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Eine Kunst-Pionierin mit großem Tatendrang

js; 26. Oct 2014, 19:50 Uhr
Bilder: Jessica Schöler --- Im Dialog dem Fördervereinsvorsitzende Hellmut Riebeling gab Mary Bauermeister Anekdoten aus ihrem Privat- und Künstlerleben preis, berichtete aber auch ausführlich über ihr Schaffen.
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Eine Kunst-Pionierin mit großem Tatendrang

js; 26. Oct 2014, 19:50 Uhr
Reichshof - Zum 80. Geburtstag von Mary Bauermeister stellt das Kunst Kabinett Hespert zahlreiche Werke der Avantgardistin aus - Bei der heutigen Vernissage gab Bauermeister Einblick in abgeschlossene und neue Projekte.
Mit ihren Werken war Mary Bauermeister anderen stets einen Schritt voraus. Sie selbst erklärt dazu: „Zeitgeist wird aus Zukunft impulsiert. Das können wir Künstler." Ihre eigene künstlerische Reise begann mit zweidimensionalen Zeichnungen, mündete in Relief- und Materialbildern und brachte sie schließlich zu den sogenannten Linsenkästen, die ihr 1964 den Durchbruch auf dem New Yorker Kunstmarkt bescherten.

Anfang 1960 legte sie mit der Eröffnung des Kölner „Atelier Bauermeister“ und den dort stattfindenden Veranstaltungen den Grundstein für eine neue Künstlerbewegung. Heute gilt sie als Mitbegründerin der sogenannten Fluxusbewegung, einer intermediale Kunstform, bei der Elemente aus Musik, Theater, Film, Kunst, Literatur und elektronischen Medien gleichberechtigt genutzt werden.


[Mary Bauermeister signierte ihr Buch „Ich hänge im Triolengitter“ und sprach mit den Gästen.]


Auch heute ist Bauermeister noch voller Tatendrang, lebt inzwischen in Reichshof, plant neue Projekte und schreibt an einem Buch. Mit einer Hommage zum 80. Geburtstag widmet ihr das Kunst Kabinett Hespert eine Ausstellung, bei der die vielfältigen Werke der Avantgardistin zu sehen sind. Stücke aus den drei Werkgruppen Staffelei, Steinbilder und optische Linsen stehen bis zum 25. Januar im Fokus der Präsentation, die heute mit einer gut besuchten Vernissage begann. Zahlreiche Gäste drängten sich im knapp bemessenen Austellungsraum, der mit Werken aus mehreren Jahrzehnten gefüllt war. Nach der Begrüßung durch Bürgermeister Rüdiger Gennies kam Bauermeister selbst zu Wort. Im Gespräch mit Hellmut Riebeling, Vorsitzender des Fördervereins, gab sie Anekdoten aus ihrem Privat- und Künstlerleben preis, berichtete aber auch ausführlich über ihr Schaffen ein.





Angesprochen auf ihre Autobiografie „Ich hänge im Triolengitter: Mein Leben mit Karlheinz Stockhausen“ nahm die 80-Jährige ihre Zuhörer völlig unbefangen und aufgeschlossen mit in die Zeit, in der sie eine Ehe zu dritt führte. „Ich würde heute niemanden dazu raten. Man könnte es als würdevolle Zeit des Leidens beschreiben“, so Bauermeister, die ihre vier Kinder schließlich alleine erzogen hat. Trotz harter Worte konnte man spüren, dass die aufgeweckte Künstlerin nicht mit Gram zurückblickt, stattdessen die Vergangenheit mit einem Augenzwinkern und viel Humor beurteilt. Ihre Anekdoten sorgten für Lacher im Publikum. Bei Wohnzimmer-Atmosphäre enführte sie in ihre ganz eigene Welt, mit speziellen Ansichten und Betrachtunsgweisen.


[Bürgermeister Rüdiger Gennies (v.l.), Mary Bauermeister, Landrat Hagen Jobi, Direktor Franz Bodod Gerano und Klangkünstler Jochen Fassbender.]


Überaus umfangreich ging Bauermeister auf ihr Schaffen und die Stationen ihres Künstlerlebens ein. Über die Zeit in Amerika und den großen Erfolg berichtete sie: „Ich war zehn Jahre in New York, das war mir ein zu materialistischer Betrieb. Ich merkte, dass ich an Qualität verlor und immer schneller produzieren musste. Das war mir suspekt.“ Schließlich kehrte sie nach Deutschland zurück, tauschte Ruhm und Geld gegen ein selbstbestimmteres Schaffen ein, entzog sich dem alles bestimmenden Kunstmarkt und stellte dort aus, wo es ihr passte.


Ihr neuester Ausstellungsort ist neben dem Kunst Kabinett Hespert ein altes Pferdegestüt in Reichshof-Oberagger. Dort will sie neben ihrem bisherigen Besitz in Rösrath eine weitere Kulturstätte einrichten. Neben einer Sammlung alter Landwirtschaftsgeräte sollen eigene Werke präsentiert und ein Künstlerasyl erschaffen werden. Der von Bauermeister erfundene Begriff „Zuvielisation“ soll mit einem großen Hauptwerk zum Ausdruck gebracht werden. „In einen Riesenmüllhaufen werde ich allen Tingeltangel meiner Jugend einarbeiten. Der Haufen ist in Schichten aufgebaut. Auf der Spitze steht der 'Homo demenz'. Das ist mein Kommentar zur gesellschaftlichen Abhängigkeit von Maschinen“, erklärt die 80-Jährige, die außerdem an einem weiteren Buch zum Thema „Esoterische Irrwege“ arbeitet.


[Der Waldbröler Klangkünstler Jochen Fassbender musizierte mit Stein und Glas.]


Die Vernissage wurde musikalisch durch den Waldbröler Klangkünstler Jochen Fassbender begleitet. Zwei Instrumente aus Stein und Glasröhrchen wurden wie ein Xylophon bespielt. Mit verschiedenen Schlägeln bearbeitete der Künstler die Steinplatten und beförderte ganz besondere Klänge zutage.


Die Ausstellung zum 80. Geburtstag von Mary Bauermeister kann bis zum 25. Januar samstags und sonntags zwischen 15 Uhr und 18 Uhr besucht werden. Für Gruppen und Schulklassen wird auch vormittags und nach telefonischer Vereinbarung unter Tel.: 01787 68 96 30 5 geöffnet. Weitere Informationen gibt es auf der Homepage des Kunst Kabinetts Hespert.
  
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