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Lichtlein rettet zwei Punkte im VfL-Weihnachtsdrama

or; 26. Dec 2014, 21:34 Uhr
Bilder: Michael Kleinjung --- Teilweise kein Durchkommen gab es gegen die starke VfL-Deckung.
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Lichtlein rettet zwei Punkte im VfL-Weihnachtsdrama

or; 26. Dec 2014, 21:34 Uhr
Gummersbach - Mit 27:26 rettet der VfL sich gegen Berlin so gerade eben ins Ziel - 'RPP - Ambulantes Therapie- und Reha-Zentrum' und die Sparkasse Gummersbach-Bergneustadt präsentieren die Berichterstattung über den VfL Gummersbach.
von Ole Remmers

VfL Gummersbach – Füchse Berlin 27:26 (17:11).

Noch vier Sekunden zu spielen, Freiwurf für Berlin auf halbrechter Position. Iker Romero steigt hoch, spielt im richtigen Moment den Pass zu Jesper Nielsen. Der Kreisläufer ist völlig frei vor Carsten Lichtlein und will den Ball unter dem herausspringenden Keeper durchschieben. Lichtlein reagiert reflexartig, bekommt die Beine zusammen, hält den VfL-Sieg fest und verwandelt die Arena zum Jahresabschluss noch einmal in ein Tollhaus. 50 Minuten lang hatte der VfL Gummersbach gegen die Gäste aus Berlin alles im Griff und führte zu diesem Zeitpunkt noch mit 26:21. Doch in den Schlussminuten stellte ein bis dahin starker VfL das Handballspielen ein und brachte die wie ein müder Boxer taumelnden Füchse zurück in eine eigentlich schon verlorene Partie.

Durch den zehnten (!) Saisonerfolg überwintert der VfL mit einem positiven Punktekonto auf Platz sieben der Bundesliga, nur zwei Punkte hinter dem Europapokalplatz, den momentan Göppingen innehat. Der bisher punktgleiche heutige Gegner Berlin rutscht hingegen auf Platz zehn ab.  

Der heute in blau und gelb spielenden VfL begann das Spiel in der gewohnten Formation mit Schröder, Schindler und Bult im Rückraum, Larsson am Kreis und der Flügelzange Santos/von Gruchalla. Die ersten Minuten verliefen denkbar ungünstig, bereits nach vier Minuten drückte Christoph Schindler nach einem Gesichtstreffer die Strafbank, Berlins Mittelmann Jaszka netzte ein zum 0:1. Im Gegenangriff traf Raul Santos von der Siebenmeterlinie nur den Pfosten, setzte dann anschließend selbst nach und bekam noch einen Strafwurf zugesprochen. Diesen hob der freche Österreicher dann ganz stilvoll über Silvio Heinevetter zum 1:1. Mit vier Toren in Folge legte der VfL dann einen ersten Lauf hin und zwang Dagur Sigurdsson beim 5:2 durch Schröder (13. Minute) zum ersten Timeout.


[Entschlossen im Abschluss: Andi Schröder]

Gleich danach begann dann ein spielprägendes Privatduell der beiden Spielmacher. Sigurdsson hatte seinen spanischen Altmeister Iker Romero auf die Platte beordert und mit vier Toren in Folge konnten sich die in dieser Phase ansonsten indisponierten Füchse allein bei dem 34-Jährigen bedanken, dass ein völlig entfesselt aufspielender VfL ihnen nicht davonlief. Angeführt von Mittelmann Christoph Schindler und mit vielen druckvollen und vor allem in die Tiefe gehenden Kreuzbewegungen rissen die Blau-Weißen den Berliner Abwehrriegel immer wieder auseinander. Beim 11:6 (19.) nach einer weiteren Schindler-„Fackel“ beorderten die Füchse Fredrik Petersen als Sonderbewacher nach vorne um die Kreise des VfL-Leaders einzugrenzen. Beim 12:7 (21.) war die blau-weiße Herrlichkeit erst einmal vorbei. Iker Romero mit seinen Treffern fünf und sechs (bei gerade einmal zehn Minuten Spielzeit) und der 39-Jährige Abwehroldie Kasper Nielsen verkürzten auf 12:10 (25.).




[Die Fehlwürfe in Überzahl und die unkonzentrierten Abschlüsse in den Schlussminuten schmälerten Raul Santos' Leistung]

Jetzt reagierte Emir Kurtagic mit seiner Auszeit und der unermüdlich kämpfende Joakim Larsson, Julius Kühn und der weiterhin völlig losgelöst aufspielende Christoph Schindler bauten die Führung wieder auf 15:10 (26.) aus, bis zur Halbzeitpause konnte man sogar mit 17:11 vorlegen.

Über 21:15 (38.) nahm Anfang des zweiten Durchgangs bis zum 24:16 (43.) alles seinen bislang gewohnten Gang. Der VfL stand weiterhin sehr aggressiv in der Abwehr und kam so auch zu leichten Toren. Die ersten Anzeichen, dass die Füchse aber noch nicht endgültig geschlagen waren, mehrten sich dann Mitte der Halbzeit. Eine sechs-gegen-vier-Situation konnte Gummersbach nicht erfolgreich abschließen, als anschließend direkt auch noch Mattias Zachrisson für zwei Minuten auf die Bank musste, gelang Raul Santos per Siebenmeter das 25:18 (47.). Durch eine offensive 4:2-Abwehrformation kamen die Gäste wieder in die Partie. Die VfL-Angreifer agierten dagegen zu statisch, beim 25:21 durch Horak nahm Kurtagic die nächste Auszeit (51.) und eröffnete damit eine heiße Schlussphase.


[Carsten Lichtlein steigerte sich und hielt am Ende den VfL-Sieg fest]

Santos erhöhte gleich danach zum 26:21, konnte aber in Überzahl erneut nicht die Chance von Linksaußen nutzen. Nach der nächsten Füchse-Auszeit verkürzte der bis dahin völlig abgemeldete Konstantin Igropulo zum 26:23 (54.). Raul Santos warf dann seinen zweiten Siebenmeter an den Pfosten, Gummersbach blieb aber in Ballbesitz und nach dem siebten Schindler-Treffer sahen die Gastgeber fast schon wie der sichere Sieger aus. Aber der zwar völlig platte, aber auch immer gereizter werdende Pavel Horak wuchtete den nächsten Wurf ins Tor. Als anschließend Raul Santos leicht übermütig aus zehn Metern und halblinker Position abschloss, konterte Berlin zum 27:25 und 100 Sekunden vor dem Ende sogar zum 27:26.

Genau bei 59:00 nahm Kurtagic seine letzte Auszeit und besprach sich mit seinem Team. Allerdings kam bei den Spielern offenbar wenig an, der bis dahin nur auf Außen eingesetzte Magnus Persson schloss nach wenigen Sekunden völlig unvorbereitet aus dem Stand ab. Berlin hatte jetzt Ballbesitz und noch 40 Sekunden Zeit. Es folgte die finale Lichtlein-Parade und ein blau-weißes Weihnachts-Tollhaus in der SCHWALBE-Arena.

Der VfL zeigte heute eine bombenstarke Deckungsleistung und eine, zumindest in der ersten Halbzeit, bewegliche, agile und planvolle Vorstellung in der Offensive. Emir Kurtagic hatte sich einige Lösungsmöglichkeiten gegen die Berliner Deckung einfallen lassen und seine Mannschaft spielte die Auslösehandlungen konsequent durch. Durch ein langes Kreuzen der beiden Halben kamen immer wieder Schindler und Schröder in Wurfposition, durch einen Übergang von den Außenpositionen bekam das Team Larsson oder Santos in Position am Kreis. In der Abwehr überragten heute sicherlich Simon Ernst, der mit gerade einmal 20 Jahren besser deckt als so mancher alter „Abwehrspezialist“ und Joakim Larsson, der im Verbund mit dem Außenverteidiger den sonst so häufig im ‚Missmatch‘ auf Außen erfolgreichen Kreisläufer Jesper Nielsen fast gänzlich ausschaltete.


[Nationalkeeper Heinevetter steigerte sich im Laufe des Spiels - Marc Bult merkte man die Strapazen der letzten Wochen an]

Neben diesen taktischen Vorgaben, die die Mannschaft gut umsetzte, waren es am Ende aber vor allem der Kampfgeist und der totale Einsatz, sowie natürlich mit Carsten Lichtlein ein Mann für die ganz wichtigen Momente, die den Sieg festhielten. Angesichts der anstehenden Winterpause kann man auch eine Analyse der blackoutähnlichen Schlussminuten auslassen und festhalten, dass der VfL der Müdigkeit von fünf Spielen in 20 Tagen getrotzt hat.

So gut wie schon ganz lange nicht mehr überwintert der VfL jetzt auf Platz sieben der Tabelle. In den nächsten Tagen dürfte für die Spieler erst einmal Regeneration auf dem Plan stehen, ehe man im Januar sich auf die schwere Rückrunde vorbereiten wird. Denn vom Tabellenstand sollte sich im Oberbergischen niemand blenden lassen, es sind zwar nur zwei Punkte bis Europa, aber auch die Abstiegsregion ist mit fünf Punkten Vorsprung noch nicht völlig fern. Und „dank“ des HSV-verkorksten Spielplans stehen für das Kurtagic-Team nur noch sechs Heimspiele auf dem Programm.

Stimmen zum Spiel:

Dagur Sigurdsson (Trainer Füchse Berlin): „Glückwunsch an den VfL zum verdienten Sieg. Ich hätte mir gewünscht, dass wir die Partie über längere Zeit spannend gehalten hätten. Wir haben allerdings in Halbzeit eins sehr schwach gespielt gegen einen allerdings auch sehr starken Gegner. Gummersbach hat sehr gut verteidigt und uns mit den schnellen Gegenstößen das Leben schwer gemacht. Nach dem Wechsel haben wir dann etwas besser gestanden und es am Ende zumindest noch einmal spannend gemacht. Aber auch in dieser Phase haben wir zu viele dumme Fehler gemacht und unnötige Zeitstrafen kassiert.“

Emir Kurtagic (Trainer VfL Gummersbach): „Wir haben heute ein sehr, sehr gutes Spiel gemacht, wenn man einmal von den letzten zehn Minuten absieht. In dieser Phase waren wir einfach nicht clever genug und haben uns selber das Leben schwer gemacht. Bis dahin war es eine tolle Leistung, die wir nach den beiden schwächeren Spielen zuletzt gezeigt haben. Vor allem die Abwehr hat super funktioniert und wir haben schnell und effizient nach vorne agiert. Der Sieg war auf jeden Fall verdient. Kompliment an die Mannschaft und an die Fans für die tolle Saisonleistung bis hierher.

Frank Flatten (Manager VfL Gummersbach): „Es war ein verdienter Sieg. Die Mannschaft hat eine Reaktion auf die letzten beiden Partien gezeigt, die positive Körpersprache war von Beginn an erkennbar. Wir alle können mehr als zufrieden mit der Saisonleistung sein, die in dieser Form Niemand erwartet hätte. Glückwunsch an die Mannschaft und vielen, vielen Dank an die Zuschauer, die uns in jedem Spiel unglaublich unterstützt haben.“


[Am Ende hielt es niemanden mehr auf den Sitzen]

VfL Gummersbach: Carsten Lichtlein (1. – 60. Minute, 9 Paraden), Matthias Puhle (zu einem Siebenmeter, keine Parade); Raul Santos (9/4), Christoph Schindler (7), Andreas Schröder (6), Joakim Larsson (3) und Julius Kühn (2).

Füchse Berlin: Silvio Heinevetter (1. – 60. Minute, 14 Paraden), Petr Stochl (zu einem Siebenmeter, keine Parade); Iker Romero (7/4), Pavel Horak (5), Fredrik Petersen (5/3), Konstantin Igropulo (3), Jesper Nielsen und Mattias Zachrisson (je 2), Bartlomiej Jaszka und Kasper Nielsen (je 1).

Zeitstrafen: 3 (Ernst, Kühn, Schindler) – 5 (Drux, Nielsen, Petersen, Romero, Zachrisson).

Siebenmeter: 4/6 (Santos zweimal an den Pfosten) – 7/8 (Romero einmal neben das Tor).

Schiedsrichter: Holger Fleisch / Jürgen Rieber

Zuschauer: 4150 (ausverkauft).


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