Archiv

Das Defizit wächst - Steuern gehen rauf

nh; 5. Nov 2014, 14:10 Uhr
Archivbild --- Der Wiehler Stadtrat.
ARCHIV

Das Defizit wächst - Steuern gehen rauf

nh; 5. Nov 2014, 14:10 Uhr
Wiehl - Die fetten Jahre sind vorbei und die Gewerbesteuer schwächelt auch in Wiehl - Im kommenden Jahr rechnet der Kämmerer mit einem Minus von 2,3 Millionen Euro - Nach 14 Jahren erstmals wieder Neuverschuldung.
Von Nils Hühn

Fast 80 Minuten nahm sich Bürgermeister Werner Becker-Blonigen Zeit, um 13 Ratsmitglieder für ihre langjährige Ratszugehörigkeit von mindestens zehn Jahren zu ehren (OA berichtete). Nach diesem Glückwunsch-Marathon wurde es ernst und die Gesichtszüge spannten sich bei den Zuhörern im Ratssaal an, als Kämmerer Axel Brauer die düsteren Aussichten des Haushaltsplans 2015 vorstellte. Eigentlich wollte er ein Minus von gut 1,7 Millionen Euro vorstellen, aber aufgrund von kurzfristigen Änderungen erhöht sich das voraussichtliche Haushaltsdefizit im kommenden Jahr auf 2,3 Millionen Euro.

Bereits das Jahr 2013 war mit 1,6 Millionen Euro defizitär und in diesem Jahr geht Brauer von einem Minus von über sechs Millionen Euro aus. Bis 2018 wird die Stadt weiter rote Zahlen schreiben, womit die Perspektive alles andere als rosig ist. Der Kämmerer benannte zwei wesentliche Ursachen für das erhebliche Haushaltsdefizit in 2015: Zum einen die schwächelnde Gewerbesteuer, bei der für dieses Jahr Einnahmen von 21,6 Millionen Euro eingerechnet waren. Aber zum jetzigen Zeitpunkt geht die Verwaltung trotz leichtem Wirtschaftswachstum von nur rund 18,2 Millionen Euro aus. Zum anderen belastet die Solidarumlage die Stadt im kommenden Jahr wieder mit über 600.000 €.


Um die Defizite, die die Stadt seit 2013 einfährt und noch bis 2018 weiter machen wird, etwas zu verringern, sind Erhöhungen der Grundsteuer B und Gewerbesteuer notwendig, erklärte Brauer. Bei der Grundsteuer B wird der Hebesatz von 413 auf 440 Prozent erhöht und bei der Gewerbesteuer von 420 auf 440 Prozent. Dadurch erhofft sich die Stadtkasse Mehreinnahmen von insgesamt 1,15 Millionen Euro. Kämmerer Axel Brauer will einen Kompromiss zwischen wünschenswerten Investitionen und dem Finanzierbaren finden. Denn investieren wird die Stadt auch im kommenden Jahr wieder kräftig in die Infrastruktur.

Zu den größten Investitionen zählen die Bauabschnitte III und IV des IHK Bielstein (2,9 Millionen Euro), IHK Wiehl (770.000 €), Sanierung Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium (eine Million Euro), Zuschuss ins Eigenkapital der FSW für Hallenbad (500.000 €), Feuerwehr-Fahrzeuge (440.000 €) und zwei neue Asylbewerber-Unterkünfte (400.000 €). Aufgrund der gesteigerten Investitionen und der defizitären Situation des Ergebnisplanes muss in 2015 eine Kreditaufnahme von drei Millionen Euro eingeplant werden. Dem steht eine ordentliche Tilgung von einer Million Euro entgegen, sodass sich die Verschuldung erstmals seit 2001 wieder nach oben bewegen wird.

Aufgrund der vielen fetten Jahre seit Beginn des Jahrtausends verfügt die Stadt über eine hohe Ausgleichsrücklage. Durch die Defizite zwischen 2013 und 2018 wird diese allerdings von ursprünglich 21,1 Millionen Euro (2013) auf 6,8 Millionen Euro (2018) zusammenschrumpfen. In der Krise 2009/2010 wurden 7,8 Millionen Euro zum Haushaltsausgleich benötigt. Daher strebt die Kämmerei an, einen Sockel von acht Millionen Euro zu behalten, um die Handlungsfähigkeit der Stadt zu erhalten. Mögliche Konsequenzen sind weitere Steuererhöhungen, eine Generalrevision aller Ausgaben oder eine haushaltswirtschaftliche Sperre.

Für Bürgermeister Becker-Blonigen war es das letzte Mal, dass er dem Rat einen Haushaltsplan vorlegte und skizzierte in kurzen Ausführungen die Haushaltssituation, verbunden mit der strategischen und infrastrukturellen Ausgangslage. „Die Stadt Wiehl hat in der Vergangenheit durch massiven Schuldenabbau und durch maßvolle Ausgabepolitik eine hohe Ausgleichsrücklage angespart“, erklärte der Rathauschef. Diese wird bis Ende 2018 den Haushaltsausgleich ermöglichen. „Danach gehen nicht die Lichter aus, aber es könnte schwieriger werden“, so Becker-Blonigen.

„Es ist keine Frage, dass die Verhältnisse schwieriger werden und die Komplexität unserer Welt auch vor den Toren der kleinen Stadt Wiehl nicht Halt macht. Mit einem Rat, der sich dessen bewusst ist und die Verantwortung für das Gemeinwesen nicht scheut, und einer Verwaltung, die in diesem Sinne Offenheit praktiziert und Bürgernähe zu ihrem Markenzeichen gemacht hat, ist mir dabei vor der Zukunft nicht bange“, so der Bürgermeister weiter. Mit einem Zitat des englischen Historikers Thomas Fuller, welches er frei ins Oberbergische übersetzte, beendete Becker-Blonigen seine Haushaltsrede und forderte dazu auf, mutig zu sein: „Bangbutzen sollten doheem blieven.“
WERBUNG