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Der Kapitän geht von Bord

nh; 16. Sep 2015, 11:40 Uhr
Bilder: Nils Hühn --- Bürgermeister Werner Becker-Blonigen mit gepackten Geschenken vor dem leeren Wiehler Ratssaal.
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Der Kapitän geht von Bord

nh; 16. Sep 2015, 11:40 Uhr
Wiehl - „Wiehlverbesserer“, „Kosmopolit“, „Außenminister“ oder einfach „Bürgermeister für alle“ - Nach 36 Jahren erlebte Werner Becker-Blonigen seine letzte Ratssitzung als Verwaltungschef und heimste viel Lob ein.
Von Nils Hühn

Als sich die Ratsmitglieder sowie das Publikum nach den letzten offiziellen Worten des scheidenden Bürgermeisters bei einer Ratssitzung erhoben und zum minutenlangen Applaus ansetzten, wurde es selbst für Werner Becker-Blonigen „ein wenig unangenehm“. Doch diese Ehrerweisung und Respektsbekundung hat der 67-Jährige, der am 20. Oktober seinen letzten Tag als Wiehler Rathauschef begeht, mehr als verdient. Dies wurde auch in den Reden der einzelnen Fraktionsvorsitzenden deutlich.


1979, im zarten Alter von 30 Jahren, begann Becker-Blonigen (BB) als Stadtdirektor in Wiehl und wurde anschließend hauptamtlicher Bürgermeister. 36,5 Jahre war er 1. Bürger der Stadt und prägte die Entwicklung wie kaum ein anderer vor ihm. Um seine letzte Ratssitzung zu etwas Besonderem zu machen, wurde der nicht-öffentliche Teil an den Anfang gestellt, damit zum Schluss die Fraktionschefs ihre Reden halten konnten. „Es besteht Redebedarf“, leitete der 1. Beigeordnete Michael Schell zum letzten Tagesordnungspunkt über. Mit dem Jagdhorn gab Ratsherr Jürgen Körber (Bild) das Signal und spielte dabei nicht „Sau tot“, wie einige im Publikum vermutet hatten.


[Die Fraktionsvorsitzenden verbaschiedeten BB in seiner letzten Ratssitzung.]

Rolf Gurbat (FDP), selbst schon seit knapp 30 Jahren Ratsmitglied, nannte ihn den „beliebten und bekannten Bürgermeister“, der die Menschen immer ernst genommen habe und sich kümmere. „Du hast Wiehl gut getan“, meinte Gurbat und wünschte dem Kapitän einen guten Plankenwechsel von den Rats- und Konferenzsälen in den „Unruhestand“. Hans-Peter Stinner (UWG) nannte ihn den „Wiehlverbesserer“ und Jürgen Körber (Grüne) sprach vom „Kosmopolit BB“, der sicherlich auch eine Karriere als Außenminister hätte machen können, sich aber glücklicherweise für die Stadt Wiehl entschieden habe.


[Letzte offizielle Amtshandlung im Stadtrat: Verlesung von Mitteilungen.]

Selbstverständlich hatte jede Fraktion ein Geschenk für den Bürgermeister parat. Grüne und Linke übergaben Becker-Blonigen ein gemeinsames Präsent. „Eigentlich wollten sich alle Fraktionen beteiligen, aber jetzt müssen sie wohl auf einen Gang verzichten“, meinte Matthias Lammerich (Linke) etwas scherzhaft. „Du hast in unruhigen Zeiten das Ruder übernommen“, konnte sich Carlo Riegert (SPD) noch an Wiehls wirtschaftlich schlechte Zeiten erinnern und spielte auch auf BBs Leidenschaft, die Seefahrt, an. Für Larissa Gebser (CDU) war er einfach der Bürgermeister für alle. „Werner, du wirst uns fehlen“, sprach Gebser aus, was wohl viele Bürger  - nicht nur in Wiehl - denken.



Becker-Blonigen selbst war sichtlich gerührt (Bild oben), wobei die Verabschiedungen für ihn nichts Neues mehr sind. Bereits am Montag wurde er von den anderen oberbergischen Rathauschefs in den Ruhestand entlassen. „Es war sicherlich ein Risiko, mich als 30-Jährigen zu wählen, aber es ist ja gut gegangen“, meinte Becker-Blonigen rückblickend. Mit einem Zitat von Friedrich II., der Große, mit dem er sich allerdings nicht vergleichen wollte, schloss BB seine Rede: „Unser Leben ist ein flüchtiger Übergang vom Augenblick unserer Geburt zu dem des Todes. Während dieser Zeit hat der Mensch die Bestimmung, zu arbeiten für das Wohl der Gesellschaft, der er angehört.“ Der Stadt Wiehl hat Becker-Blonigen über drei Jahrzehnten treu gedient, weshalb prompt der bereits eingangserwähnte tosende Applaus aufbrandete.


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