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Schule und Lernen neu gedacht

Red; 16. Sep 2014, 10:50 Uhr
Bilder: privat --- Die Gesamtschulleherer hatten die Gelegenheit, sich an zahlreichen Ständen zu informieren.
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Schule und Lernen neu gedacht

Red; 16. Sep 2014, 10:50 Uhr
Oberberg – Im Rahmen des Oberbergischen Gesamtschultages setzten sich rund 400 Lehrer mit dem Thema Heterogenität auseinander – Der Pädagoge Andreas Müller plädierte für selbstorganisiertes Lernen und individuelle Förderung.
„Schau in die Gesichter deiner Schüler, dann siehst du, ob du guten Unterricht machst“ - Dies war wohl der wichtigste Satz, den der Schweizer Pädagoge Andreas Müller den rund 400 versammelten Lehrern der oberbergischen Gesamtschulen am Oberbergischen Gesamtschultag mit auf den Weg gab. Zum siebten Mal fand der inzwischen traditionelle oberbergische Gesamtschultag statt. Teilnehmende Schulen waren die Gesamtschule Marienheide als Gastgeberin sowie die Gesamtschulen Reichshof-Eckenhagen, Gummersbach-Derschlag und Waldbröl. Das Oberthema war dieses Jahr der Umgang mit der „Heterogenität“ der Lerngruppen.

Für das Einführungsreferat konnte Andreas Müller (Bild) aus der Schweiz gewonnen werden. Seit vielen Jahren setzt der Reformpädagoge erfolgreich auf selbstorganisiertes Lernen, individuelle Förderung, gezielte Arbeitsplanung und aktive Freizeitgestaltung im Schulbereich. „Fächer, Klassenverband, Stundenplan, Prüfungen - die grundlegende Organisation von Schule stammt aus dem 19. Jahrhundert“, so Müller, „und hat sich seitdem nicht großartig verändert“. Der Rest der Welt allerdings schon: Die Schüler hätten unterschiedlichere Biografien und würden verschiedene Sprachen sprechen. Auch würden sie viel mehr Zeit vor Bildschirmen verbringen. Müller wertete das nicht, zieht aber Konsequenzen für die Organisation seiner Schule und fordert Konsequenzen für den Unterricht. Was aus Sicht des Pädagogen immer wichtiger werde, um in dieser Welt bestehen zu können, sei nicht Fachwissen, sondern persönliche Kompetenzen.


In Müllers Schule in Beatenberg werden die Schüler nicht nach Alter aufgeteilt, sondern sitzen in "Lern-Teams" zusammen, die Stärkeren sollen den Schwächeren helfen - und dabei selbst etwas lernen. Jeder Schüler hat seinen eigenen Arbeitsplatz, an dem er selbstständig und in seinem Tempo lernen kann. Ein Kompetenzraster für jedes Fach bildet ab, „was man können könnte", vor jedem Schuljahr gibt es für jeden Schüler eine Standortbestimmung. Die Lernziele werden mit dem „Coach", der nicht mehr Lehrer heißt, abgesprochen. Aus der Differenz ergibt sich der Handlungsbedarf. Verschiedene Lernnachweise zeigen die Entwicklung im Laufe des Jahres. Noten gibt es keine. Vor allem für die Lehrer ist diese neue Form der Schule eine Umstellung. „Ich komme am Morgen und gehe am Abend", berichtete Müller. Dann sei die Arbeit aber auch erledigt, es entfallen Korrekturen oder Unterrichtsvorbereitung zu Hause.



Im Anschluss konnten die Lehrer über das Gehörte diskutieren oder sich an zahlreichen Ständen informieren. Am Nachmittag gab es die Gelegenheit, sich in Workshops über aktuelle Fragen im Schulentwicklungsprozess auszutauschen. Themen waren unter anderem „Schüler-Eltern-Feedback“, „Umgang mit auffälligen Schülern“ oder der „Einsatz von Kompetenzrastern im Mathematikunterricht“. Was Heterogenität und Inklusion in der Praxis bedeutet, schilderte abschließend Rainer Schmidt, Pfarrer, Kabarettist und Paralympics-Sieger, eindrücklich und zugleich sehr unterhaltsam, indem er Erlebnisse aus seiner Kindheit lebendig werden ließ. Schmidt nannte Inklusion eine Herzensangelegenheit, die etwas zu tun hat mit Emotionen, nicht nur mit Menschenrechten.
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