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Frauen als Chef: „Führen muss man wollen“

fj; 20. Jul 2015, 10:28 Uhr
Bilder: Fenja Jansen, privat (Text) --- Angela Weiche (Mitte) übernahm 2010 die Schreinerei Weiche in Bergneustadt.
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Frauen als Chef: „Führen muss man wollen“

fj; 20. Jul 2015, 10:28 Uhr
Oberberg – OA sprach mit drei erfolgreichen Frauen über ihren Umgang mit männlichen Kollegen und Kunden, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Frauenquote – Die Chefinnen waren sich einig: „Chef-sein ist eine Typfrage“.
Wenn sie ans Telefon ihrer Schreinerei geht, bitten die Anrufer oft darum, mit einem Fachmann sprechen zu dürfen. „Ich bin seit fünf Jahren Meister, reicht das aus?“, antwortet Angela Weiche dann gerne. Die 30-Jährige hat nach einer Ausbildung zur Tischlerin und der Meisterprüfung im Jahr 2010 die Schreinerei ihres Vaters übernommen. Zwei Meister, eine Gesellin und ein Azubi sind in ihrer Schreinerei Weiche in Bergneustadt beschäftigt, ihre Mutter geht ihr im Büro zur Hand. „Die älteren Mitarbeiter kennen mich seit Kindesbeinen. Da herrscht ein sehr freundschaftliches Verhältnis. Ich trage die Verantwortung und sie bringen ihre längere Berufserfahrung mit ein“, erklärt die junge Frau. Nach dem krankheitsbedingten Ausscheiden ihres Vaters aus dem Betrieb wurde sie als Chefin voll akzeptiert. Dass sie eine Frau in einer Führungsposition, dazu noch in einem „frauenuntypischen“ Beruf ist, merkt sie dennoch täglich.

Wenn Kunden des Öfteren an ihr vorbeilaufen und sich bei einem der männlichen Kollegen nach dem Chef erkunden, stört sie das wenig. Auch die Geschichte, in der ein anderer Handwerker ihr auf einer Großbaustelle, ganz Kavalier der alten Schule, die Werkzeugtasche zum Wagen trug, erzählt sie mit einem Lächeln. „Wenn ich dann aber mit einem Sprinter mit Anhänger rangieren muss und alle gucken, ob ich das kann, ärgert mich das schon. Warum sollte ich das nicht können? Weil ich eine Frau bin?“. Gerade bei älteren Kunden sei die Überraschung oft spürbar, wenn sie die junge Frau sehen. „Dann stelle ich mein Können eben unter Beweis. Es ist ja nicht so, als hätte ich keine Ahnung von dem, was ich da tue“, so Weiche, die mittlerweile auch Kurse bei der Handwerkskammer gibt. Und auf den überraschten Ausruf: „Sie sehen gar nicht aus wie eine Schreinerin“ erwidert sie am liebsten: „Wie sieht denn eine Schreinerin Ihrer Meinung nach aus?“

Du machst das jetzt und es klappt oder nicht. Das war der Grundsatz, nachdem Weiche nach dem plötzlichen Ausscheiden ihres Vaters gearbeitet hat. Und es hat geklappt, die Geschäfte laufen gut. Ein Kind zusätzlich zu ihrem Beruf könnte sie sich derzeit aber nicht vorstellen. „Ich hätte Sorge, dass ich ihm nicht gerecht werden könnte.“ Eine Sorge, die sicherlich viele andere junge Frauen im Berufsleben mit ihr teilen. Eine gesetzlich vorgeschriebene Frauenquote hält die Geschäftsführerin dennoch für unsinnig. „Man kann doch niemanden in einen Beruf zwingen, nur weil irgendeine Quote erfüllt werden muss.“


Dieser Meinung ist auch Marlene Weiner, eine der Geschäftsführer der Bergneustädter Firma NORWE GmbH, einem weltweit führenden Spezialisten in der Entwicklung und Herstellung von Spulenkörpern sowie Zubehör: „Ich bin gegen eine von der Politik vorgeschriebene Frauenquote. Immer mehr Frauen beweisen sich in ‚untypischen‘ Berufen. Für diese Entwicklung braucht es keiner politischen Vorgaben. Entweder man möchte diesen Weg von sich aus gehen, oder man lässt es eben.“


[Marlene Weiner führt gemeinsam mit ihren Brüdern das Unternehmen Norwe mit Sitz in Bergneustadt.]

Dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine große Herausforderung darstellt, kann sie jedoch aus eigener Erfahrung bestätigen. Hier, so Weiner, gehe es nicht ohne die Hilfe von anderen. „Man muss sich ein Netzwerk aufbauen, flexibel bleiben und immer einen Plan B in der Tasche haben. Und wenn das Kind dann mal krank ist, muss man sich drauf einstellen, dass eben alles durcheinander purzelt“, erklärt die Mutter einer 13-jährigen Tochter. Neben ihren Jobs als Mutter und Unternehmerin engagiert sich Weiner auch in verschiedenen Unternehmer-Netzwerken und der Förderung von jungen Leuten. „Jeder Bereich braucht seine Zeit, wenn man bei der Familie ist, ist auch nur sie wichtig. Das muss man eben organisieren“, so die Unternehmerin. Die Mitarbeiter der Firma Norwe sind Frauen im Chefsessel gewöhnt: Vor Weiner, die das Familienunternehmen gemeinsam mit ihren Brüdern führt, haben ihre Eltern und viele Jahre ihre Mutter Gritta Weiner alleine die Verantwortung getragen. „Meine Mutter war immer ein Vorbild“, so die Unternehmerin, die nach dem Fachabitur eine Lehre zur Industriekauffrau im elterlichen Betrieb absolvierte.

Vorurteile gegenüber Frauen in Führungspositionen erlebt Weiner so gut wie nie, einzelne Ausnahmen inbegriffen: „Während einer Messe kam ein Mann an unseren Stand und sagte zu mir: Kann ich mal einen Ihrer Herren sprechen. Da habe ich ihn an einen Mitarbeiter verwiesen, der mich dann wenig später vorstellte und ich übernahm dann das Gespräch mit einem Schmunzeln“, erinnert sich Weiner. Doch dies seien Relikte aus einer Zeit, die immer mehr verblasse. „Es kommt auf das Selbstbewusstsein an. Wenn man sich entsprechend verkauft, hat kein Mann ein Problem mit einer weiblichen Chefin. Aber so ist es doch immer: Entweder man ist der Richtige für den Job, oder nicht. Das hat wenig mit dem Geschlecht zu tun“, so Weiner.


[Alef Völkner ist ausgebildete Informatikerin und Geschäftsführerin der fox-on Datenschutz GmbH in Lindlar.]

Dass „Chef-sein“ eine Frage der Persönlichkeit, nicht des Geschlechts ist, davon ist auch Alef Völkner überzeugt. Nach ihrem Abitur bekam sie drei Kinder, als diese in den Kindergarten gingen, absolvierte sie eine Ausbildung zur Informatikerin. 2004 wagte sie den Schritt in die Selbstständigkeit. Heute ist sie Geschäftsführerin der fox-on Datenschutz GmbH mit Sitz in Lindlar und Chefin von insgesamt zehn festen und freien Mitarbeitern. Der Spagat zwischen Kindern und dem Beruf, so Völkner, war anstrengend, habe aber gut funktioniert: „Das Büro lag früher genau neben dem Wohnhaus. So konnte ich mittags mit meinen Kindern essen und mir Zeit für sie nehmen. Wenn sie im Bett waren, ging es für mich wieder an den Rechner.“ Organisations- und Improvisationstalent musste auch sie beweisen. So traf sie Absprachen mit Freunden und man passte gegenseitig auf die Kleinen auf.

„Ich wollte mein eigener Herr sein“, begründet sie ihren Schritt in die Selbstständigkeit. Im Gegensatz zu ihrem Mann wird sie oft gefragt, wie sie Job und Familie unter einen Hut bekommt –- aber das stört sie nicht weiter und wird wohl auch noch ein paar Generationen so bleiben. Ihre Weiblichkeit hat Völkner nie als Nachteil empfunden. „Ich sehe eher die Vorteile: Im Bereich Datenschutz werde ich als Frau von den Kunden mehr als Beraterin auf der eigenen Seite wahrgenommen, die Kunden gehen gegen mich nicht sofort in eine Verteidigungsposition.“ Klischeedenken nach dem Motto „Frauen bringen diese guten Eigenschaften für Führungspositionen mit, Männer jene“ lehnt sie aber absolut ab. „Das ist eine reine Typfrage. Es gibt gute und weniger gute Chefs unter Männern wie Frauen - und ich lerne in ganz Deutschland solche und solche kennen.“
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