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AWO muss sich von Einrichtungen trennen

db; 22. Jan 2016, 15:35 Uhr
Symbolfoto: Nils Hühn --- Ein Gruppenraum eines Kindergartens.
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AWO muss sich von Einrichtungen trennen

db; 22. Jan 2016, 15:35 Uhr
Oberberg – Der AWO-Kreisverband wird wohl die Trägerschaft von einigen Kindertagesstätten und Ganztagsschulen abgeben müssen – Grund sind gestiegene Personalkosten infolge der Tarifverhandlungen – Hilferuf an die Politik.
Von Daniel Beer

Schon in der kommenden Woche wird sich der AWO Kreisverband Rhein-Oberberg mit kommunalen Jugendämtern zusammensetzen und über die Abgabe der Trägerschaft von Einrichtungen verhandeln. Es wird Kindertagesstätten, Offene Ganztagsschulen und andere Einrichtungen betreffen, die dann wohl ab Sommer einen neuen Träger bekommen würden. Welche und wie viele genau, sagten AWO-Geschäftsführerin Martina Gilles und AWO-Kreisvorsitzende Beate Ruland im kurzfristig einberufenen Pressegespräch heute Vormittag noch nicht. Beide betonten aber mehrfach: „Die Situation ist dramatisch.“ Ohne Sofortmaßnahmen würde der Kreisverband über kurz oder lang in finanzielle Schieflage geraten.



Was ist passiert? Kurz gesagt: Dem Kreisverband fehlt das Geld, um die gestiegenen Personalkosten zu bezahlen. Die lange Version ist etwas komplizierter: Der AWO Kreisverband Rhein-Oberberg bezahlt seine Erzieher nach dem sogenannte Tarifvertrag „TVöD kommunal“ – und damit deutlich besser als andere Kitabetreiber in Oberberg und auch NRW-weit. Nach TVöD war für 2015 ein Gehaltsplus von 2,5 Prozent vorgesehen. Durch die außerordentliche Tarifeinigung infolge des Kita-Streiks im vergangenen Jahr stünden den Mitarbeitern noch einmal zusätzlich 4,5 Prozent mehr Geld zu, rückwirkend zum Juli 2015. Allein Letzteres würde für den Kreisverband eine zusätzliche finanzielle Belastung von 870.000 € pro Kindergartenjahr bedeuten. Die nächste Tariferhöhung um etwa drei Prozent im TVöD erwarten die Verantwortlichen für März.

Das Problem ist die Refinanzierung, denn gleichzeitig sollen die Landeszuschüsse lediglich von 1,5 auf 3 Prozent steigen und das auch erst ab August 2016. So viel Zeit hat der Kreisverband aber nicht und drängt in einem Schreiben an die Politik auf eine schnelle Lösung. Wer schon vor dem Streik gut bezahlt hat, wird durch den Tarifabschluss nun extrem belastet. Schon im Mai vergangenen Jahres machte Gilles auf das Problem der Refinanzierung aufmerksam (OA berichtete). In den vergangenen Wochen und Monaten haben die AWO-Verantwortlichen mit Unterstützung einer externen Wirtschaftsberatung nach internen Lösungen gesucht. Neben der bereits erwähnten Abgabe von Einrichtungen müssten die Mitarbeiter unter anderem ihre Zustimmung geben, auf die 4,5 Prozent Gehaltsplus zu verzichten.

„Wir nehmen keinem etwas weg“, betonte Gilles. Einen Ausstieg aus dem TVöD schließt die Geschäftsführerin aus. Von Therapeuten in den Kitas musste sich die AWO trennen. Weiterer Stellenabbau komme aber nicht in Frage. „Die hohe Qualität unserer Einrichtungen ist uns wichtig“, sagte Ruland, diese gelte es zu erhalten. Beim zuständigen NRW-Familienministerium seien die Schwierigkeiten bekannt. Es bewegt sich aber nichts. „Die Anforderungen an die Erzieher werden immer größer, es will nur keiner bezahlen“, so Gilles. Als gemeinnützige Organisation arbeitet die AWO nicht profitorientiert. Mit Rücklagen könnte höchstens ein bisschen Zeit gewonnen werden.

Kurzfristig braucht der Kreisverband also eine Finanzspritze. Langfristig hoffen Gilles und Ruland auf die geplante Neufassung des Kinderbildungsgesetzes im Jahr 2019. Der AWO Kreisverband Rhein-Oberberg betreibt unter anderem 52 Kindertagesstätten, 13 Offene Ganztagsschulen und drei Jugendzentren in beiden Kreisen.
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