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Fußball mit Biss - Schmerzensgeld bei Sportverletzungen?

Red; 28. Jun 2014, 10:00 Uhr
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Fußball mit Biss - Schmerzensgeld bei Sportverletzungen?

Red; 28. Jun 2014, 10:00 Uhr
Oberberg - Oberberg-Aktuell informiert in dieser Rubrik über Rechtsfragen - Der Service wird präsentiert von Fincke Rechtsanwälte Bergneustadt - Heute geht es um den Fall Suarez.
Von Andreas Günther – Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht

Die Szene hat noch jeder vor Augen: Italien gegen Uruguay. 79. Minute in der Hitze von Natal: Luis Suárez beißt Giorgio Chiellini. Der Schiedsrichter sieht das Foul nicht - im Spiel bleibt die Beißattacke ungesühnt. Könnte Chiellini Schmerzensgeld verlangen?

Um allen internationalen Rechtsproblemen elegant aus dem Wege zu gehen, verlagern wir der Einfachheithalber den Spielort aus dem brasilianischen Dschungel in heimische Gefilde. Damit ist deutsches Recht anzuwenden und die höchste Instanz für unsere Region - das OLG Köln könnte den Fall entscheiden. Grundsätzlich gibt es Schmerzensgeld für den Verletzten, wenn der Gegner ihm eine Körperverletzung zufügt und dabei schuldhaft handelt. Was ist aber, wenn die Verletzung beim Sport - hier einem Fußballspiel - passiert? Gilt dann etwas anderes? Mit dieser Frage hat sich das OLG Köln im Jahr 2010 befasst (27.05.2010 - AZ 19 U 32/10).

Der Fall: Bei einem Hallenturnier fällt die Entscheidung durch „Penalty“-Schießen. Der Stürmer läuft mit dem Ball aufs Tor, legt ihn sich zu weit vor, der Torwart kommt raus - beide treffen zusammen. Dabei wird der Torwart mit dem Bein im Gesicht getroffen und bleibt bewusstlos liegen. Ein Nasen- und Jochbeinbruch sind die Folge, auch der Sehnerv des linken Auges wird beschädigt. Der Torwart erblindet leider auf dem linken Auge. Er verlangt vom Gegenspieler Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Das steht ihm laut OLG Köln aber nicht zu. Dem Stürmer kann kein Schuldvorwurf gemacht werden. Er hat nicht fahrlässig gehandelt. Nach der Rechtsprechung, setzt die Haftung eines Sportlers aus § 823 Abs. 1 BGB nämlich den Nachweis voraus, dass dieser schuldhaft gegen die Regeln des sportlichen Wettkampfs verstoßen und dabei einen anderen verletzt hat. Damit scheidet eine Haftung in den Fällen aus, in denen sich ein Sportler bei einem regelgerechten und dem - bei jeder Sportausübung zu beachtenden - Fairnessgebot entsprechenden Einsatz seines Gegners Verletzungen zuzieht. Aber auch bei einem Verstoß gegen die Spielregeln – also einem Foul – ist nicht in jedem Fall eine Haftung gegeben. Hier kommen die Eigenarten der Sportart zum Tragen. Diese bestimmen die Anforderungen an die Sorgfalt die der Spieler zu beachten hat, quasi den Maßstab für das Verschulden. Zur Definition des Verschuldens-Maßstabs greift das OLG Köln auf eine Entscheidung des BGH zurück. Dieser hat sich im Weltmeisterschaftsjahr 1974 – in ähnlicher Konstellation - Gedanken zum Fußball zu gemacht:

„Fußball ist ein Kampfspiel, d.h. ein gegeneinander ausgetragenes "Kontaktspiel" - bei dem es also zu körperlichen Berührungen kommt -, das unter Einsatz von Kraft und Geschicklichkeit geführt wird und das wegen des dieser Sportart eigenen kämpferischen Elementes bei dem gemeinsamen "Kampf um den Ball" nicht selten zu unvermeidbaren Verletzungen führt.“

Mit solchen Verletzungen rechnet jeder Spieler, ebenso damit, dass der Gegenspieler sie in Kauf nimmt. Er vertraut auch darauf, dass die Mit- und Gegenspieler keine Haftungsansprüche geltend machen. Nicht jedes Foul führt also zu einer Haftung sondern nur,

„…wenn die durch den Spielzweck gebotene bzw. noch gerechtfertigte Härte die Grenze zur Unfairness überschreitet. Solange sich das Verhalten des Spielers noch im Grenzbereich zwischen kampfbetonter Härte und unzulässiger Unfairness bewegt, ist ein Verschulden trotz objektiven Regelverstoßes nicht gegeben.“

Der Stürmer vom Hallenturnier hat diese Grenze nicht überschritten. Es war kein unfairer Zweikampf, so die Richter. Schmerzensgeld musste er nicht zahlen. Bitter für den Torwart. Wenigstens zahlte ihm aber die Versicherung des Turnierveranstalters eine – wenn auch kleinere – Entschädigung von 28.000 Euro.

Zum Schluss: Nach den Fernsehbildern dürfte unser uruguyanischer Freund Suárez sogar mit Absicht gehandelt haben. Unfair! Ein klarer Regelverstoß - beißen ist im Fußball nicht erlaubt. Chiellini könnte also mit Erfolg Schmerzensgeld einfordern.
  

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