevolle „seinen alten roten Schlitten“ nennt.

Es kommt wie es kommen muss: Wolfgang stirbt. Es taucht ein Testament auf – formwirksam. In dem steht: “Alleinerbe wird mein Sohn Luca. Meinem Neffen Niki vermache ich den roten Schlitten aus der Garage“!

Niki verlangt von Luca den Ferrari heraus. Es geht vors Gericht. Das muss nun das Testament auslegen. Ein schwieriges Unterfangen und der Ausgang ist schwer vorherzusagen. Es ist nun der wirkliche Wille des Erblassers herauszufinden. Grundlage für diesen „inneren“ Willen ist zunächst der Inhalt der Testamentsurkunde – also der Wortlaut. Aber auch außerhalb des Dokuments liegende Umstände müssen zur Auslegung herangezogen werden. So z.B. Aussagen des Erblassers bei der Testamentserrichtung oder auch zu einem späteren Zeitpunkt. Gibt es etwa weitere Schriftstücke und Aufzeichnungen, in denen der Wille angedeutet ist. Hat in der Boxengasse des Nürburgrings jemand die Äußerung vom „roten Schlitten“ gehört? Der Bundesgerichtshof hat immer wieder entschieden, dass sich die Auslegung nicht auf die bloße Analyse des Wortlautes beschränken darf. Dann hätte Niki wohl keine Chance, denn der Ferrari ist ein Auto – kein Schlitten. Er muss den Beweis erbringen, dass es der subjektive Wille von Onkel Wolfgang war, dass er gerade den Ferrari bekommen sollte und nicht nur den Rodelschlitten.

Auch im Soraya-Fall musste das OLG Köln (Entscheidung vom 22.02.2016, Az. 2 Wx 12/16) auslegen und sich den Kopf zerbrechen. Ergebnis: In seinem Notizbuch hatte Fürst Bijan Esfandiary (Sorayas Bruder) seinen Privatsekretär und Chauffeur als Erben eingesetzt. Da er nachweislich den Text selber geschrieben und auch eigenhändig unterschrieben hatte, war die Erbeinsetzung gültig. Wem würden Sie nun unseren Schlitten zusprechen?


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