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„Wegelagerei und pure Abzocke“

ch; 21. Aug 2011, 00:25 Uhr
Bilder: Christian Herse --- Insgesamt 53 Motorradfahrer wurden gestern kontrolliert - doch dies war nur ein Bruchteil derer, die am Samstag in Wirklichkeit die K19 befahren haben.
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„Wegelagerei und pure Abzocke“

ch; 21. Aug 2011, 00:25 Uhr
Lindlar/Engelskirchen – Das neu eingeführte Fahrverbot für Motorräder auf der K19 wurde gestern massiv von der Polizei kontrolliert – Über 150 Kradfahrer widersetzten sich der Sperre – Äußerst geteiltes Echo bei den Ertappten.
Von Christian Herse

Die Gesichtsausdrücke reichten von purem Zorn bis zur völligen Fassungslosigkeit. Seit Donnerstag gilt auf der K19 entlang der Leppedeponie ein Fahrverbot für alle Zweiräder – unter der Woche von 17 bis 22 Uhr, am Wochenende sowie feiertags zwischen 8 und 22 Uhr. Doch obwohl sowohl in den Medien als auch in Foren zahlreich über die Sperrung berichtet und diskutiert wurde, wussten gestern scheinbar nur die wenigsten Verkehrsteilnehmer darüber Bescheid.

[Nur wenig Verständnis für die "Sittenwidrigkeit" hatte dieser Kradfahrer aus Düsseldorf.]

Entsprechend verwundert waren die meisten Kradfahrer, als sie am Samstag von der Polizei herausgewunken wurden. Keiner Schuld bewusst, steuerten sie ihre Maschinen an den Straßenrand und hörten dann umso überraschter, dass sie gerade gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen hatten. „Ich fahre seit über 30 Jahren diese Strecke. Da achte ich nicht mehr auf die angebrachten Schilder“, versuchte ein Bergisch Gladbacher eine Antwort für sein Fehlverhalten zu finden. Andere gaben sich dabei weniger diplomatisch und bezeichneten die Polizeiaktion als „Wegelagerei und pure Abzocke“. Polizeikommissar Marc Coroly entgegnete besonnen auf diese Vorwürfe und verwies an die Kreisverwaltung: „Schreiben Sie denen einen Brief und schildern Sie dort Ihre Meinung.“ Nach seinen bisherigen Erfahrungen gaben sich die meisten Kontrollierten einsichtig, nachdem man ihnen die Hintergründe für die Sperrung erklärt hatte. Viele zeigten sich enttäuscht, dass nun eine weitere Motorradstrecke den Rasern zum Opfer gefallen ist. „Natürlich ist es traurig, dass man aufgrund einer Minderheit so weitreichende Konsequenzen für die große Mehrheit einführen muss.“

Dies sah auch ein Kradfahrer aus Düsseldorf so, der das Durchfahrtverbot für sittenwidrig und einen Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte hält. „Ein Landkreis darf sich doch nicht über gültige Gesetze hinweg setzen und einfach irgendwelche Straßen sperren“, begründete er sein Unverständnis und kündigte an, seinen Anwalt diesbezüglich einzuschalten. Es sei eine Güterabwägung, die man durchzuführen habe, und dabei wurde seitens der Politik entschieden, dass eine Sperrung das beste Mittel wäre, entgegnete Coroly. "Und genau das setzen wir jetzt durch und kontrollieren entsprechend." Er ist sich sicher, dass auch in Motorradfahrerkreisen der Ausfall dieser Strecke bald auf Akzeptanz stoßen werde.

["Führerschein und Fahrzeugpapiere" wollten die Beamten gestern von 53 Kradfahrern sehen.]

Bis dahin kündigte er aber noch weitere Maßnahmen an. „Wir werden am Sonntag hier stehen und auch in der kommenden Woche in den Abendstunden.“ Jeder Ertappte musste ein Ordnungsgeld in Höhe von 15€ an Ort und Stelle zahlen – über 53 gingen der Polizei alleine am Samstag zwischen 11:30 und 17 Uhr ins Netz. Die Dunkelziffer dürfte jedoch deutlich höher liegen, da die zwei Beamte nach eigener Aussage nur jeden Dritten überhaupt kontrollieren konnten. „Wir haben gar nicht genug Leute, um alle aus dem Verkehr zu ziehen.“ So kann davon ausgegangen werden, dass weit über 150 Kradfahrer sich dem Verbot alleine am Samstag widersetzt haben.

Ein Hauptkritikpunkt vieler war die Unübersichtlichkeit der Schilder: „Wir haben extra angehalten und uns das Fahrverbotsschild angeschaut. Dass die K19 am Wochenende für Biker voll gesperrt ist, war für uns nicht ersichtlich“, erklärte ein Kradfahrer stellvertretend für viele am gestrigen Tag.


[Eigentlich an mehreren Stellen gut sichtbar wurden die Verbotsschilder für Kradfahrer aufgestellt. Dennoch wurden sie häufig übersehen oder missverstanden.]

Andere kritisierten, dass von der Sperrung jedes motorisierte Zweirad betroffen ist. „Mein Stiefsohn ist mit dem Mofa unterwegs und darf jetzt einen Umweg von mindestens zehn Minuten für eine sonst drei Minutenstrecke in Kauf nehmen“, äußerte sich ein Anwohner.

Die Signalwirkung der Sperrung darf indes bezweifelt werden. Denn bereits gestern hatten Kradfahrer scheinbar eine neue Strecke zum Schnellfahren ausgemacht: Einige Bikergruppen sammelten sich in Eichholz und Engelskirchen und testeten mehrfach auf der kurvenreichen L299 die Griffigkeit des Asphalts aus.


  
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