Archiv

Ist Deutschland reif für ein neues Wintermärchen?

pn; 10. Jan 2019, 14:30 Uhr
Archivbild: Alexander Arnold ---- Paul Drux und Jannik Kohlbacher kämpfen ab heute um den Titel.
ARCHIV

Ist Deutschland reif für ein neues Wintermärchen?

pn; 10. Jan 2019, 14:30 Uhr
Oberberg - Oberberg-Aktuell hat vor dem Eröffnungsspiel der Handball-Weltmeisterschaft bei den heimischen Oberliga-Trainern ein Stimmungsbild eingeholt.
Von Peter Notbohm


Wenn heute Abend die deutsche Nationalmannschaft das Eröffnungsspiel der Handball-Weltmeisterschaft gegen die gesamtkoreanische Auswahl bestreitet, werden wieder sämtliche Augen auf Christian Prokop und sein Team gerichtet sein. Werden Paul Drux & Co eine ähnliche Euphorie wie 2007 im Land entfachen können oder wird es ein böses Erwachen wie bei der Europameisterschaft im vergangenen Jahr geben? Oberberg-Aktuell hat die heimischen Oberliga-Trainer gefragt, wo sie das deutsche Team sehen und ob der Bundestrainer aus ihrer Sicht die richtigen Spieler nominiert hat.


Als Titelfavorit will keiner der hiesigen Übungsleiter die deutsche Equipe trotz des Heimvorteils nennen. Hier sehen Ralph Weinheimer, Dirk Heppe, Michiel Lochtenbergh und Nils Hühn vor allem Frankreich und Mitausrichter Dänemark in der Pflicht. Am defensivsten formuliert es Oberwiehls Coach Hühn: „Uns fehlt in Deutschland derzeit ein Spieler, der alles kurz und klein schießen kann. Die Hauptrunde werden wir zwar sicher erreichen, aber danach wird viel von der Euphorie abhängen.“ Wie weit diese eine Mannschaft tragen kann, hat der 35-jährige während seines Studiums in Köln allerdings auch hautnah erlebt. Prokop habe es bei seiner Nominierung ohnehin schwer gehabt, da viele Spieler aus Verletzungspausen gekommen seien. „Aber man muss an dieses Team nun auch glauben. Wir haben eine gute Abwehr und verfügen über hervorragende Torhüter“, kann er unter anderem die Kritik des früheren Weltmeisters Michael Krauß überhaupt nicht nachvollziehen.



Auch Derschlags Trainer Ralph Weinheimer sieht den Kader grundsätzlich gut aufgestellt. Lediglich die Nicht-Nominierung von Tobias Reichmann, der sich nach seiner Ausbootung mit herben Spitzen Richtung DHB über seinen Instagram-Account in den USA-Urlaub verabschiedete und damit wohl die Tür für eine Nachnominierung zugeschlagen haben dürfte, sorgte auch bei ihm für Verwunderung. Allerdings nicht weil Patrick Groetzki damit der einzige Rechtsaußen im Kader ist, sondern weil er Reichmann schlicht für den besseren Flügelspieler hält. Auch das sture Festhalten an Uwe Gensheimer stört Weinheimer ein wenig: „In den wichtigen Spielen taucht er mir zu häufig ab. Aber Christian Prokop sieht die Jungs im Training und wird auch mit den Vereinstrainern im ständigen Kontakt sein.“ Den Titel würde er dem deutschen Team zwar wünschen, um endlich wieder einen Aufschwung für den Sport zu erzeugen, sieht derzeit aber das Halbfinale als Optimum an: „Das ist ein realistisches Ziel und ab da entscheiden ohnehin nur noch Nuancen.“




Leichte Zweifel hinsichtlich der Kaderzusammenstellung äußert auch Nümbrechts Trainer Dirk Heppe, der im rechten Rückraum den Hannoveraner Kai Häfner vermisst und sich ebenfalls ein wenig über die Nicht-Nominierung von Tobias Reichmann wunderte. „Aber als Außenstehender ist das ohnehin ein schwieriges Urteil“, hat ihn Balingens Zweitligaprofi Martin Strobel auf der Spielmacherposition in den beiden Testspielen vor dem Turnier allerdings auch wenig überzeugt. Das Erreichen der Hauptrunde ist für Heppe eine Pflichtaufgabe. Aber auch die Halbfinalqualifikation hält er für realistisch. „Dafür ist die Mannschaft auch gut genug. Wir werden aber auch ein wenig Glück benötigen“, erinnert er sich noch bestens an die letzten Weltmeisterschaft im eigenen Land: „Auch damals hat der Heimvorteil eine Rolle gespielt und wir sind keineswegs mit Glanz und Gloria durch das Turnier gerauscht.“

Einen etwas anderen Blick auf die Nominierungssituation hat dagegen Strombachs Trainer Michiel Lochtenbergh. Der frühere niederländische Nationalspieler kann die Diskussionen zwar verstehen, weiß aber, dass Trainer häufig auf vertraute Mechanismen setzen: „In so einer kurzen Phase vor einem Turnier passiert taktisch nicht mehr viel. Paul Drux, Fabian Wiede und Steffen Fäth sind eine Achse, die sich aus Berlin kennen. Deshalb kann ich auch verstehen, dass auf bestimmte Spieler gesetzt wird.“ Dem deutschen Team traut er indes das Halbfinale durchaus zu. Der Turnierbaum sei günstig für die Prokop-Equipe, so dass gerade in den Auftaktspielen wichtiges Selbstvertrauen gesammelt werden könne: „Ab dann sind viele kleine Faktoren entscheidend. Der Heimvorteil kann in den schweren Spielen sehr wichtig werden und man hat vor zwei Jahren gesehen, dass das deutsche Team überraschen kann, weil die Qualität einfach vorhanden ist.“
  
WERBUNG