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Blutleer und ängstlich - VfL verspielt Final Four-Ticket

or; 4. Mar 2015, 23:51 Uhr
Bilder: Michael Kleinjung.
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Blutleer und ängstlich - VfL verspielt Final Four-Ticket

or; 4. Mar 2015, 23:51 Uhr
Gummersbach - VfL verliert Pokalviertelfinale gegen Flensburg mit 22:28 - 'RPP - Ambulantes Therapie- und Reha-Zentrum', AggerEnergie und die Sparkasse Gummersbach-Bergneustadt präsentieren die Berichterstattung über den VfL Gummersbach.
von Ole Remmers

VfL Gummersbach – SG Flensburg/Handewitt 22:28 (8:14).

Am 9. und 10. Mai haben die VfL-Handballer frei. Denn ein mögliches High-Class-Handballwochenende in der Freien und Hansestadt Hamburg beim Pokal-Final-Four und damit einhergehend ein sicherlich nettes Date mit den Füchsen Berlin, dem SC Magdeburg oder den Rhein-Neckar-Löwen, haben sich die Gummersbacher durch einen blutleeren, kraftlosen und ängstlichen Auftritt gegen die SG Flensburg/Handewitt verbaut. Mit 22:28 unterlagen die oberbergischen Ballwerfer am Ende sogar noch schmeichelhaft knapp, in einem Spiel, in dem sie zu keiner Zeit eine Chance gehabt hatten.

In den letzten Tagen hatten die VfL-Fans in den sozialen Medien viel darüber diskutiert, wie die Niederlage beim abgeschlagenen Tabellenschlusslicht Bietigheim zustande kommen konnte. Die ersten 25 Minuten des heutigen Abends lieferten darauf eine eindeutige Antwort. Vom Spielbeginn an, manche behaupteten später sogar man habe die „vollen Buchsen“ der Gummersbacher schon beim Aufwärmen gesehen, verhielt sich der VfL wie das Kaninchen vor der Schlange. Bereits mit dem 0:2 (4. Minute) machten die Nordlichter klar, wie der Abend aus ihrer Sicht verlaufen sollte. Aus einer kompakten und kompromisslosen Deckung heraus wollte die SG sicher nach vorne spielen. Und während sich Gummersbach bereits in diesen Anfangsminuten zahlreiche Ballverluste leistete, brachten Eggert und Zachariassen Flensburg mit 1:4 (9.) in Front.




[Ein Durchkommen war gegen die SG-Deckung selten]

Ein Trend, der sich in den kommenden Minuten fortsetzte. Symptomatisch für den VfL-Auftritt in der ersten Halbzeit war die 13. Minute. Der auffällige Kreisläufer Zachariassen (so groß und dabei unheimlich beweglich) kassierte eine Zeitstrafe in der Abwehr, vier Sekunden später waren seine Teamkameraden aber bereits wieder in Ballbesitz. Magnus Persson hatte das Leder in einem offenbar schwedischen Freundschaftsdienst Johann Jakobsson in die Arme gespielt. Nach dem 3:6 durch eben diesen Jakobsson nahm Emir Kurtagic die erste Auszeit des Abends (16.). Die Wirkung dieser Ansprache war aber gleich null. Der erst gestern genesene Mogensen, zweimal Rechtsaußen Radivojevic und wieder Zachariassen erhöhten auf 3:10 (22.). Bei den Blau-Weißen gingen jetzt die Köpfe runter, die Achseln der Deckungsspieler zuckten nur noch ratlos, Hilflosigkeit machte sich breit.

Nachdem auch Ljubomir Vranjes seine Auszeit genommen hatte, erhöhte Thomas Mogensen auf 4:12 (25.). Im weiten Rund der mit 2.461 Zuschauern nur spärlich besetzten SCHWALBE-Arena wurde es mit einmal ganz ruhig, selbst die verzweifelten „Kämpfen VfL“-Rufe aus dem Fanblock verstummten. Das Spiel schien entschieden. Dachten sich auch die Flensburger und ließen Gummersbach am Leben. Schröder per Gegenstoß und Santos weiterhin sicher am Siebenmeterpunkt hielten zumindest die Hoffnung der Gastgeber aufrecht. Mit einem Sechs-Tore-Rückstand ging es in die Kabinen.


[Das Kreisläuferduell ging ganz klar an die SG.]

Der zweite Durchgang ist schnell erzählt. Die Partie nahm jetzt mehr Fahrt auf, Flensburg konterte die VfL-Treffer, die immer noch erst nach einigem Quergeschiebe entstanden, mit schnellen Gegentoren. So blieb der Rückstand des VfL konstant bei fünf bis sieben Toren. Ähnlich wirkungslos wie bereits in der ersten Halbzeit blieb auch das zweite Teamtimeout der Gummersbach (43.). Flensburgs Dauerlebens-versicherung Mattias Andersson steigerte sich jetzt immer mehr und hielt teils spektakulär gegen die oberbergischen Angreifer. Einziger Lichtblick in dieser Phase war Mittelmann Jonsson, der mit einigen gelungenen 1:1-Aktionen wenigstens die größten Mängel im VfL-Angriff kaschieren konnte.

Nach einer weiteren Andersson-Parade erhöhten Mogensen mit einem trockenen Unterarmwurf durch den VfL-Block und Zachariassen vom Kreis auf 16:25 (51.). Erneut verstummte die Arena, betroffen schauten sich die Zuschauer an, sogar einzelne Pfiffe waren zu hören. Spätestens jetzt war das Spiel gelaufen. Beide Teams wechselten munter durch, bei Gummersbach kam beispielsweise der junge Nicholas Plessers ins Tor. Der belgische U23-Keeper vertrat den grippekranken Matthias Puhle und konnte sich gegen nachlassende und nachlässig werdende Flensburger zweimal auszeichnen. Den Schlussminuten ist der Titel „Ergebniskosmetik“ zu geben, die SG ließ Gummersbach auch ein wenig gewähren.


[Da half auch keine Auszeit etwas - Persson und co. standen auf verlorenem Posten]

Um den Unterschied zwischen Flensburg und Gummersbach an diesem Abend zu dokumentieren, genügt eigentlich eine Szene. Anders Zachariassen hatte Alexander Becker gefoult, dem Gummersbacher war schon ein Freiwurf zugesprochen. Da packte der Schwede seinen Kreisläuferkollegen noch einmal und schmiss ihn mit einer gekonnten Judorolle zu Boden. Die zarten Mecker- und Trashtalk-Versuche Beckers erstickten der bullige Schwede und der „dänische Kühlschrank“ Thomas Mogensen mit deutlicher Körpersprache gleich im Keim. Am Ende der Situation reichte Becker Zachariassen die Hand.

Körpersprache, Einstellung, Kampfgeist. Während Flensburg wusste, dass das die einzigen Mittel sind, die während der momentanen Verletztenmisere immer helfen, verfügte Gummersbach über genau diese Möglichkeiten nicht. In der Abwehr agierte man zu wenig kompakt und ließ sowohl dem Rückraum, als auch dem Kreisläufer zu viel Raum. Dazu kam eine beinahe schon schläfrige Unaufmerksamkeit beim Reboundverhalten. In der Offensive spielte das Kurtagic-Team leider viel zu häufig struktur-, teils sogar planlos. In den wenigen Minuten Einsatzzeit fand ein Christoph Schindler gar nicht statt, Magnus Persson und selbst dem in Ansätzen überzeugenden Gunnar Stein Jonsson fehlt es oft noch an Bindung zum Spiel. Der einzige Lichtblick an diesem Abend war Rechtsaußen Tobias Schröter. Nach seiner blitzsauberen Wurfquote war es wahrscheinlich das letzte Mal, dass Superstar Anders Eggert ihm eine Wurffalle gestellt hat.

Das „wichtigste Spiel seit langer Zeit“ (Frank Flatten) lief also alles andere wie gewünscht ab. Das Date Anfang Mai mit den Löwen, den Füchsen und den Gladiators haben die Flensburger.

VfL Gummersbach: Carsten Lichtlein (1. – 51. 9 Paraden), Nicholas Plessers (52. – 60. 2 Paraden); Raul Santos (7/5), Andreas Schröder und Tobias Schröter (je 4), Gunnar Stein Jonsson (3), Alexander Becker, Mark Bult, Simon Ernst und Magnus Persson (je 1).

SG Flensburg/Handewitt: Matthias Andersson (1. – 60. 12 Paraden/davon 1 Siebenmeter), Kevin Möller (zu 2 Siebenmetern, keine Parade); Thomas Mogensen und Anders Zachariassen (je 6), Bogdan Radivojevic und Lars Kaufmann (je 5), Anders Eggert (3), Ahmed Elahmar, Johann Jakobsson und Drasko Nenadic (je 1).

Beste Spieler: Schröter – Mogensen, Zachariassen, Andersson.

Zeitstrafen: 1 (Ernst) – 2 (Jakobsson und Zachariassen).

Schiedsrichter: Baumgart / Wild

Zuschauer: 2.461.
  



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