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Zwischen Gaza und Oberberg

bv; 30. Jul 2014, 18:50 Uhr
Bilder: Bernd Vorländer --- Rund 50 Oberberger besuchten Michaela Engelmeier jetzt als erste Reisegruppe ihres Wahlkreises in Berlin.
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Zwischen Gaza und Oberberg

bv; 30. Jul 2014, 18:50 Uhr
Oberberg – Michaela Engelmeier ist seit rund einem dreiviertel Jahr als Bundestagsabgeordnete in Berlin tätig, hat in ihrer Fraktion die Karriereleiter erklommen und empfing jetzt ihre erste Besuchergruppe aus Oberberg in der Bundeshauptstadt.
Von Bernd Vorländer

„Schön, dass ihr da seid.“ Die Begrüßung ist kurz, aber herzlich. Michaela Engelmeier empfängt die erste Besuchergruppe aus der Heimat  in Berlin. Im September vergangenen Jahres wurde die Sozialdemokratin in den Bundestag gewählt. Die folgenden Monate waren aufregend und prägend. Am Anfang sei sie sich schon ein wenig wie ein Erstklässler vorgekommen, erzählt sie. Bundestag ist eine andere Welt als Oberberg, das meiste ist unbekannt, die Abläufe, die Räume im Reichstag wie im Bundestagsgebäude, die Ausschussarbeit, die Hintergrundgespräche. „Hätte man mich nicht an die Hand genommen, wäre mancher Termin schon daran gescheitert, dass ich den entsprechenden Raum nicht gefunden hätte“, erinnert sich die SPD-Politikerin. Und sie erwähnt lobend die Oberberg-Allianz. Ihr Kollege Klaus-Peter Flosbach (CDU) habe ihr zu Beginn viel geholfen, Türen geöffnet und Wege erleichtert.


[Michaela Engelmeier hat in ihrer Partei bereits wichtige Aufgaben übernommen und sitzt im Fraktionsvorstand der SPD.]

Wie schnell man im Berliner Betrieb die Leiter hinauffallen kann, zeigten dann die Wochen nach der Wahl. Engelmeier nimmt seitdem als Neuling im Politikbetrieb das Amt der sportpolitischen Sprecherin ihrer Fraktion wahr, sitzt im Fraktionsvorstand und im Entwicklungsausschuss. „Zu letzterem bin ich eigentlich wie die Jungfrau zum Kind gekommen“, aber es ist hoch interessant." Die SPD-Abgeordnete ärgert sich darüber, dass Deutschland seine eigenen Zielsetzungen bei der Unterstützung anderer Länder nicht in ausreichendem Maße nachkommt, „Aber da konnten wir uns gegenüber unserem Koalitionspartner nicht durchsetzen.“

Wie sehr man plötzlich bundespolitisch im Fadenkreuz von Auseinandersetzungen stehen kann, erlebte Engelmeier in den vergangenen Tagen. Nachdem sie als Berichterstatterin ihrer Fraktion für Israel und Palästina an einer Demonstration teilnahm, die Verständnis für die israelische Sichtweise äußerte, erhielt sie zahlreiche bösartige Mails, die sogar bis zur Morddrohung reichten. „Ich kann nicht verstehen, wie diese antisemitischen Auswüchse plötzlich möglich sind“, sagt die Sozialdemokratin. Beeindrucken lassen will sie sich nicht. Geplant ist sogar eine kurzfristige Reise mit französischen Parlamentariern in den Gazastreifen. „Ich bin eine Kämpferin“, will sie sich für Friedenslösungen vor Ort einsetzen. „Es gibt zu einer Zweistaaten-Regelung keine Alternative.“


Auch in ihrer Eigenschaft als sportpolitische Sprecherin vertritt Engelmeier Positionen, die in ihrer Partei durchaus diskutiert werden. Eine Bundesliga-Abgabe, wie sie in Bremen der rot-grüne Senat für Fußballspiele plant, lehnt sie ab. „Das ist kompletter Unsinn. Wo will man denn dann die Grenze setzen – etwa bei Demonstrationen. So etwas ist das Ende vieler Veranstaltungen. Dazu sage ich nein.“

Engelmeier wirbelt – eigentlich jeden Tag. Sie ist im Berliner Politikbetrieb angekommen und ihre Unnachgiebigkeit, wenn sie bestimmte Entscheidungen bremsen oder befördern will, haben auch schon andere Politiker kennengelernt. Etwa, als man Bundeszuschüsse für das Projekt „Jugend trainiert für Olympia“, streichen wollte. Gemeinsam mit Kollegen ging sie auf die Barrikaden – und hatte schließlich Erfolg. Die Mittel blieben im Haushaltsentwurf. Aber Michaela Engelmeier kennt auch die Gefahren. Sie wäre nicht die erste, der unter der Käseglocke der Bundeshauptstadt das Gefühl für die Wirklichkeit abhanden gekommen wäre. Auch deswegen ist sie froh, dass sie in der knapp 50-köpfigen Gruppe aus Oberberg viele bekannte Gesichter erkennt. „Man braucht diese Erdung, die Gespräche, die Verweise auf die Probleme in der Heimat, um die Bodenhaftung zu behalten.“ Sprichts und bricht zu weiteren Terminen auf. Eine gewisse Rastlosigkeit ist offenbar der ständige Begleiter der Politiker.  
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