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Neue Mitte, neuer Südring – neue Moschee?

fj; 16. Nov 2018, 12:55 Uhr
Bilder: Michael Kleinjung
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Neue Mitte, neuer Südring – neue Moschee?

fj; 16. Nov 2018, 12:55 Uhr
Bergneustadt - Beim 4. Bürgerforum wurde von vielen positiven Entwicklungen berichtet, meist diskutiert war aber das Thema „Türkisches Kulturzentrum“ - Bürgermeister fand deutliche Worte und sprach sich gegen Großmoschee aus.
Von Fenja Jansen

Als Bürgermeister Wilfried Holberg 2015 zum ersten Bürgerforum lud, erhitzten sich die Gemüter vor allem an einem Rekord-Hebesatz von 959 Prozentpunkten bei der Grundsteuer B. Verändert hat sich diese Zahl seitdem zwar nicht, statt Verdruss und Ärger gab es diesmal aber Applaus für Kämmerer Bernd Knabe, der den Haushaltsplanentwurf 2019 vorstellte und auf den dritten ausgeglichenen Haushalt in Folge verweisen konnte. Dass die Stadtverwaltung den Hebesatz nicht auf diesem Rekordhoch halten möchte, sondern muss, solange Eigenkapital verzehrt wird, scheint angekommen zu sein. „Es wird noch etwas dauern, aber es wird uns gelingen, den Schnorchel wieder über Wasser zu bekommen. Das ist dann nicht nur der Verdienst der Verwaltung, sondern auch der eines jeden Bergneustädters“, lobte Holberg und machte Hoffnung auf eine Zukunft ohne Schuldenberge und Rekordsteuersätze. (Weitere Informationen zum Haushaltsplanentwurf gibt es hier.)


[Bergneustadts Bürgermeister Wilfried Holberg.]

Lust auf die Zukunft in der Feste machten auch die Gäste, die der Bürgermeister für den gestrigen Abend eingeladen hatte. So berichtete Sparkassendirektor Frank Grebe von der Fusion der Sparkasse Gummersbach-Bergneustadt und der Sparkasse der Homburgischen Gemeinden zur Sparkasse Gummersbach. „Es entsteht eine neue, zukunftsfähige Sparkasse, die trotzdem tief in der Region verwurzelt ist und die Belange der Menschen hier vor Ort aus langer Erfahrung kennt“, so Grebe (mehr zur Sparkassen-Fusion gibt es hier).

Auf eine starke Zukunft in Bergneustadt setzt auch die Firma Gizeh Verpackungen GmbH: Weil zunehmend auch bei großen Veranstaltungen Abfall reduziert werden soll, steigt die Nachfrage nach im Hause Gizeh bedruckten Mehrwegbechern stetig. „Wir beliefern Großveranstaltungen wie Rock am Ring und Wacken, aber auch den Vatikan“, konnte Gizeh-Geschäftsführer Ralf Jung berichten. Nun muss eine neue Produktionsstätte her, um Platz für Digitaldruckmaschinen zu schaffen. Gebaut werden soll die rund 2.000 Quadratmeter große Halle nördlich der jetzigen Produktion am Breiten Weg, die Fertigstellung ist für Ende 2019 geplant.


[Gizeh-Geschäftsführer Ralf Jung (oben) und Immobilienentwickler Paul Daub.]

Auf eine Frage aus dem Publikum hin bestätigte Jung, dass man sich zu einem späteren Zeitpunkt gerne in Richtung Stadtwald vergrößern würde, konnte aber die beruhigen, die sich um den Fortbestand des dortigen Feuerwehrfestes sorgten: „Auf der Fläche, die wir im Auge haben, stehen derzeit nur Sträucher und Bäume. Das Feuerwehrfest könnte also wie gewohnt stattfinden, die Besucher würden nur auf die Halle gucken, statt auf Sträucher“. Angesichts 70 neuer Arbeitsplätze und zusätzlichen Gewerbesteuern war dieser Umstand für die Bergneustädter aber leicht zu verschmerzen.


[Sparkassendirektor Frank Grebe (li.) und Bürgermeister Wilfried Holberg.]

Lust auf die „Neue Mitte“ machten die Pläne, die der Siegener Immobilien-Entwickler Paul Daub stellvertretend für die Investorengruppe vorstellte, die das ehemalige Müller-Gelände ersteigert hat: Im kommenden Frühjahr soll der Abbruch der ehemaligen Kaufhalle beginnen, in einem zweiten Abschnitt folgt der Abbruch von drei Häusern an der Othestraße (gegenüber dem alten Rathaus). So wird Platz für neue Gebäude geschaffen, deren konkrete Planung auf dem nächsten Bürgerforum vorgestellt werden soll. „Heute kann ich Ihnen so viel versprechen: Die neue Bebauung wird sich auf die Othestraße konzentrieren, sodass sich die Kölner Straße zur Bahnstraße hin öffnet und das Areal insgesamt heller und durchgängiger wird. Neben dem Rathaus- und dem Graf-Eberhard-Platz wird ein weiterer Platz entstehen, der den Blick zur Altstadt öffnet“, erklärte Daub.



Schon im Dezember verschwinden die ersten großen Antennen von den Dächern des Stadthotels und des anliegenden Hochhauses. 2019 beginnt dann die Sanierung, beide Gebäude bekommen eine neue Fassade samt Balkonen und Außenaufzügen, außerdem wird eine energetische Sanierung durchgeführt. Mitte 2021 soll die „Neue Mitte“ fertig sein. „Es ist ein Glück, dass es hier Menschen gibt, die mit viel Idealismus viel Geld in die Hand nehmen“, dankte Holberg den Investoren. Zu diesen zählen neben dem Daub und der Sparkasse Gummersbach-Bergneustadt Bergneustädter Familien, die weiterhin nicht genannt werden möchten.


[Bernd Schneider vom Ingenieurbüro D&M Klaus Marenbach.]

Zur „Neuen Mitte“ erhalten die Bergneustädter bekanntlich einen frisch sanierten Südring. Bernd Schneider vom Ingenieurbüro D&M Klaus Marenbach stellte die Pläne vor: Die Bergneustädter blicken einer sechsmonatigen Baumaßnahme (März bis September 2019) entgegen, die aufgrund geltender Richtlinien nur unter Vollsperrung durchgeführt werden kann. In einem ersten Bauabschnitt (vier Wochen) werden die Auf- und Abfahrrampen Pochwerk saniert, da über diese später der Umleitungsverkehr fließt. Dieser wird über Derschlag geführt, der Baldenberg bleibt aus Richtung Bergneustadt über die Ennestraße erreichbar (Einbahnstraßenregelung, Sperrung für Fahrzeuge über 7,5 Tonnen). In Gegenrichtung muss die Umleitung über Derschlag genutzt werden. „Hier wird eine Baustellenampel installiert und permanent videoüberwacht, sodass auf den Verkehr reagiert werden kann. Für Feuerwehr und Rettungsdienst wird eine ‚Alles-Grün-Schaltung‘ eingerichtet“, erklärte Schneider (mehr Informationen zum Thema gibt es hier).

Neue Sparkasse, neue Gizehhalle, Neue Mitte, neuer Südring – aber auch ein neuer Gebetsraum für die muslimische Bevölkerung? Auf die mit den meisten Emotionen behaftete Frage des Abends konnte auch der Bürgermeister keine konkreteAntwort geben: Nachdem die Ratsfraktionen jegliche Bebauungen der Grünanlage ablehnten und somit einen Strich durch die Pläne des Bergneustädter Kulturvereins, hier ein türkisches Kulturzentrum zu errichten, machten, richtete dieser seinen Blick auf den Standort des Hagebaumarkts und legte der Stadt ein Nutzungskonzept mit einer Fläche von 1.500 Quadratmetern vor. Diese äußerte vor allem zwei Vorbehalte: Die schiere Größe des Vorhabens und die Trägerschaft des türkisch-islamischen Kulturvereins Ditib. „Was folgte, war Funkstille“, rekapitulierte der Bürgermeister, der den Tag der offenen Moschee im Oktober dazu nutzte, der Gemeinde einen Besuch abzustatten und den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen.

Es folgte ein Gesprächsangebot des Ditib Bundesvorstandes. „Durch alle Fraktionen erfüllt uns die offenkundige enge Anbindung der Ditib an die Türkei und die Regierungspartei AKP durchaus mit Sorge, dennoch werden wir das Gesprächsangebot annehmen“, so der Bürgermeister. Er stellte klar, dass er der muslimischen Bevölkerung gerne zu ihrem Recht auf einen angemessenen Gebetsraum verhelfen will – man müsse jedoch eine Dimension finden, die von allen Bergneustädtern akzeptiert wird. „Ich sage ihnen, wenn es uns nicht gelingt, in der Bevölkerung Akzeptanz für dieses Projekt herzustellen, dann wird es Kräfte geben, die das so ausnutzen, dass wir am Ende komplett vor die Wand fahren“, warnte der Bürgermeister vor Grabenkämpfen innerhalb der Bergneustädter Bevölkerung. „Auch wenn wir hier mehr nebeneinanderher statt miteinander leben, so tun wir dies doch ohne Gewalt, Eskalationen oder tiefgreifende Probleme. Lassen Sie uns dieses Nebeneinander einfach noch besser organisieren und an Lösungen arbeiten, mit denen alle Teile der Bevölkerung zufrieden sein können“, forderte der Bürgermeister auf, im Dialog zu bleiben.


[Abdullah Ulay vom Moscheeverein und Bürgermeister Holber (oben). Bei der Diskussion zur Moscheeplanung wurde die ein oder andere Reibungsstelle zwischen den Bevölkerungsteilen Bergneustadts deutlich.]

Wortmeldungen, die in die Richtung zielten, dass dem Bauvorhaben der türkischen Bevölkerung bewusst Steine in den Weg gelegt würden, wies der Bürgermeister entschieden von sich: „Sie habe ein Recht auf einen angemessenen Gebetsraum und ich will bei der Umsetzung unterstützen, wo ich kann. Ich sage Ihnen aber auch: Eine weitere Großmoschee zwischen Köln und Siegen kann es nach meinem Dafürhalten auf Bergneustädter Boden nicht geben“, fand Holberg deutliche Worte um klar zu machen, dass es ihm nicht darum geht, das Vorhaben zu verhindern, sondern das Maß und Mitte gefunden werden müssten.

Mit viel Applaus wurde ein Vertreter des Hagebaumarktes bedacht, der verkündete, dass man sich in seinem Haus dazu entschieden habe, Bergneustadt an einem anderen Standort treu zu bleiben, sollte das türkische Kulturzentrum tatsächlich am jetzigen Standort des Baumarktes entstehen. Dass Hagebau auf das alte, zunehmend verfallene Extra-Areal gegenüber Metalsa zieht und diesem so auch zu neuen Glanz verhilft, wurde im Zuschauerraum gemutmaßt. Und tatsächlich erklärte der Bürgermeister, „er sei guter Hoffnung, dass sich das Gelände doch noch entwickelt.“ Es bleibt also spannend in der Feste, an Gesprächsthemen für das nächste Bürgerforum gibt es keinen Mangel.
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