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Beim Sterben begleiten - oder helfen?

fk; 23. Oct 2015, 16:32 Uhr
Bilder: Friederike Klein.
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Beim Sterben begleiten - oder helfen?

fk; 23. Oct 2015, 16:32 Uhr
Waldbröl - Großes Interesse an der Podiumsdiskussion zum Thema „Sterbehilfe - Sterbebegleitung“ der Johanniter im evangelischen Gemeindehaus.
„Sterbehilfe – Sterbegleitung“ war das Thema der Podiumsdiskussion, zu der die Johanniter in das evangelische Gemeindehaus Waldbröl anlässlich des zehnjährigen Bestehens ihrer Hospizarbeit eingeladen hatten. „Jeder Schritt im Leben ist ein Schritt dem Tod entgegen“ zitierte Ulrich E. Hein zum Auftakt den französischen Dramatiker und Bühnendichter Pierre Corneille. Sein „Gedankenexperiment“ als „Bundesbeauftragter für Lebensfragen“ zeigte anschaulich den Wandel im Lauf der Zeit und im Leben jedes Einzelnen auf. So sei früher der Gedanke an einen schnellen Tod furchtbar gewesen, heute jedoch der Wunsch von vielen.


[Ulrich E. Hein trat als „Bundesbeauftragter für Lebensfragen“  auf.]

Darf man einem todkranken Menschen beim Sterben helfen? Oder kann man ihm auf dem letzten Lebensweg die Angst und die Schmerzen dank einer palliativen Versorgung so weit lindern, dass sein Wunsch nach einem Suizid schwindet? Mit diesen Fragen beschäftigt sich auch der Bundestag, der im kommenden November über eine gesetzliche Regelung der Suizidhilfe entscheidet. „Über zwei Drittel der Bevölkerung wüschen sich bei schwerster Erkrankung die Möglichkeit, auch mit ärztlicher Hilfe ihr Leiden abkürzen zu können“, erklärt die Deutsche Gesellschaft für humanes Sterben (DGHS). Sie möchte daher nicht, dass Sterbehilfe strafgesetzlich verfolgt wird.     



Gegen alle Formen der gewerblichen und organisierten Beihilfe zum Selbstmord spricht sich dagegen der Deutsche Hospiz- und Palliativverband aus: „Eine Normalisierung der Beihilfe zur Selbsttötung würde den Druck auf kranke und alte Menschen erhöhen, anderen nicht zur Last fallen zu wollen und das kann in einer solidarischen Gesellschaft nicht gewollt sein.“  

 „Wir werden nicht alle Fragen klären können“, schickte Moderatorin Stephanie Witt-Loers voraus. Nachdem Richterin Helga Bischoff die aktuelle rechtliche Lage beleuchtet hatte, zeigte Gisela Dreyer, regionale DGHS-Ansprechpartnerin und Diplom-Psychologin, auf, welche Ängste bei den Menschen bestehen. Das Sterben begleitete den Menschen, sobald er geboren ist. Dieser Aspekt werde aber häufig ausgeblendet. Der Wandel der Gesellschaft und die zunehmende Identifizierung über Leistung und Unvollkommenheit tragen zur Entstehung von Angst bei, betonte Andreas de Noni, Pflegedienstleiter im Johannes-Hospiz Oberberg in Wiehl, „Ängste vor Symptomen, Angst davor, was passiert“, stelle er bei Angehörigen und Betroffenen fest.

Elke Kremer, Koordinatorin des Ambulanten Johanniter-Hospizdienstes für Morsbach, Reichshof und Waldbröl, berichtete von der Furcht, zum medizinischen Experiment zu werden. „Viele von uns haben nicht genug Informationen. Wissen nimmt Angst“, berichtete sie aus ihrer Erfahrung. „Die Angst kann ich medikamentös nicht behandeln“, sagte Dirk Feuerstein, Palliativmediziner und Hausarzt. Er ist zurzeit der einzige Arzt, der als Palliativmediziner in Oberberg unterwegs ist und seine Kollegen in der ambulanten Palliativersorgung unterstützt.

Im Verlauf des Abends wurde die Patientenverfügung mehrfach thematisiert. Diese sei bindend, betonte Erich Lange, Vizevorsitzender des Deutschen Hospiz- und Palliativverbandes. Doch „genug Ärzte wissen es nicht, dass es so ist“, stellte er fest. Auch die Erwartungen von Betroffenen und Angehörigen an Medikamente und Ärzte wurden diskutiert. Die Podiumsteilnehmer waren sich darin einig, dass Offenheit und Ehrlichkeit im Umgang der Menschen untereinander, Wissen und Aufklärung immens wichtig sind.

Steffen Lengsfeld vom Johanniter-Regionalvorstand freute sich, dass so viele der Einladung gefolgt waren. Zu den Jubiläumsveranstaltungen gehört auch die Wanderausstellung „Paradieshemden - wenn das letzte Hemd Taschen hätte“, die vom 4. bis 19. November in der Evangelischen Kirche Waldbröl zu sehen ist.

  
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