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'Terrorakte sind Gotteslästerung'

bv; 28. Jul 2016, 15:20 Uhr
Bild: Bernd Vorländer --- Superintendent Jürgen Knabe befürchtet, dass Migranten nach den Terroranschlägen der jüngsten Zeit jetzt unter Generalverdacht gestellt werden könnten.
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'Terrorakte sind Gotteslästerung'

bv; 28. Jul 2016, 15:20 Uhr
Oberberg - Der Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises an der Agger, Jürgen Knabe, fordert angesichts der Terrorgefahren zu Besonnenheit und dem überkonfessionellen Eintreten gegen jede Form von Gewalt auf.
Von Bernd Vorländer

OA: Wie geht es Ihnen, wenn Sie die Bilder von Amokläufen und Terror im Fernsehen sehen?
Knabe: Ich bin wie alle Menschen tief erschüttert und entsetzt. Dass sich dies offenbar auch in unserem Land ausweitet, besorgt mich sehr. Zugleich habe ich mich gefragt, was der Beitrag der christlichen Kirchen sein kann, um ein friedliches Miteinander der Religionen zu gewährleisten. Terrorakte haben mit Glaube und Religion nichts mehr zu tun. Sie sind Gotteslästerung.

OA: Viele Menschen bekommen Angst angesichts der schlimmen Bilder. Sämtliche Täter der vergangenen Wochen hatten einen Migrationshintergrund. Befürchten Sie, dass alle Migranten jetzt in einen Generalverdacht geraten?
Knabe: Das könnte passieren – und das wäre schlimm. Pauschalverdächtigungen könnten eine Folge der Ereignisse sein. Wir sollten besonnen sein in unserem Urteil und uns dabei nicht von Emotionen leiten lassen. Die Strategie der islamistischen Terroristen hat sich verändert. Zunächst wollte man an symbolischen Orten wie beim Angriff auf das World Trade Center 2001 Zeichen des Terrors setzen, heute soll jeder an jedem Ort Opfer werden können. Natürlich müssen wir als Gesellschaft entschlossen gegen Gewalt vorgehen und handeln.

OA: Was sagen Sie den Menschen, die sich darum sorgen, dass viele Flüchtlinge nicht registriert wurden und die zunehmend bezweifeln, ob die bisherige Flüchtlingspolitik zum Erfolg führen kann?
Knabe: Ich bin davon überzeugt: 99,99 Prozent der Menschen, die zu uns kommen, sind selbst vor dem islamistischen Terror, vor Bedrohung und unmenschlichen Lebensumständen geflohen. Sie sind Opfer, sie bitten um Hilfe und sind friedliebend. Niemand kann allerdings ausschließen, dass sich in äußerst geringer Zahl auch Gewalttäter unter denjenigen befinden, die eingereist sind. Hier muss zum einen der Staat prüfen, was an zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen jetzt geboten ist. Zum anderen müssen wir als Gesellschaft noch viel stärker Maßnahmen auf den Weg bringen, um Menschen, die bei uns Schutz suchen, durch Sprache, Bildung und Gemeinschaftsaktionen zu integrieren. Das bedarf Anstrengungen auf beiden Seiten. Natürlich müssen alle Menschen, die zu uns kommen, unsere Werte anerkennen: die Menschenwürde, Persönlichkeitsrechte, die Tatsache, dass Mann und Frau gleiche Rechte haben, wie auch die Religions- und Meinungsfreiheit. Und sie müssen selbstverständlich unsere Gesetze einhalten.


OA: Müssen nicht die unterschiedlichen Religionen verstärkt nach außen sichtbar machen, dass bestimmte Werte religionsübergreifend gelebt werden – etwa, dass man gemeinsam Gewalt ablehnt und kein Glaube sich über den anderen erheben darf?
Knabe: Genau dies ist mein Ziel, wenn wir nach den Sommerferien unser nächstes großes Treffen der Religionen haben. Wir müssen einer pauschalen Kategorisierung und Verurteilung von Religionen entgegenwirken. Terror ist Pervertierung von Religion. Der Kombination von Religion und Gewalt müssen wir nachdrücklich entgegentreten. Religiöser Fundamentalismus gefährdet den Friedensbeitrag der Religionen. Es ist alles dafür zu tun, Religionskonflikte zu vermeiden. Alle Religionen müssen sich mit ihren Heiligen Schriften selbstkritisch auseinandersetzen und ihr Friedenspotenzial zum Kern des Zusammenlebens machen.

OA: Auch Kirchen werden – wie in Frankreich – Ziel des Terrors. Braucht es hier besonderen Schutz?
Knabe: Das wäre eine Horrorvorstellung, denn gerade Kirchen sind ja offen. Praktisch lässt sich ein solcher Schutz nicht umsetzen und wir Christen wollen keine bewachten Kirchentüren. Wichtig ist jetzt, dass wir besonnen urteilen, entschlossen handeln und die Politik der Liebe und Barmherzigkeit fortsetzen. Hier vertraue ich darauf, dass Gott uns nicht den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit schenkt.
  
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