Archiv

Gülle-Blase schlummert in 18 Metern Tiefe

fj; 24. Mar 2015, 14:51 Uhr
Bilder: NABU Oberberg, V. Leipzig--- Seit dem Unfall gilt das Naturschutzgebiet Neyetalsperre als ökologisch tot.
ARCHIV

Gülle-Blase schlummert in 18 Metern Tiefe

fj; 24. Mar 2015, 14:51 Uhr
Wipperfürth – Experten prüfen, wie rund 1,7 Millionen Liter Gülle aus der Neyetalsperre entfernt werden können - Landwirt, von dessen Hof die Gülle stammte, war für die zuständige Behörde kein Unbekannter – NABU fordert „schonungslose Aufklärung“.
Vor knapp einer Woche gelangten rund 1,7 Millionen Liter Gülle in die Neyetalsperre, die seit 2013 unter Naturschutz steht (OA berichtete). Gestern fanden Experten von Aggerverband und EWR, Eigentümer der Neyetalsperre, heraus, dass sich die Gülle mittlerweile relativ konzentriert in Form einer Blase in etwa 18 bis 25 Metern Tiefe vor der Staumauer in Wipperfürth befindet. „Dass sich die Gülle noch nicht mit dem Wasser vermischt hat, sondern eine Blase bildete, hat den Vorteil, dass man sie absaugen kann“, erklärte Monika Ebers, Sprecherin des Wupperverbandes.

Derzeit wird geprüft, wie dies am besten bewerkstelligt werden kann. Frühestens morgen wird eine Entscheidung gefällt. Dabei ist Eile geboten. Zwar könne die Blase nicht plötzlich platzen, aber auch wenn sich die Gülle nach und nach mit dem Wasser vermischt, hätte dies zur Folge, dass das gesamte Wasser kontaminiert wird. Dabei ist der angerichtete Schaden schon jetzt verheerend. Experten gehen davon aus, dass es Jahrzehnte dauern wird, bis sich die Natur erholt hat.



Die vorhergesagten Regenfälle drängen ebenfalls zur Eile. Zurzeit führt die Neyetalsperre viel Wasser, warum die Experten ebenfalls nach einer Möglichkeit suchen, wie das noch saubere Wasser von der Oberfläche abgepumpt werden kann. Sollte es in den nächsten Tagen viel regnen, ohne das eine Lösung für dieses Problem gefunden wurde, könnte die Talsperre überlaufen. Das Ablaufventil zu öffnen, ist dabei keine Möglichkeit. Hier wartet die Gülle-Blase.


Für die zuständige Untere Wasserbehörde des Märkischen Kreises ist der Landwirt, von dessen Hof in Halver-Kotten die Gülle stammte, kein Unbekannter. Im November 2014 war schon einmal eine geringe Menge Gülle beim Umfüllen ausgelaufen. Darauf hat die Behörde laut einer Sprecherin des Märkischen Kreises festgestellt, dass der Gülletank nicht den Auflagen entsprach, unter denen sein Bau im Jahr 2011 genehmigt wurde. Dem Landwirt wurde daraufhin auferlegt, die Tauglichkeit seines Tanks nachzuweisen. Weder dieser Aufforderung noch den daraufhin versandten Strafzahlungs-Aufforderungen ist der Bauer nachgekommen. Das Verfahren hat sich bis jetzt hingezogen, erst nach der Katastrophe habe der Landwirt den Behälter entleert. „Leider gibt es in unserem Rechtsstaat aber auch kaum Möglichkeiten, solch langwierige Verfahren zu beschleunigen“, so die Sprecherin.

Der Naturschutzbund (NABU) sieht dagegen auch die Behörden in der Verantwortung und verlangt vom Umweltministerium und Landtag eine „schonungslose“ Aufklärung darüber, „welche Behörden in diesem Fall in den vergangenen Jahren versagt haben“, so der NABU in einer Meldung.

Bei dem Vorfall handelt es sich laut den Naturschützern um den bislang größten Gülle-Unfall in Nordrhein-Westfalen. Seitdem gelte das Naturschutzgebiet Neyetalsperre als ökologisch tot. „Wir sind fassungslos über diesen Gülle-Gau in unserem Land", sagte Josef Tumbrinck, Vorsitzender des NABU NRW. Dieser Fall sei nicht nur ein weiterer Beleg für die Auswüchse und skrupellosen Machenschaften einer industrialisierten Massentierhaltung auf Kosten der Natur. Hier werde auch das Versagen der zuständigen Behörden gegenüber solch kriminellen Strukturen deutlich.



Der Fall des Landwirts aus Halver zeige, dass die Entsorgung von industriell erzeugter Importgülle zunehmend zu einem Problem im ganzen Land werde. Denn für die bloße Entsorgung der Gülle würden hohe Beträge gezahlt. „Große Teile von NRW werden so zur Verklappung überschüssiger Gülle missbraucht. Landwirtschaftliche Betriebe in finanzieller Krise sehen darin den letzten Ausweg", so Tumbrinck weiter. „Über Unfälle wie in Halver muss man sich dann nicht wundern."

Im Kontext der aktuellen Novellierung der Düngeverordnung fordert der NABU daher eine massive Beschränkung des Gülletourismus durch die Einführung einer vollständigen Hoftorbilanz für jeden Betrieb sowie die Einrichtung einer bundeseinheitlichen Dünge-Transportdatenbank in Verbindung mit einer Meldeverordnung Der NABU verlangt von der Landesregierung, sich in den laufenden Verhandlungen im Bundesrat zur Düngepolitik mit Nachdruck für entsprechende Verschärfungen einzusetzen. Zudem müsse der Verursacher dieses Schadens eindeutig ermittelt und zur Verantwortung gezogen werden. Tumbrinck: „Das bedeutet auch, dass der immense Schaden von den Behörden umgehend nach dem Umweltschadensrecht ermittelt und vom Verursacher finanziell beglichen werden muss.“ 



WERBUNG