Archiv

Erbe ausgeschlagen und alle Sorgen los?

Red; 31. Oct 2015, 10:00 Uhr
ARCHIV

Erbe ausgeschlagen und alle Sorgen los?

Red; 31. Oct 2015, 10:00 Uhr
Oberberg - Oberberg-Aktuell informiert in dieser Rubrik über Rechtsfragen - Der Service wird präsentiert von Fincke Rechtsanwälte Bergneustadt - Heute geht es um die Erbschaft.
Von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Andreas Günther
  
„Generation Erbschaft“, dass ließt man immer wieder. Eine Erbschaft kann Glück bringen… oder auch nicht. Was, wenn aus dem erhofften Geldsegen nichts wird? Wenn das Konto leer – oder schlimmer noch - überzogen ist?  Dem Erben fällt nämlich nicht nur das Vermögen zu, nein, er erbt auch die Schulden. Der Gesetzgeber hat bestimmt, dass der Erbe auch für die Nachlassverbindlichkeiten haftet. Hierzu gehören alle Schulden, die der Verstorbene angehäuft hat: der noch offene Kredit, nicht gezahlte Rechnungen, nachehelicher Unterhalt der geschiedenen Frau usw. Der Erbe trägt auch die Kosten der Beerdigung des Erblassers (§ 1968 BGB).

Beim Tod eines nahen Angehörigen fällt es oft schwer, kühlen Kopf  zu bewahren. Es gilt aber, sich schnell einen Überblick über Soll und Haben zu verschaffen. Zeichnet sich ab, dass der Nachlass überschuldet ist, sollte der Erbe überlegen, ob er irgendwie seine Haftung beschränken kann, z.B. ob er die Erbschaft nicht besser ausschlägt. Tut er dies, hat er mit der Sache nichts mehr zu tun. Er ist dann nicht Erbe geworden. Hier gilt es aber schnell zu sein. Lediglich 6 Wochen beträgt die Frist für die Ausschlagung der Erbschaft, gerechnet in der Regel ab Kenntnis von dem Tod des Erblassers. Auch sind besondere Formvorschriften für die Erklärung zu beachten. Hat der Erbe diese Hürden überwunden, ist er die Schulden alle los.

Kann sich ein Erbe so all seinen Pflichten entziehen, etwa auch den Beerdigungskosten?

In unserem Fall kümmert sich der Sohn S um nichts, schließlich lehnte der Vater schon jahrelang jeden  Kontakt zum ihm ab; der  Erblasser wollte vom Sohn nichts mehr wissen (siehe auch RechtEck Elternunterhalt vom 22.03.2014). Da sonst kein Angehöriger vorhanden ist, muss die Beerdigung von der Gemeinde organisiert werden – diese beauftragt den Bestattungsunternehmer. Jetzt fordert die Gemeinde die Beerdigungskosten vom Sohn  zurück, weil der Nachlass überschuldet ist. In der Zwischenzeit hat dieser aber die Erbschaft ausgeschlagen. S  weigert sich zu zahlen – da er ja nicht Erbe  geworden sei und nur der Erbe für die Kosten der Beerdigung herhalten muss.

Ohne Erfolg. Hier hat der Gesetzgeber vorgesorgt. Er hat die Bestattungspflicht festgeschrieben. In NRW gilt hierzu das Gesetz über das Friedhofs- und Bestattungswesen. Danach sind „zur Bestattung verpflichtet … in der nachstehenden Rangfolge Ehegatten, Lebenspartner, volljährige Kinder, Eltern, volljährige Geschwister, Großeltern und volljährige Enkelkinder (Hinterbliebene).“

Die Stadt kann also die Erstattungskosten von dem Sohn zurückfordern – ob er die Erbschaft ausgeschlagen hat oder nicht, spielt dabei keine Rolle.  Hier verdrängt das öffentliche Recht das Erbrecht. Die ordnungsrechtliche Bestattungspflicht beruht auf einem eigenständigen öffentlich-rechtlichen Rechtsgrund; sie dient der Gefahrenabwehr und findet ihren tradierten rechtlichen Grund in der Totenfürsorge (so das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen  in einer Entscheidung vom 22.07.2015  Az. 19 A 2438/13) Ein kleiner Ausweg bleibt dem Sohn noch: Er kann beim Sozialamt einen Antrag auf Übernahme der Bestattungskosten stellen, wenn wegen des Verhaltens seines Vaters sog. Unzumutbarkeit vorliegt. Sorgenlos ist er also nicht.

Übrigens: Der Sohn muss bei der Ausschlagung auch noch mehr beachten. Hat er z.B. selber schon Kinder, treten diese an seine Stelle und beerben den (Groß-)Vater. Auch die Enkel müssen dann die Erbschaft ausschlagen.


WERBUNG