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Tiefer Graben spaltet Wiehler Rat

nh; 10. Dec 2014, 12:30 Uhr
Archivbild: Der Wiehler Stadtrat.
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Tiefer Graben spaltet Wiehler Rat

nh; 10. Dec 2014, 12:30 Uhr
Wiehl - Gestern Abend verabschiedete der Wiehler Stadtrat den Haushalt 2015, der ein strukturelles Defizit von 2,7 Millionen Euro vorsieht - Einige Stadtverordnete teilten verbal kräftig aus - Steuern steigen nur leicht.
Von Nils Hühn

Wenn man vor einigen Jahren vom Wiehler Rat sprach, fielen Worte wie Harmonie und Eintracht. Diese Einträchtigkeit ist aber mittlerweile Geschichte. Das wurde bei der gestrigen Haushaltsverabschiedung deutlich. Die Fraktionsvorsitzenden der Grünen und Linken verteilten verbale Ohrfeigen an Ratskollegen und Verwaltung. Teilweise glichen die Haushaltsreden einem persönlichen Rachefeldzug. Mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP wurde dem Haushaltsentwurf von Kämmerer Axel Brauer aber mit großer Mehrheit zugestimmt. Die sieben Stadtverordneten von UWG, Grünen und Linken stimmten jedoch dagegen.


Zu Beginn der Sitzung gab es als Tischvorlage eine Übersicht über die Veränderungen gegenüber dem Haushaltsentwurf von November. Bereits bei der vorherigen Ratssitzung hatte Brauer angekündigt, dass das geplante Defizit von 1,7 Millionen Euro auf 2,3 Millionen Euro steigen würde. Um mehr Geld in die Stadtkasse zu spülen, sollten die Grundsteuer B von 413 auf 440 Prozent und die Gewerbesteuer von 420 auf 440 Prozent erhöht werden. Kurzfristig entschied man sich dafür, beide nur auf 430 Prozent zu erhöhen. Die wegfallenden Mehreinnahmen sollen durch Einsparungen bei baulichen Vorhaben und im Personalbereich der Verwaltung ausgeglichen werden.

Dennoch wurde das Defizit durch die nun leichtere Steuererhöhung noch etwas größer. Gegenwärtig rechnet der Kämmerer für das Jahr 2015 mit Aufwendungen in Höhe von rund 54,5 Millionen Euro bei Einnahmen von 51,8 Millionen Euro. Das Defizit von 2,7 Millionen Euro wird durch die Ausgleichsrücklage getilgt. Aufgrund der zu erwartenden negativen Haushalte bis 2018 wird diese Rücklage von derzeit 21,1 Millionen Euro auf rund fünf Millionen Euro zusammenschmelzen.

Aufgrund dieser neuen Informationen, die erst am Vormittag bei allen Fraktionen eintrafen, beantrage Jürgen Körber (Grüne) die Verabschiedung zu verschieben, um sich zu beraten. Mit großer Mehrheit wurde dies abgelehnt. Nach zehnminütiger Unterbrechung ging es endlich los. Die CDU-Fraktionsvorsitzende Larissa Gebser schimpfte über die „teilweise aberwitzigen Umlagebelastungen“, die zu dem strukturellen Defizit führten. Ihr Kollege Sören Teichmann forderte derweil dazu auf, sich gemeinsam dafür einzusetzen, „dass uns die Pflichten und Einschränkungen nicht erdrücken und unsere kommunale Selbstverwaltung nicht ad absurdum geführt wird.“ Auch SPD-Chef Carlo Riegert erkannte, dass die „finanzielle Situation leider nicht so rosig aussieht.“ Trotzdem müsse die Stadt den Weg der Modernisierung gehen. Riegert kritisierte ebenfalls die Abundanzumlage, ohne die eine Erhöhung der Grundsteuer B und Gewerbesteuer nicht nötig wäre.

Nach diesen beiden eher ruhigen Reden, bei denen deutlich wurde, dass die beiden großen Parteien den eingeschlagenen Weg für richtig halten, wurden kritischere Töne angeschlagen. Für Hans-Peter Stinner (UWG) sind „pauschale Steuererhöhungen“ nicht der richtige Weg. Er hätte lieber über mögliche Sparmaßnahmen beraten und schlug auch vor, die Sparkommission wieder ins Leben zu rufen. Dies wurde aber mit klarer Mehrheit abgelehnt. „Bei 21 Millionen Euro Ausgleichsrücklage macht sich der Rat lächerlich, wenn er eine Sparkommission einrichtet“, meinte Gerhard Altz (CDU) stellvertretend für die anderen Stadtverordneten, die diesen Vorschlag ablehnten. Auch wenn die UWG vielen Punkten im Haushaltsplan zustimmen konnte, gab es genug Gründe für Stinner und seine UWG-Kollegen, um gegen den Entwurf des Kämmerers zu votieren.

Die Haushaltsrede von Grünen-Fraktionschef Jürgen Körber glich in vielen Bereichen einer persönlichen Abrechnung mit einigen Ratskollegen. Nach der politischen Niederlage im Bäderstreit sprach Körber vom Politsystem Wiehl: „Wichtige Entscheidungen werden im Hinterzimmer getroffen, dann die Presse informiert, in den Ausschüssen abgeknickt und im Rat bestätigt“, beschrieb Körber, was für ihn „eine Variante des kölschen Klüngels“ sei. Des Weiteren forderte er dazu auf, dass „offensichtliche Fehlentscheidungen“ rechtzeitig korrigiert werden. Der Verwaltung unterstellte er erneut, den Rat bei manchen Entscheidungen mit „falschen Zahlen“ getäuscht zu haben. So seien beispielsweise die kalkulierten Besucherzahlen des neuen Bades „völlig unrealistisch“.

Für Matthias Lammerich (Linke) bedeutete die späte Vorlage des neuesten Haushaltsplanentwurfes eine „Missachtung des Rates“. Da der Haushalt zum wiederholten Male nicht ausgeglichen sei und auch in den kommenden Jahren mit weiteren Defiziten zu rechnen sei, sah er schon das Haushaltssicherungskonzept auf die Stadt Wiehl zukommen. Da der Kämmerer für die kommenden Jahre mit steigenden Gewerbesteuereinnahmen rechnen würde, ist für seine Partei der Haushalt „ein Dokument des Glaubens und der Hoffnung.“ Auch die Linke stimmte gegen den Entwurf. Als Letztes ergriff Rolf Gurbat für die FDP das Wort. Er war „enttäuscht“ und „frustriert“ aufgrund der „Schwarzmalerei“ seiner drei Vorredner (UWG, Grüne, Linke) und versuchte, etwas Zuversicht zu verbreiten. „Ich wünsche mir für die Zukunft wieder einen Stadtrat, bei dessen Entscheidungen wieder Wiehl an der ersten Stelle steht und nicht die eigene Profilierung“, äußerte Gurbat zum Abschluss noch ein mehr als wünschenswertes Anliegen.

Weitere Informationen über die gestrige Ratssitung gibt es hier.
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