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Advent beim Bäcker

Red; 20. Dec 2015, 23:02 Uhr
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Advent beim Bäcker

Red; 20. Dec 2015, 23:02 Uhr
Oberberg - Und wieder redet unser 'Drickes' Klartext. Liebenswürdig, direkt und nachdenklich spießt er den Alltag auf. Heute geht es um die alltägliche Armut.

Es ist gemütlich warm im Bäckerladen. Deshalb ist der Mann froh, noch ein paar Leute vor sich zu haben. Auch liebt er den Geruch des gebackenen Brotes. Gut, hier zu stehen und nicht so schnell in die Kälte und den Regen zurück zu müssen. Langsam rückt er vor.

„Was hätten sie gern?“, fragt die junge Verkäuferin.  „Ein Brot bitte“. Sie nimmt einen Laib aus dem Regal und legt ihn auf die Theke. „Möchten Sie auch eine Brotkarte?“ Er kann einen Moment nicht sprechen vor Überraschung. Eine Brotkarte, was sagen die da?  „Ja“, gelingt es ihm zu antworten, „und  geben Sie mir bitte auch noch eine Tasse Kaffee.“

Er geht zu dem Stehtisch am Fenster, das Glas ist unbeschädigt und so weht der Wind nicht herein wie bei ihm zu Hause. Er nimmt  einen Schluck von dem heißen Kaffee. Er spürt die Wärme, die sich in seinem Bauch ausbreitet.  Eigentlich kann er sich den Kaffee nicht leisten, aber das ist ihm jetzt gleichgültig. Eine weitere Brotkarte. Das bedeutet, jeden Tag eine dicke Scheibe Brot mehr für seinen kleinen Sohn, der immer so ruhig und blass ist, das es schmerzt, ihn anzusehen.

Und seine Frau kann abends Brot essen, bis sie satt ist. Sie wird nicht mehr nachts vor Hunger aufwachen und  ganz still neben ihm im Bett liegen und tun, als ob sie schlafe. Er hat  neben ihr gelegen, nicht gezeigt, dass auch er wach ist, denn was sollte er ihr sagen. Er liegt da, neben seiner Frau, die vor Hunger nicht schlafen kann, und er kann ihr nicht helfen. Wenn er doch Arbeit hätte, dann könnte er auf dem Schwarzmarkt etwas kaufen. Doch jetzt ist ihm dieser schwarzhaarige Engel begegnet, diese junge Frau, die weiter die Kunden bedient. Und schenkt ihm eine Brotkarte.

Ja, er muss ja noch bezahlen. Die junge Frau lächelt ihn  an: „Ein Mehrkornbrot und einen Cappuccino, 5 Euro 40 bitte“.
  
Schöne Weihnachtsgrüße

Ihr Gast-Drickes

Lutz Kliche
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