Archiv

95 Jahre alt und immer noch jeck

lob; 5. May 2018, 10:00 Uhr
Bilder: privat (1,2), Beate Ruland (3), Martin Hütt (4).
ARCHIV

95 Jahre alt und immer noch jeck

lob; 5. May 2018, 10:00 Uhr
Engelskirchen - Hilde Oberbüscher ist ein Engelskirchener Urgestein, das aus dem Ehrenamt und Karneval in der Gemeinde nicht wegzudenken ist - Im März feierte sie ihren 95. Geburtstag.
Von Laura Oberbüscher

„Et jitt nix, wat ich nit jedonn hätt”, sagt Hilde Oberbüscher, als sie versucht, die letzten 95 Jahre in Worte zu fassen. „Ich hatte immer ein turbulentes Leben,” führt sie weiter aus, „abends vor dem Fernseher sitzen, einen Krimi gucken und danach ins Bett gehen, das war nie meins.” Hilde Oberbüscher lebt seit 1923 in Engelskirchen. Weggezogen hat es sie nie. „Engelskirchen war schon immer eine attraktive Gemeinde mit vielen Vereinen. Und die Nähe zu Köln ist schön“.

In der Welt rumgekommen ist sie trotzdem, schwärmt noch heute vom Roten Platz in Moskau und schimpft über eine Möwe, die ihr in Venedig einen Gruß auf der Bluse hinterließ. Den Spaß am Reisen hat sie in jungen Jahren auch bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO) eingebracht. Nachdem sie 1946 den Engelskirchener Ortsverein mitbegründet hatte, organisierte zahlreiche Kinder-Ferienmaßnahmen und Seniorenfahrten in Deutschland und Österreich.


[Hilde Oberbüscher (Mitte) arbeitete in den 1940er Jahren als Postzustellerin.]

Später trug sie als Mitglied des AWO-Kreisvorstandes Oberberg zur Eröffnung des Second-Hand-Ladens „Fundgrube“ in Engelskirchen bei und setzte sich für Einzelzimmer im Neubau des Otto-Jeschkeit-Altenzentrums ein. „Auf dem Grundstein, der hier ein paar Stockwerke unter uns liegt, steht mein Name mit drauf“, merkt sie mit einem zufriedenen Grinsen an.

 
Seit mittlerweile 72 Jahren ist Hilde Oberbüscher Mitglied bei der AWO, gut 70 davon war sie ehrenamtlich aktiv. Für ihr außerordentliches Wirken wurde sie vielfach ausgezeichnet - so ist sie unter anderem Ehrenvorsitzende der AWO Oberberg und Trägerin des Bundesverdienstkreuzes. Die größte Ehre wurde ihr aber ohne Zweifel 2012 zuteil, als der damalige Bundespräsident Joachim Gauck sie zum Bürgerfest auf Schloss Bellevue einlud, in dessen Rahmen er Bürger für ihr soziales Engagement ehrte.  Bis heute steht das Erinnerungsfoto mit „Opa Gauck“, wie einer ihrer Urenkel ihn stolz betitelte, neben unzähligen Familienfotos auf ihrer Kommode.


[Hilde Oberbüscher mit dem ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck.]

Auf die Frage, wie sie zum Karneval gekommen sei, antwortet Oberbüscher überzeugend: „Ich wor schon immer ´ne Jeck“. Auch aus dieser Leidenschaft hat das Engelskirchener Urgestein eine Tugend gemacht: Gemeinsam mit Willi Baldus etablierte Oberbüscher den Kinderkarneval in Engelskirchen. Die größte Herausforderung dabei war für sie allerdings nicht das Organisatorische: „Ich habe damals immer die Büttenreden geschrieben - die Kinder hatten davon ja keine Ahnung“, erklärt Oberbüscher. „Das war aber gar nicht mal so einfach - es musste ja alles sittlich sein“, fügt sie mit einem Lachen hinzu.


[Der letzte Auftritt beim Mütterkaffee im Jahr 2013.]

Hilde Oberbüscher selbst stand über 50 Jahre beim „Mütterkaffee“ in der Bütt und auf der Bühne. Zum letzten Mal 2013, als sie zwei Monate vor ihrem 90. Geburtstag in der Mitte einer Lotusknospe erblühte. „Ich hatte das große Glück, dass ich immer nur die blöden Rollen bekommen habe - die konnte ich am besten spielen“, sagt sie schmunzelnd.

Mittlerweile ist Hilde Oberbüscher - auch wenn man es kaum glauben mag - ruhiger geworden. Im Gegensatz zu früher sitzt sie gerne abends vor dem Fernseher, guckt Ratesendungen, um den Kopf fit zu halten, oder liest ein gutes Buch. Langweilig wird es trotzdem nicht, dafür sorgen ihre sechs Urenkel. Im Herbst wird das siebte erwartet, darauf freut sie sich schon jetzt sehr.
WERBUNG