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Fünf Tote bei schrecklichem Busunglück

bv,ch; 23. Sep 2009, 12:20 Uhr
Bilder: Christian Herse, Frank Wappler - FTR24 --- Schwierig gestalteten sich die Bergungsmaßnahmen in dem unwegsamen Gelände. In dem Bus starben fünf Personen.
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Fünf Tote bei schrecklichem Busunglück

bv,ch; 23. Sep 2009, 12:20 Uhr
Radevormwald – 210 Rettungskräfte nach Großalarm im Einsatz - Sieben zum Teil schwer Verletzte - Sachverständiger hat die Arbeit aufgenommen (AKTUALISIERT vom 22.9.2009).
[Der Bus blieb auf der Seite liegen, nachdem er 25 Meter in die Wupper gestürzt war.]

Ein lauter Knall riss heute viele Bewohner von Dahlhausen aus ihrer Mittagsruhe. Um 11:50 Uhr war ein Bus der Linie 626, in dem zwölf Menschen saßen, von Radevormwald-Dahlerau nach Dahlhausen unterwegs. Der 45-jährige Busfahrer hatte an der Haltestelle "Vogelsmühle" noch einige Fahrgäste aussteigen lassen und befuhr dann mit seinem Fahrzeug das Steilstück der Wuppertalstraße. Aus bislang ungeklärter Ursache wurde nach Polizeiangaben der Bus der Firma Klingenfuß aus Velbert, die im Auftrag des Busverkehrs Rheinland die Linienfahrt durchführte, immer schneller und geriet in einer leichten Linkskurve auf den Seitenstreifen. Ungebremst durchbrach er die Leitplanke, stürzte eine 25 Meter steile Böschung hinunter und landete schwer beschädigt auf der Seite liegend teilweise in der Wupper.

[Die Toten konnten erst nach Stunden geborgen und abtransportiert werden.]

„Es hat sich angefühlt, als wenn ein Haus einstürzen würde. Der Boden bebte und danach gab es einen entsetzlich lauten Knall“, berichtete der Anwohner Ferdinand Stork, der in Dahlhausen nur wenige Meter von der Unfallstelle entfernt wohnt. Sofort sei er zum Ort des Geschehens gelaufen, wo bereits erste Rettungskräfte eingetroffen waren. Nach Informationen von Oberberg-Aktuell war das Fahrzeug erst vor kurzem in Betrieb genommen worden. Nach dem Aufprall im Wasser konnten sich einige Fahrgäste selbst befreien und die Notdienste alarmieren. Besucher und Mitarbeiter eines nahe gelegenen Discount-Marktes leisteten sofort Erste Hilfe. "Die erste Meldung war, dass ein Bus in die Wupper gefahren sei", erklärte Polizeisprecher Jürgen Dzuballe. Einige Personen waren noch im Bus oder unter diesem eingeklemmt und mussten befreit werden.

[Notfallseelsorger kümmerten sich um die Feuerwehrleute und Angehörige.]

Für die Rettungskräfte - unter ihnen 130 Feuerwehrleute und 30 Polizeibeamte - wurde Großalarm ausgelöst. Das Rote Kreuz eilte mit über 50 Helfern und neun Fahrzeugen zur Unglücksstelle. Zusätzlich wurde im Kreishaus eine Personenauskunfts-Stelle (KAB) durch das DRK besetzt, die Anfragen entgegennahm und bearbeitete. Dort konnten sich Angehörige von Betroffenen melden. Die Rettungshubschrauber Christoph 9 aus Lünen, Christoph Rheinland und Christoph 3 waren ebenso im Einsatz wie elf Rettungswagen, fünf Notärzte und elf Notfallseelsorger. Neben der örtlichen Feuerwehr waren auch ein Löschzug aus Wuppertal, Einheiten der Feuerwehr Köln zur Wasserrettung sowie Unterstützung aus Halver, dem Märkischen Kreis, Remscheid sowie dem Ennepe-Ruhr und die DLRG vor Ort. Koordiniert wurden die Kräfte vom Feuerwehreinsatzleiter Wilfried Fischer sowie dem Organisatorischen Leiter Rettungsdienst, Andreas Schneider, die sich immer wieder mit der Polizei und dem Leitenden Notarzt berieten.

Die Polizei hatte den Bereich weiträumig abgesperrt. Radevormwalds Bürgermeister Dr. Josef Korsten eilte ebenso an die Unglücksstelle, wie am Nachmittag Landrat Hagen Jobi und NRW-Innenminister Ingo Wolf. Sie ließen sich direkt vor Ort über den Stand der Rettungsmaßnahmen und die Untersuchung der Unglücksursache informieren. "Unser Mitgefühl gilt jetzt den Betroffenen und Angehörigen. Wir sind erschüttert über das Ausmaß dieses Unglückes. Den Einsatzkräften danken wir für ihren unermüdlichen Einsatz bei der Bewältigung dieser schwierigen Lage", erklärten die beiden Politiker auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz.

[Der Bus war offenbar ungebremst in einer leichten Linkskurve von der Fahrbahn abgekommen und hatte die Leitplanke durchschlagen.]

Auch Stunden nach dem schrecklichen Unglück war noch nicht klar, wie viele Personen sich noch möglicherweise unter dem Bus befanden. Erste Angehörige und Freunde trafen ein, um sich über den Gesundheitszustand der Betroffenen zu informieren. Sie wurden genauso seelsorgerisch betreut, wie die Feuerwehrleute. Die Zahl der Toten erhöhte sich stündlich. Laut Polizeiangaben wurden fünf erwachsene Businsassen tot geborgen - zwei 70 und 71 Jahre alte Mitfahrer aus Schwerte, ein 38-jähriger Mann aus Radevormwald, eine 80-jährige Frau sowie der 45-jährige Busfahrer. Eine 81-jährige Frau mit schweren Gesichtsverletzungen und weitere Schwerverletzte  wurden vor Ort notversorgt und in  Krankenhäuser gebracht.  Insgesamt wurden sechs Menschen schwer und eine leicht verletzt. Der Zustand der Senioren hat sich über die Nacht stabilisiert, sodass mittlerweile keine Lebensgefahr mehr besteht. Glücklicherweise bestätigten sich erste Meldungen, wonach auch ein Kind vermisst wurde, nicht. Jedoch befand sich ein Jugendlicher unter den Verletzten.

  
Einem aus Wuppertal herbeigerufener Kran gelang es, den Bus im unwegsamen Gelände wieder aufzustellen. Unter dem Fahrzeug fanden die Rettungskräfte glücklicherweise keine weiteren Opfer. Taucher der DLRG und der Feuerwehr suchten dennoch vorsorglich die Wupper ab.

[Auf einem nahegelegenen Parkplatz wurde eine Patientensammelstelle eingerichtet.]

Über die Ursache kann derzeit nur spekuliert werden. Zwar ist die Straße an der Unfallstelle leicht abschüssig, allerdings nicht so stark, als dass der Bus hätte so massiv beschleunigen können. Augenzeugen berichteten, dass das Fahrzeug immer mehr an Fahrt aufgenommen habe und ohne einzulenken in die Leitplanken geprallt sei. Die Polizei hat eine Obduktion des Fahrers angeordnet, da neben einem technischen Defekt auch ein Herzinfarkt oder ein Schwächeanfall nicht ausgeschlossen werden können. Am späten Abend gelang es einem Bergungsunternehmen mit einem Spezialkran den völlig zerstörten Bus aus dem Flussbett zu heben. Anschließend wurde das Fahrzeug auf ein Gelände nach Radevormwald gebracht, wo derzeit ein Kölner Sachverständigenteam nach der Unfallursache forscht. Unter anderem wird derzeit der Fahrtenschreiber ausgewertet.

Bereits vor 38 Jahren ereignete sich in der Nähe der jetzigen Unfallstelle ein folgenschweres Unglück. Damals, am 27. Mai 1971, stieß bei Dahlerau ein Schülersonderzug mit einem Nahgüterzug zusammen. Bei dem Frontalzusammenstoß starben 41 Schüler und zwei Lehrer der Radevormwalder Geschwister Scholl-Hauptschule sowie eine Begleiterin und zwei Eisenbahner.

Bürgermeister Korsten zeigte sich angesichts des Ausmaßes der Katastrophe fassungslos: „Als ich am Wuppermarkt eintraf, waren die Rettungsarbeiten bereits im vollen Gange. Ich möchte den Kräften ein großes Lob für das professionelle und schnelle Arbeiten unter schwersten Bedingungen aussprechen. Dies ist ein schwarzer Tag für Radevormwald.“ 

Den Artikel über die geplante Trauerfeier lesen Sie hier.
Link: Der Ernstfall, den niemand proben konnte
Zwischenruf: Der Grat zwischen Berichterstattung und Sensationsgeilheit





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