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„Menschen sind eben keine Mäuse“

lt, lp; 7. Jul 2015, 16:43 Uhr
Bilder: Lara Tonn --- Zum Nachdenken wollten die Tierversuchsgegner die Passanten in der Gummersbacher Innenstadt anregen.
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„Menschen sind eben keine Mäuse“

lt, lp; 7. Jul 2015, 16:43 Uhr
Gummersbach – Wie gefährlich und grausam Experimente an Tieren ihrer Meinung nach sind, wollten die Mitglieder des Vereins „Ärzte gegen Tierversuche“ auch den Oberbergern bewusst machen und kamen deshalb mit ihrem „Mausmobil“ nach Gummersbach.
Von Lara Tonn und Loreen Prediger

In der Gummersbacher Fußgängerzone steht ein weißer Wagen. Auf dem Dach sitzt eine große weiße Maus mit roten Augen. Die Passanten bleiben stehen, denn die hinteren Türen sind geöffnet und geben den Blick auf einen Fernseher frei. Schockierende Bilder flimmern über den Bilderschirm: Tote Mäuse liegen in engen Käfigen übereinander und ein Kaninchen, starr vor Angst und mit feuchten Augen, sitzt in einer Ecke. Das nächste Bild zeigt behandschuhte Finger, die nach den Tieren greifen. Langsam wird deutlich, um was es hier geht: Tierversuche. Um auf dieses Problem aufmerksam zu machen, tourt die bundesweite Vereinigung „Ärzte gegen Tierversuche“ mit einem speziell gestalteten Fahrzeug, dem „Mausmobil“, durch Deutschland.


[Neurobiologe Christian Ott und Tonja Behling klärten in Gummersbach über Tierversuche auf.]

„Wir wollen die Öffentlichkeit über die negativen Folgen für Mensch und Tier sowie über tierversuchsfreie Methoden informieren“, erklärt Neurobiologe Christian Ott. Er und seine Kollegin Tonja Behling, die Inhaberin des Geschäfts „Tol-Store“ (Tiere ohne Leid) in Engelskirchen ist, zeigen Filme über den Alltag von Labortieren, verteilen Flyer und reden mit den vorbeilaufenden Bürgern. Viele bleiben interessiert stehen und sind erschrocken über das, was sie erfahren: Tierexperimentatoren fügen Ratten Verbrennungen zu, lassen Mäuse ertrinken, quälen Kaninchen mit Strom und nähen Katzenbabys die Augen zu, nur um einige Beispiele zu nennen. Das Ziel dieser Prozeduren ist, Kosmetika sowie Reinigungsmittel, aber auch wirksame Medikamente herzustellen.

Etwa 2,2 Millionen Mäuse sterben jährlich in deutschen Laboren. „Durch Genmanipulation werden bei ihnen menschliche Leiden wie Krebs oder Diabetes hervorgerufen, um die Wirkung der zuvor entwickelten Medikamente zu testen“, erklärt Ott. In der Grundlagenforschung leiden vor allem Primaten unter den Versuchen. Ein Affe müsse beispielsweise bis zu sechs Stunden ohne jegliche Bewegungsfreiheit still sitzen und auf einen Bildschirm schauen. Solche Methoden lehnen die Ärzte entschieden ab. „Der Mensch hat nicht das Recht, anderen Lebewesen Leid zuzufügen“, sagt der Neurobiologe. Außerdem seien die Versuchsergebnisse nicht auf Menschen übertragbar: 92 Prozent der Medikamente hätten bei Tests mit Menschen keine oder negative Auswirkungen, auch die Hälfte aller zugelassenen Produkte werde später wieder aus dem Sortiment genommen. „Menschen sind eben keine Mäuse. Deshalb sind Tierversuche schlicht die falsche Methode." Ott ist sich sicher: Tiere im Namen der Wissenschaft zu quälen wäre gar nicht nötig. „Die Prüfung auf Verträglichkeit kann an menschlichem Gen-Material durchgeführt werden.“


Ziel sei es, die Problematik vor Ort, im persönlichen Gespräch näherzubringen. „So können wir unsere Argumente gegen Tierversuche einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen“, erklärt Christian Ott. In den meisten Fällen sei man auf positive Rückmeldung zu der Aktion und zu 70 Prozent auf vorher bereits bestehende Ablehnung von Tierversuchen gestoßen. Etwa 20 Prozent seien nur wenig über das Thema informiert gewesen, hätten sich dann aber tendenziell den Tierversuchsgegnern angeschlossen. Der Neurobiologe hofft zum Auftakt der Nordrhein-Westfalen-Tour, in den nächsten elf Städten, die das Mausmobil bis September ansteuern wird, ebenso viel Interesse und erhoffte Reaktionen wie am gestrigen Tag in Gummersbach zu erfahren. „Es muss ein Gesinnungswandel bei den Leuten hervorgerufen werden. Nur dann können die Politiker handeln."


[Drastische Bilder konnten die Passanten auf einem Fernsehschirm im Heck des Mausmobils sehen.]

Bürger können sich gegen Tierversuche einsetzen, indem sie Tierschutzvereine unterstützen und in Geschäften einkaufen, die tierversuchsfreie und vegane Produkte anbieten. Woran man solche Artikel erkennt? Sie sind mit dem Siegel der „veganen Blume“ oder des „Leaping Bunny“ zertifiziert. Zwar sind Kosmetika, an denen „kein Blut“ klebt, vergleichsweise teurer als die „Schönmacher“ aus der Drogerie, doch kann etwa „frau“ dann guten Gewissens den geliebten roten Lippenstift tragen.
  
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